Ein Überholverbot auf Autobahnen für schwere Lastwagen bei extremem Regen oder Schnee- und Eisglätte könnte nach den Vorstellungen einiger Verkehrsminister Unfallrisiko und Staugefahr eindämmen. Eine Vorentscheidung könnte auf der heute beginnenden Konferenz der Verkehrsminister der Bundesländer fallen, die bis Freitag in Brüssel tagt. Der nordrhein-westfälische Fachminister Oliver Wittke sagte im Westdeutschen Rundfunk, ein solches Überholverbot werde dringend gebraucht.
Der CDU-Politiker sagte, die erste Initiative dafür sei vor mehr als einem Jahr aus Nordrhein-Westfalen gekommen. Er glaube, "dass wir da heute zu Ergebnissen kommen werden".
Bundesverkehrsminister Wolfgang Tiefensee, der an dem Treffen in Brüssel teilnimmt, befürwortet ebenfalls ein generelles Überholverbot für Lastwagen bei Eis und Schnee. Auch der Vorsitzende der Verkehrsministerkonferenz, der sächsisch-anhaltische Verkehrsminister Karl-Heinz Daehre (CDU), hat sich bereits für diese Idee stark gemacht.
Kritik kam bislang unter anderem vom Automobilclub für Deutschland (AvD). Er wies darauf hin, dass das Einfädeln an Autobahnauffahrten stark behindert werde, wenn Brummis nur noch die rechte Spur benutzen dürften und dort in dichten Kolonnen führen. Deshalb müsse ein Mindestabstand eingeführt werden. Der Auto Club Europa (ACE) argumentierte, ein solches Überholverbot ergebe sich bereits zwingend aus der Straßenverkehrsordnung.
Änderung der Straßenverkehrsordnung vorgeschlagen
Wittke sagte, in die Straßenverkehrsordnung solle eine generelle Regelung eingeführt werden, wonach die linke Fahrspur bei extremen Wetterlagen von Lastwagen über 7,5 Tonnen nicht mehr benutzt werden dürfe. Dazu gehörten Starkregen und Schneefall. Wittke verwies darauf, dass in Nordrhein-Westfalen auf dem Großteil der Autobahnen mit nur zwei Richtungsstreifen bereits ein solches Lkw-Überholverbot gelte.
Der CDU-Minister hat kürzlich angekündigt, dass das temporär bestehende Verbot zum Jahresende auf 470 zusätzliche Streckenkilometer ausgeweitet werde. Dann dürfen Laster in Nordrhein-Westfalen auf knapp 1.000 von insgesamt 1.200 Kilometern zweispuriger Autobahnen nicht mehr zum Überholen ansetzen.
Der Forderung nach einer Mindestabstandsregelung hielt Wittke entgegen, diese Regelung gebe es heute schon, auch wenn sie nicht immer eingehalten werde. Da gebe es keinen Handlungs-, aber einen Kontrollbedarf.
Auto Club Europa: Gesetzesänderung ist purer Aktionismus
Auf wenig Verständnis trafen die Pläne der Verkehrsminister beim Auto Club Europa. ACE-Sprecher Rainer Hillgärtner sagte, im Kern bestehe überhaupt kein Regelungsdefizit, sondern ein Vollzugsdefizit. "Worauf es hier ankommt ist, dass die Missachtung solcher Vorschriften im Rahmen der Verkehrsüberwachung tatsächlich geahndet wird", sagte Hillgärtner Morgenpost Online.
Statt der Straßenverkehrsordnung "in unbändigem Regulierungswahn" einen weiteren Satz hinzuzufügen sei es besser, wenn die Verkehrspolizei in die Lage versetzt werde praktisch zu handeln. „Der Vorstoß der Verkehrsminister ist nichts anderes als purer Aktionismus und verkehrrechtlicher Popanz“, so Hillgärtner weiter. Die entsprechenden Abschnitte der Straßenverkehrsordnung regelten diese Situationen bereits hinreichend, Vergehen würden jedoch von der Verkehrspolizei kaum geahndet.
Um die Sicherheit auf deutschen Autobahnen zu erhöhen, forderte Hillgärtner ein Lkw-Überholverbot auf zweistreifigen Autobahnabschnitten. Nach Überzeugung des ACE wäre eine solche Maßnahme ein wirksamer Beitrag zur Unfallverhütung. Schließlich passiere jeder vierte Lkw-Unfall beim Überholen. Bei jedem dritten Lkw-Unfall seien Schwerverletzte und Tote zu beklagen. Dies beschreibe den enormen Handlungsbedarf, sagte Hillgärtner Morgenpost Online.
Darüber hinaus forderte der ACE ein Tempolimit für Kleinlaster. Für sie sei eine Höchstgeschwindigkeit von 130 Kilometer pro Stunde (km/h) auf Autobahnen zwingend geboten. Die Zahl der Unfälle mit Personenschäden, an denen solche Fahrzeuge (2,8 – 3, 5 Tonnen Gewicht) beteiligt gewesen seien, habe sich seit 1996 mehr als verdreifacht, zitierte der ACE aus einem Bericht der Bundesanstalt für Straßenwesen (BaSt).
Bei der Verkehrsministerkonferenz, soll es auch um die Finanzierung des Schienennetzes von solchen Eisenbahnen gehen, die nicht dem Bund gehören. Die Länder wollen erreichen, dass der Bund für die Finanzierung etwa von Bahnanschlüssen für Betriebe zusätzliches Geld zur Verfügung stellt.
Auf der Konferenz wollen sich die Minister außerdem zum wiederholten Mal mit der geplanten Teilprivatisierung der Bahn beschäftigten. Die Länder drängen angesichts immer neuer Privatisierungsmodelle auf mehr Einfluss bei den Diskussionen und auf eine langfristige Sicherung des Personennahverkehrs.