Nach Roman Polanski ist der britische Streetart-Künstler der zweite große Abwesende der diesjährigen Berlinale. Wer ist er und wo ist er? Eine nicht so leicht zu beantwortende Frage.
Eigentlich ist es eine geniale Idee. Man zeigt den neuen Film eines großen Regisseurs, in diesem Fall Roman Polanski, der an dem Ereignis leider nicht teilnehmen kann, weil er mit Fußfesseln in seinem Schweizer Haus bleiben muss. Schon reden alle von diesem abwesenden Menschen.
Oder man zeigt den Film eines Stars, in diesem Fall des Street-Art-Künstlers Banksy, und aber leider, leider bleibt dieser Mensch immer anonym, niemand darf seine Identität erkennen, weil er schließlich in einer rechtlichen Grauzone arbeitet. Man erwähnt aber zugleich, dass derjenige an der Premiere teilnehmen wird.
Schon beginnt das Rätselraten. Wer könnte er sein, dieser Mann aus Bristol, der seine Schablonen-Bilder auf Hauswände von Berlin über Los Angeles bis hin zur Westbank gedrückt hat? Relativ schlacksig muss er sein, so lässt sich in "Exit Through The Gift Shop" erkennen. Trägt bevorzugt Kapuzenpullover - jedenfalls im Film. In einer Einstellung sieht es so aus, als trage er einen Ehering. Aber der Schmuck kann natürlich auch etwas anderes bedeuten. Über die Stimme lässt sich nichts sagen, selbst sie wird im Film verfremdet.
Also wo könnte er steckten, dieser Mann, der den Kunstmarkt vor einiger Zeit aufmischte ebenso wie andere Streetart-Kollegen? Es könnte jener Typ sein, der in der Warteschlange des Blue Max Theaters steht, dort wo an der Tageskasse noch Restkarten für den Berlinale-Palast verkauft werden. Also der trägt Kapuze, wirkt unter der Jacke recht schlank. Vielleicht will er den neuen Ben Stiller sehen, wer weiss? Aber er trägt keinen Ring am linken Ringfinger, außerdem hat er eine Packung Knoppers in seinem Rucksack - also, der ist es wohl nicht.
Alle fallen auf seine Tricks rein
Oder macht Banksy heute auf brav und trägt Wollmantel (mit Kapuze), Schal und eine Kamera um den Hals? Mit mir bleibt er kurz vor Beginn der Premier minutenlang vor dem Berlinale-Palast stehen, lächelt versonnen und fotografiert?
Oder der: Kommt mit einer Frau mit weißem Schal, er selbst mit Mütze, schwarzer Jacke und Bart zur Vorstellung und verschwindet zuegig im Kino? Oder Sitzt er in einer fünf Limousinen, die unmittelbar vor Beginn der Vorstellungen vorfahren? Jener glatzkoepfige vielleicht Mitte 30-Jährige im Anorak und gelben Pulli? Jedenfalls wird er breit grinsend in einer Gruppe vieler Frauen samt Dieter Kosslick fotografiert. Ein paar Fotografen rufen seinen Namen. Doch ist das nur ein (vergeblicher) Versuch, ihn aus der Reserve zu locken? Vielleicht fallen wir alle gerade auf ein Ablenkungsmanöver rein.
Sicher ist nur eines: wenn er am Abend im Berlinale-Palast saß, hat er auf jeden Fall nicht die berühmte Banksy-Maske auf, die er normalerweise vor Fotografen trägt, um seine Identität zu schützen. Ist er überhaupt in Berlin? Schließlich begrüßt er die Berliner bereits zu Beginn seiner Dokumentation. So ganz werden wir es wohl nie erfahren.