Ausstellungen

Die Alte Nationalgalerie feiert die Maler des Lichts

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Gabriela Walde
Farbrausch: „Die Pontinischen Sümpfe bei Sonnenuntergang“ von August Kopisch, gemalt 1848

Farbrausch: „Die Pontinischen Sümpfe bei Sonnenuntergang“ von August Kopisch, gemalt 1848

Foto: © Staatliche Museen zu Berlin, Nationalgalerie / Foto: Andres Kilger

Das Haus am Lustgarten zeigt zwei Ausstellungen über das Multitalent August Kopisch und über die Kopenhagener Malerschule.

Kein zweiter Maler des 19. Jahrhunderts mischte auf seiner Palette die Farben so furios, nun ja, gnadenlos wie August Kopisch (1799-1853). Das Rot kann röter nicht sein – es glüht, lodert, explodiert. Sein Himmel ist so himmelblau, dass eigentlich nur die Engel fehlen. Bei ihm ist Farbe eine Art Religionsersatz, nicht ohne ekstatische Züge. Das faszinierte die meisten, schockierte damals aber auch manchen Zeitgenossen, das darf man nicht vergessen. Der Dichter, Arzt, Kritiker Julius Leopold Klein tadelte „Die Pontinischen Sümpfe bei Sonnenuntergang“, das Gemälde sei „schwül, drückend“, bereits „pathologisch“, notierte er. Die Sonne sei ein „aufgebrochenes Geschwür“, der Himmel drumherum „entzündet“.

Klein hatte das Bild 1839 auf der Berliner Akademieausstellung gesehen. Der König jedenfalls muss ein Kopisch-Fan gewesen sein, er erwarb das Gemälde im gleichen Jahr. Nicht nur das: Neun Jahre später fertigte der Künstler das gleiche Motiv noch einmal für den Bankier Joachim Heinrich Wagener. Dessen Privatkollektion bildet die Basis der Berliner Nationalgalerie.

Kopisch entdeckte die Blaue Grotte in Capri

Nun hängen die „Sümpfe“ im dritten Stock der Alten Nationalgalerie, und auch hier lässt sich wieder einmal über Geschmack streiten. Radikal oder kitschig: „Wie romantisch“, schwärmt eine Dame, rückt ganz nah dran an das Rot, als wolle sie in das Farbmeer eintauschen. Ihr Mann würdigt das Werk kaum eines Blickes, „Akademiemalerei“ zischt er, weg ist er. Ganz klar, einen geschmacklichen Grauwert gibt es bei August Kopisch nicht. Die Wiederentdeckung des von manischem Forschergeist getriebenen Kopisch, der ab 1833 in Berlin lebte, war fällig. Er war in dem Sinne kein typischer Künstler seiner Zeit, ein Multitalent. Er malte, dichtete, übersetzte und war mit der Stadt und ihren Künstlern und Wissenschaftlern wie Alexander von Humboldt verbandelt. Wilhelm IV. berief ihn 1840 zum Kunstgesandten im Königlichen Hofmarschallamt. Es ist die erste Schau überhaupt, und seine überaus spannende Vita mit den Italienreisen und seinen technischen Weltvermessungsversuchen hätten durchaus die Fallhöhe für eine Präsentation im Humboldt-Forum.

Übrigens hat der gebürtige Breslauer Kaufmannssohn nicht viel gemalt, von seinen 23 Ölgemälden blieb die Hälfte erhalten. Sein literarischer Höhepunkt ist die Übersetzung von Dantes „Göttlicher Komödie“, auch Märchen schrieb und aquarellierte er mit leichter Hand. Dass er Humor hatte, zeigt sein Gedicht „Heinzelmännchen zu Köln“. Und, ja, der Mann war praktisch, erfand einen Schnellofen zur Erwärmung kleiner Räumlichkeiten.

Das Sehnsuchtsblau fand hier ihr Symbol

Sein Coup war die Entdeckung der Blauen Grotte in Capri, die er quasi für den Tourismus öffnete. 1826 ruderte der 27-Jährige mit zwei Begleitern in die verrufene „Teufelshöhle“. Weil der Zugang zu eng war, schwamm er hinein, was er dort sah, war Wasser „wie ein wallender Himmel“, so beschrieb er das später in seinem Buch. Das Sehnsuchtsblau, Lieblingsfarbe der Romantik, fand hier ihr Symbol. Der Pilgerzug der Künstler und Dichter nahm seinen Lauf, eine Flut an Bildern der blauen Grotte entstand ebenso wie literarische Verarbeitungen und zahlreiche Reiseberichte, wie die Ausstellung schön illustriert.

Was die Malerei betrifft, so waren Mondschein, Sonnenuntergänge und Vulkanausbrüche Kopisch’ Spezialität. Bei diesen Naturerscheinungen interessierten ihn allein die Licht- und Farbphänomene, Bilder wie „Ein Schiff auf dem Meere von Delphinen umschwärmt“ leuchten fast grell wie Neon. Der Mann hatte einen Hang zur Übersteigerung, „Mutterflammenlichtblau“, „Chrysograsbrillantfeuergrün“, so nannte er „seine“ Farben. Ein Romantiker wie Caspar David Friedrich mit seiner sanften Lichtsymbolik nimmt sich gegen Kopisch aus wie ein Blässling.

Die kleine Kabinettausstellung im ersten Stock der Nationalgalerie führt dagegen zu einer ganz anderen „Schule der Romantik“. Hier kommt das Licht nicht wie bei Kopisch aus dem Süden, sondern aus dem hohen Norden, aus Kopenhagen. Nichts ist farblich überhöht, die Landschaft ist vor allem eins: karg, spröde – flach und voller Details. Warum ausgerechnet Kopenhagen am Rande Europas? Das leuchtet nun nicht gleich ein. Dass hing mit der dortigen Malerschule zusammen, die sich zwischen 1800 und 1850 zur modernsten in Europa entwickelte.

Die deutsche Romantik beginnt im hohen Norden

Frischen Wind brachte Lehrstuhlinhaber Christoffer Wilhelm Eckersberg in die Lehre. Er ging weniger akademisch vor, schickte seine Studenten raus in die Natur. Besonders die norddeutschen Künstler fühlten sich vom Flair Kopenhagens angezogen, dort studierten Caspar David Friedrich, Philipp Otto Runge, Georg Friedrich Kersting. Wenn man so will, war also Kopenhagen die Wiege der deutschen Romantik. Dazu gab es auch einen regen künstlerischen Austausch: Die ehemaligen Kopenhagener Studenten gingen nach Deutschland. In welcher Weise sie sich gegenseitig beeinflussten, zeigt nun die Ausstellung anhand verschiedener Motive.

Die Mehrzahl der 40 Gemälde, Zeichnungen und Studien kommen aus der Sammlung Christoph Müller, bekannt als Mäzen mit Gaben ans Kupferstichkabinett. Seine Dänen aber verlassen bald Berlin. Sie gehen als Schenkung an das Landesmuseum in Greifswald – die Geburtsstadt Caspar David Friedrichs.

Alte Nationalgalerie: Mi-Mo 10-18 Uhr, Do bis 20 Uhr. August Kopisch: bis 17. Juli 2016. Kopenhagener Malerschule: bis 31. Juli 2016.