Rückkehr an die Komische Oper: Andreas Homoki hatte als Intendant das Berliner Opernhaus geprägt, jetzt inszeniert er „My Fair Lady“

Die Premiere von „My Fair Lady“ am Sonnabend ist Andreas Homokis Rückkehr an die Komische Oper. Mit dem „Schlauen Füchslein“ von Janacek hatte sich der Regisseur vor vier Jahren verabschiedet und die Geschäfte schließlich in die Hände des Regieintendanten Barrie Kosky gelegt. Homoki war 2002 als Nachfolger von Harry Kupfer zunächst Chefregisseur und 2004 Intendant geworden. Seit Sommer 2012 leitet Homoki, 55, das Opernhaus Zürich.

Berliner Morgenpost: Herr Homoki, wie fühlt es sich an, wieder an der Komischen Oper zu inszenieren? Sie haben doch hoffentlich ein bisschen Heimweh?

Andreas Homoki: Ja, es fühlt sich ein bisschen so an, als wenn man schon von zu Hause ausgezogen ist, aber in den Semesterferien zurückkommt.

Was hat sich für Sie am deutlichsten verändert im Haus?

Eigentlich wenig, es sind dieselben Menschen. Die inhaltliche Ausrichtung hat sich auf die Zeit vor 1933 erweitert, auf die Zeit des Metropol-Theaters und damit vor die Ära von Walter Felsenstein, dem Gründer der Komischen Oper Berlin. Das ist vor allem von außen wahrnehmbar, durch den veränderten Spielplan. Es werden mehr Musicals und Operetten gespielt. Ich halte es für einen klugen Schritt von Barrie. Der Tanz spielt eine größere Rolle, da greifen die Sparten anders, kommunikativer ineinander. Am Rande der Probe lässt sich plötzlich ein Chorsänger von einem Tänzer noch mal die Schritte zeigen. Das ist schön – und das merke ich dann auch bei meiner Arbeit als Regisseur.

Sie waren nie der Mann für die Unterhaltung?

Im Grunde komme ich vom Musical. Unmittelbar bevor ich 1985 an die Komische Oper kam, um bei Harry Kupfers „Lustiger Witwe“ zu hospieren, hatte ich gerade bei der europäischen Erstaufführung von „La Cage aux Folles“ am Theater des Westens mitgearbeitet. In der Komischen Oper konnten wir erst ab 2008 richtiges Musical machen, da bis dahin die Voraussetzungen fehlten. Die Technologie wurde erst für Barrie Koskys Inszenierung von „Kiss me, Kate“ angeschafft. Inszwischen ist da noch einmal investiert worden.

Der Rückgriff auf die Metropol-Theater-Tradition wäre zu Ihrer Amtszeit kulturpolitisch nicht durchsetzbar gewesen?

Nein. Bei damaligen Diskussionen um die drei Berliner Opernhäuser gab es immer wieder Leute, die sagten, die Komische Oper sei das kleinere Haus wie das Gärtnerplatztheater in München oder Volksoper in Wien. Das war kreuzgefährlich, weil es im Vergleich zu den beiden großen Häusern, was die personelle Ausstattung bei Chor und Orchester betrifft, in die Zweitklassigkeit geführt hätte. Da galt es gegen anzusteuern, wofür ich ja auch Kirill Petrenko an meiner Seite hatte. Wir haben gesagt, gut, wir machen auch Operette, aber was die Oper angeht, stehen wir in der Tradition von Felsenstein. Die Botschaft ist angekommen, daraufhin konnte Barrie dann die Erweiterung wagen. Er schafft ja den virtuosen Spagat zwischen „Moses und Aron“ und „West Side Story“.

Ihr damaliger Generalmusikdirektor Petrenko wird jetzt Chefdirigent der Berliner Philharmoniker. Was für eine Karriere.

Ich freue mich für ihn! Ich hatte damals unglaubliches Glück, diesen Ausnahmedirigenten am Beginn seiner Karriere für das Haus gewinnen zu können.

Worüber haben Sie damals am meisten gesprochen, diskutiert, gestritten?

Mit Kirill ging es immer um die konkrete Arbeit am Stück, mit dem Sänger an der Rolle. Kirill will Transparenz, er will den Text verstehen, die Sänger deutlich hören, da ist er unnachgiebig. Das zeichnet ihn aus. Und da treffen sich unsere Vorstellungen über gutes Musiktheater. Für mich war es darüber hinaus wichtig, wegzukommen vom damaligen Prinzip, dass sich die Philosophie und Qualität des Hauses allein auf die Handschrift des jeweiligen Chefregisseurs reduzieren lässt, sei es Felsenstein, Kupfer oder Homoki.

Worauf muss man sich als Intendant an Petrenkos Seite einlassen?

Er ist ein kompromissloser Musiker. Er kann auch sehr lustig sein, aber auch sehr zurückgezogen. Er lässt Nähe selten zu, weil er einfach so hart arbeitet. Ich erinnere mich, wie wir einmal auf der Zielgerade waren bei einer unserer erfolgreichsten Produktionen: „Der Rosenkavalier“. Wir hatten eine fantastische Orchesterhauptprobe hinter uns. Wir wussten alle, das Ding läuft. Daraufhin habe ich spontan alle zu mir nach Hause eingeladen. Kirill kuckte mich entgeistert an und sagte, das komme gar nicht in Frage, er müsse gleich nach Hause und sich die Bänder von der Probe anhören. Am nächsten Tag kam er mit detaillierten neuen Anmerkungen in der Partitur ins Haus. Er ist ein absoluter Perfektionist.

Sie waren Intendant in einer der kulturpolitisch härtesten Zeiten. Die Opernstiftung musste gegründet werden, damit die öffentliche Meinung nicht kippt und die Berliner Politik doch ein Haus opfert. Es gab drückende Sparauflagen. Sind Sie nicht neidisch, wenn Sie sehen, wie entspannt jetzt alles läuft?

Nein, ich bin stolz darauf, dass wir das durchgestanden haben und jetzt alles funktioniert. Barrie ist ein großartiger Regisseur und Freund. Ich hatte ihn bereits in meiner ersten Spielzeit ans Haus geholt.

Waren Sie regelmäßig bei den Premieren zu Gast?

Leider nicht so oft, da ich in Zürich mit neun Opernpremieren plus drei im Ballett sehr eingebunden bin. Aber einiges habe ich gesehen, zuletzt den „Don Giovanni“ und „Moses und Aron“ – beides phantastische Produktionen.

Hat es irgendwie ästhetischen Einfluss auf das, was Sie jetzt inszenieren?

Nein, es ist Homoki pur. Aber es ist auch Musical pur. Das Musical hat schon ein eigenes Vokabular, das benutze ich natürlich. Und ich habe mich schon immer für das große Hollywood-Kino der 1940er begeistert.

Sehen Sie denn einen tieferen Sinn oder zumindest einen doppelten Boden bei „My Fair Lady“?

Es basiert auf einer Komödie von George Bernhard Shaw, eine Satire auf die britische Klassengesellschaft. Dein Status zeigt sich in der Art und Weise, wie du sprichst. Der Sprachwissenschaftler Professor Higgins sucht sich ein Mädchen aus der Gosse und formt sie zur Lady. Als Höhepunkt präsentiert er Eliza als Dame der Gesellschaft auf einem Diplomatenball. Dort ist sie so erfolgreich, dass sie sogar für eine Prinzessin gehalten wird. Die Geschichte hat etwas von einem Märchen, das bei allem Humor auch sehr anrührend ist und nachdenklich macht.

Sie spielen die Fassung auf Berlinisch?

Ja, man braucht eine Entsprechung für das Englisch der Londoner Arbeiterklasse. In einer industriell geprägten Stadt wie Berlin liegt das Berlinerische da auf der Hand – zumal wir die Inszenierung in den 1920ern ansiedeln, wo die Identität als Industriestadt noch ausgeprägter war.

Sie hätten es auch auf Sächsisch machen können?

Aber dann würde man mir vorwerfen, mich als „Wessi“ über die „Ossis“ lustig zu machen. Für mich ist vor allem das urbane Element wichtig: die städtisch Gesellschaft, in der der Dialekt der Arbeiter sozial diskreditiert ist.

Aber das Berlinische ist im Ostteil der Stadt gesellschaftlich akzeptierter als im Westen.

Wie gut, dass wir im Westteil die Klassengesellschaft bewusst hoch gehalten haben! (lacht) London als Handlungsort des Stückes liegt ja auch im Westen.

Haben Sie Ihre Entscheidung, von Berlin nach Zürich zu wechseln, jemals bereut?

Nein, zehn Jahre Berlin waren genau richtig. Es war eine Zeit, die von mir als Intendanten verlangte, immer wieder als Galionsfigur des Hauses aufzutreten. Und zu sagen: Ich bin die Komische Oper Berlin. Danach war es schön und richtig, mich weiter international auszurichten.

Was ist der größte Unterschied?

Die Komische Oper ist ein ausgesprochenes Ensembletheater und damit sehr flexibel, während Zürich sehr viel mehr mit internationalen Gästen arbeitet. Das bedeutet einen längerfristigen Planungsverlauf von bis zu vier oder manchmal auch fünf Jahren.

Sie haben offenbar genug Distanz zur Komischen Oper gewonnen. Was würden Sie rückblickend anders machen?

Inhaltlich eigentlich nicht viel. Aber ich hätte damals meine künstlerischen Vorstellungen im Vorfeld deutlicher ins Haus hinein kommunizieren müssen. Ich hatte vor meinem Antritt bereits dreimal hier als Regisseur gearbeitet und dann als Chef zu viel einfach vorausgesetzt, was damals viele Mitarbeiter überfordert und verwirrt hat. Obendrein hatte ich das Handycap, dass ich zunächst nicht Intendant, sondern nur Chefregisseur war. Leider stellte sich bald heraus, dass der Intendant mir intern nicht genug den Rücken stärkte. So kam es zu einem Zerwürfnis. Und es ist politisch verheerend , wenn alle mitbekommen, dass die Leitung eines Hauses gespalten ist.

Haben Sie mit Intendanten-Vorgänger Albert Kost später noch einmal darüber gesprochen?

Nein, seit er weg ist, habe ich ihn nicht mehr gesehen.