Abgeordnetenhaus

Staatsopern-Ausschuss untersucht Gedächtnislücken

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Volker Blech
Dauerbaustelle Staatsoper Unter den Linden: Ein Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses will bis Mitte 2016 klären, wie es zu den Sanierungspannen kam

Dauerbaustelle Staatsoper Unter den Linden: Ein Untersuchungsausschuss des Abgeordnetenhauses will bis Mitte 2016 klären, wie es zu den Sanierungspannen kam

Foto: Soeren Stache / dpa

Der Untersuchungsausschuss „Staatsoper“ hat am Freitag erste Zeugen befragt und überraschend einen ersten Schuldigen geliefert bekommen.

Über den Untersuchungsausschuss „Staatsoper“ wurde bereits seit Beginn des Jahres diskutiert. Von großer Aufmerksamkeit begleitet, weil es ja um einen Berliner Bauskandal im Windschatten des Pannenflughafens Schönefeld geht, nahm er dann im Mai seine Arbeit auf. Bisher fanden aber nur Beratungssitzungen und eine Begehung der Opernbaustelle statt. Am Freitag kam es zur ersten wichtigen Anhörung im Abgeordnetenhaus, bei der drei Zeugen befragt wurden. Der Ausschuss versucht herauszufinden, wie es zu den Planungspannen, Bauverzögerungen und Kostensteigerungen kommen konnte. Natürlich müssen dabei auch Schuldige zutage treten. Am Freitag wurde bereits einer gefunden, der sich gegen die Anschuldigungen nicht mehr wehren kann, weil er vor zwei Jahren verstorben ist.

Ein Deal zwischen Bund, Land Berlin und Förderverein

Der Berliner Unternehmer Peter Dussmann, der sich immer wieder für die Staatskapelle und die Opernsanierung einsetzte, leitete den „Verein der Freunde und Förderer der Staatsoper Unter den Linden“. Der Verein war zeitweilig eine einflussreiche Lobby für die Sanierung und machte selbst auch große finanzielle Versprechungen.

Anfänglich ließ sich in Berlin damit alles leicht schön rechnen. Geplant waren Gesamtkosten von 239 Millionen Euro. Der Bund sicherte vertraglich 200 Millionen zu, weitere 30 Millionen wollte der Förderverein unter seinem damaligen Vorsitzenden Peter Dussmann beisteuern. Dussmann gab diesbezüglich öffentliche Erklärungen ab, die überall gerne gedruckt und gehört wurden. Lediglich neun Millionen sollte das Land Berlin aufbringen.

An diesem Freitag nun wurde Dussmanns Vereinschef-Nachfolger Tessen von Heydebreck als Zeuge befragt. Denn er war derjenige, der nach Dussmanns Tod sofort von der Ankündigung der 30 Millionen abgerückt war. Das ehemalige Vorstandsmitglied der Deutschen Bank hat die Ausschussmitglieder missmutig gestimmt, vor allem durch seine Gedächtnislücken. Dazu gehört auch die Aussage, dass er sich an keinen Beschluss über die 30-Millionen-Zuwendung des Vereins erinnern kann. Das müsste Peter Dussmann demnach alleine entschieden und verkündet haben.

Auch 4,6 Millionen Euro sind ein gutes Engagement

Ein solches Vereinsgebaren will im Ausschuss aber keiner so recht glauben. Ausschussvorsitzender Wolfgang Brauer (Linke) fügt vorsorglich an, dass man das Engagement der Freunde schätzt. Auch die angekündigten 4,6 Millionen Euro sind beachtenswert. Unter anderem soll damit die Übersetzungsanlage, die ähnlich wie in der Komischen Oper in den Sitzen integriert sein wird, finanziert werden. Man überlegt, Tessen von Heydebreck noch einmal zu befragen.

Bei den beiden anderen Zeugen ging es vor allem um die Baupannen. Das 1742 zum ersten Mal in Betrieb genommene Opernhaus war mehrfach umgestaltet worden, nach dem Zweiten Weltkrieg wurde es nach Plänen des Architekten Richard Paulick wiederaufgebaut. Daran anknüpfend wurde 2010 mit der Sanierung begonnen. Ursprünglich war von drei Jahren die Rede, inzwischen wird die Wiederöffnung für Herbst 2017 angekündigt.

Bereits vor rund 15 Jahren hatte es die ersten Überlegungen zu einer Generalsanierung gegeben. „Eigentlich wusste jeder, was los ist“, sagt der Architekt und Gutachter Gerhard Spangenberg. „Es war früh klar, dass wir ein ziemliches Kuddelmuddel im Boden hatten“. Die Details habe man damals allerdings nicht gekannt. Die marode Bausubstanz und der „schwappige Untergrund“ seien immer wieder Thema in den Gesprächen mit den Fachleuten gewesen. Die Senatsbauverwaltung hatte den Architekten beauftragt, Varianten für eine Sanierung und die Kosten dafür zu errechnen.

Spangenberg hatte vier Sanierungsvarianten errechnet, die billigste brachte es auf anderthalb Jahre, die teuerste auf sieben Jahre Bauzeit. Die teuerste sollte 200 Millionen kosten. Spangenberg hat unter anderem die Treptowers, das Radialsystem und das Klärwerk Waßmannsdorf geplant. Seine für die Staatsoper errechnete Gesamtsumme habe aber damals das „Vorstellungsvermögen“ der Bauverwaltung gesprengt. Nachdem er sein Gutachten vorgelegt habe, sei er nie wieder kontaktiert worden. Die Vorgaben für die spätere Ausschreibung, die das Büro des Architekten HG Merz gewann, nannte Spangenberg „lächerlich“. Nach heutigem Stand liegen die Sanierungskosten bei rund 400 Millionen Euro.

Der eine Technische Direktor geht, der andere kommt

Auch der frühere Technische Direktor der Staatsoper, Klaus Wichmann, sagt, dass man es „hätte wissen können.“ Bereits seit 1927 seien die im Boden versenkten Holzpfähle der mittelalterlichen Berliner Stadtmauer sowie Holzreste aus der Bauzeit der Staatsoper dokumentiert. Ihr plötzliches Auftauchen während der Sanierung hatte zu neuen Verzögerungen und Kostensteigerungen geführt. Wichmann sagt, er hatte sich gegen ein unterirdisches Magazin (nebst Tunnel) ausgesprochen. Daraufhin sei er nicht mehr, wie zunächst vorgesehen, als Sanierungsbeauftragter infrage gekommen. Er ging 2007 in den Ruhestand. Im Ausschuss weiß man jetzt, bereits in der Sitzung vier Wochen später, mit dem neuen Direktor, war die teure Tunnelanlage wieder in der Planung.

Zur nächsten Anhörung am 25. September wird Hans Hoffmann, der amtierende Technische Direktor der Staatsoper, angehört. Als Zeugen eingeladen sind außerdem der frühere Intendant Peter Mussbach sowie der frühere Generaldirektor der Opernstiftung, Michael Schindhelm.