Kurfürstendamm

Wenn die Thalbachs gemeinsam Theater machen

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Stefan Kirschner

Foto: Michael Petersohn / Komödie am Kurfürstendamm

Am Sonntag feiert die Komödie „Roter Hahn im Biberpelz“ Premiere am Kurfürstendamm. Die Theaterfamilie Thalbach und Besson haben sie zusammen inszeniert und stehen gemeinsam auf der Bühne.

Eine Theaterfamilie trifft sich im Theater. Natürlich ein Klischee. Aber bei den Thalbachs trifft das jetzt mehr denn je zu: Nicht nur, dass Katharina mit Tochter Anna gemeinsam auf der Bühne steht, das haben sie schon häufiger gemacht und wäre fast nicht mehr der Rede wert. Diesmal aber gibt Nellie, die 18-jährige Tochter von Anna, ihr Theaterdebüt, außerdem spielt Katharinas Halbbruder Pierre mit. Und Regie führt bei „Roter Hahn im Biberpelz“ Philippe Besson, ein weiterer Halbbruder.

Eine Familienproduktion also. Dazu passt, dass Katharina am Tag der Premiere in der Komödie am Kurfürstendamm Geburtstag hat. Sie wird am kommenden Sonntag 60 Jahre alt. Wir treffen alle fünf in einer Probenpause zum gemeinsamen Essen. Es geht sehr lebhaft zu.

Gleich zu Beginn geht es um die Familienverhältnisse – und natürlich auch um die abwesenden Bessons wie Halbbruder Nathanael, der in Paris an der Sorbonne studiert. Um Irritationen vorzubeugen, kürzen wir das an dieser Stelle etwas ab und lassen die anwesende Familienälteste sprechen: „Ich bin ein Bastard. Ihr habt ja auch alle die Schweizer Staatsbürgerschaft, ich nicht. Dann hätte ich ja Besson heißen müssen, ich wollte aber den Namen meiner Mutter nicht hergeben“, sagt Katharina. Ihre Mutter ist übrigens Sabine Thalbach, eine berühmte Brecht-Schauspielerin, die 1966 starb. Ihr Vater ist Benno Besson, ein gebürtiger Schweizer, der als Regisseur in Ost-Berlin Theatergeschichte geschrieben hat – und auch einige Frauen kennenlernte.

Letztes Jahr legte Katharina Thalbach Regiepause ein

Den Gedanken, vielleicht schon mit 60 Urgroßmutter zu werden, findet Katharina „schön“. Sie schaut zur Enkelin hinüber und ergänzt: „Dann musst du dich aber beeilen.“ Nellie trägt große Ohrringe, die fallen auch deshalb auf, weil sich die anderen beiden Thalbachs schmuckmäßig zurückhalten. Die 18-Jährige wohnt nach ihrer Zeit auf einem Hamburger Internat wieder bei ihrer Mutter. „Wir gehen zusammen los und nach der Probe gemeinsam nach Hause “, sagt Nellie und Regisseur Philippe kommentiert: „Und kommen auch zusammen zu spät.“

„Gottseidank muss ich nicht da unten stehen und die Rasselbande zusammenhalten“, sagt Katharina, die im vergangenen Jahr eine kleine Regiepause eingelegt hat: „Ich empfinde es als sehr angenehm, wenn ich mal nicht der Bestimmer bin.“ Dieser Part fällt diesmal Philippe zu, der diplomatisch antwortet: „Ich versuche, möglichst wenig durcheinanderzubringen, sodass das Ganze seinen Lauf nehmen kann.“

Gemeinsam mit Jan Liedtke hat er die Bühnenfassung geschrieben, aus den beiden Gerhart-Hauptmann-Stücken „Der Biberpelz“ und „Der rote Hahn“ eins gemacht. Das ist durchaus naheliegend, denn „Der rote Hahn“ ist eine Art Fortsetzung des „Biberpelzes“, wobei das Komödiantische ab- und das Tragische zunimmt. Auch Brecht habe, erzählt Philippe, auf Wunsch von Therese Giehse aus beiden Werken eine Fassung gemacht. Aus einem preußischen Polizisten wurde am Berliner Ensemble (BE) 1951 ein klassenbewusster Arbeiter; das stieß den Hauptmann-Erben damals auf, nach einigen Vorstellungen musste das Stück abgesetzt werden.

Damit sich die Geschichte nicht wiederholt, hat Theaterdirektor Martin Woelffer im Vorfeld mit den Erben gesprochen. Die waren erst skeptisch, haben aber schließlich zugestimmt – lustigerweise ist einer aus der Hauptmann-Sippe als Musiker sogar an der Produktion beteiligt. Die beiden Autoren haben die 130 Seiten gewissermaßen halbiert, laut Woelffer gelingt es durch „Verdichten und Ineinandergreifen beider Handlungsstränge, die Rolle der Waschfrau Wolff mit ihrer ganz eigenen Definition von sozialer Gerechtigkeit in den Mittelpunkt zu stellen.“

Biografische Verbindungen in beiden Inszenierungen

Katharina Thalbach spielt „Mutter Wolffen“, die fest entschlossen ist, sich und ihre Familie zu Wohlstand zu bringen. Dafür sind ihr auch Diebstähle und kleine Gaunereien recht. Das Gewissen plagt sie dabei nicht, da ihre „Opfer“ stets wohlhabende Leute sind. Die im „Biberpelz“ mit Witz und halbseidenen Mitteln nach Sicherheit strebende Frau Wolff geht in „Roter Hahn“ noch ein Stück weiter: An einem windigen Herbsttag lässt sie ihr Haus in Flammen aufgehen – aus Diebstählen und kleinen Gaunereien sind Brandstiftung und Versicherungsbetrug geworden.

Beide Inszenierungen haben eine lustige biografische Verbindung: Die Adelheid aus dem „Biberpelz“ hat seinerzeit am BE Sabine Thalbach gespielt, nach ihrer Übersiedlung in den Westen war diese Rolle die erste, die Katharina am Schiller-Theater übernommen hat. Und wer tritt diesmal als Tochter auf? Natürlich Nellie.

Sie weiß noch nicht, ob sie die Schauspielerei künftig hauptberuflich machen will. Noch genießt sie es, gemeinsam mit ihrer Mutter und Oma auf der Bühne zu stehen: „Ich versuche, viel zu lernen“, sagt sie ganz tochterlike. Katharina geht sofort darauf ein: „Wenn dich ein Fremder gefragt hätte, hättest du auch zugesagt?“ „Ja“, antwortet Nellie. Und die Oma spielt die Enttäuschte: „Ich dachte, es wäre wegen uns.“

Natural Born Chillers

Es folgt ein kleiner Exkurs zu einem sehr theaterspezifischen Thema: Lampenfieber. Es scheint nicht vererbbar zu sein. „Therese Giehse hat gesagt: Wer Lampenfieber hat, hat nicht richtig gearbeitet“, erzählt Katharina, „die war knallhart“. Sie kennt das Gefühl – und Kollegen, die nicht darunter leiden: „Es gibt Menschen, die sind sehr ruhig. Da sitzt zum Beispiel eine“, sagt Katharina und zeigt auf ihre Tochter. „Natural Born Chillers“, sagt die trocken. Der Spruch sorgt für kollektive Heiterkeit und, nach Abklingen des Lachens, für einen anerkennenden Satz ihrer Mutter: „Anna, der war sehr gut.“

Offenbar ist Anna für die Witze zuständig. Pierre ergänzt, dass sie sich viele merken und pointiert erzählen könne. Anna lässt sich nicht lange bitten und weil es gerade ums Alter ging, bringt sie noch einen ganz alten. Den von Johannes Heesters und seiner Frau Simone: Der Tod steht vor der Tür und klingelt. Sagt Heesters: „Simone, ist für Dich.“

Nach gut einer Stunde und nur einer Raucherpause formuliert Katharina die abschließenden Worte: „Wir sind sehr gern zusammen, aber auch sehr gern allein.“ Eine Weile müssen die Thalbachs und die Bessons noch durchhalten, nach der Premiere am Sonntag in der Komödie am Kurfürstendamm steigt ebendort die Geburtstagsparty. Und dann läuft die Inszenierung ja auch noch eine ganze Weile.