Ausstellung

Alle Hoffnungen der Berliner lagen auf Kennedy

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Judith Luig

Foto: © WILL MCBRIDE

Eine Sonderausstellung in Mitte erinnert an das Attentat auf John F. Kennedy vor 50 Jahren. Sein Tod traf die Berliner besonders schwer, sie hatten große Hoffnungen in den jungen Präsidenten gesetzt.

Am 22. November 1963 sitzt Marion Görlich mit ihrem Mann vor dem Radio. Es läuft der RIAS, der Rundfunk im amerikanischen Sektor, mit „Schlager der Woche“. In Nebenzimmer, in der kleinen Wohnung in der Stresemannstraße, sitzen ihre Eltern vor dem neuen Fernsehgerät. Es ist nicht die Zeit, in der in Berlin junge Familien gleich auch ein eigenes Zuhause gehabt hätten. „Auf einmal schreit die Mutti“, erzählt Görlich. Sofort sei sie rüber zu den Eltern gelaufen. „Was ist los, was ist passiert?“ - „Sie haben Kennedy erschossen.“

Die Nachricht vom tödlichen Attentat war ein Schock, weltweit. Doch die Berliner waren besonders tief getroffen. In der geteilten Stadt hatten die Menschen ihre Hoffnungen in den jungen amerikanischen Präsidenten gesetzt. Am 26. Juni 1963, fünf Monate davor, hatte John F. Kennedy die Stadt besucht und ein Zeichen gesetzt, dass man sie nicht alleine ließe.

Marion Görlich war wie tausende Berliner in der Mittagspause zum Anhalter Bahnhof gestürmt, um ihn zu sehen. Es gibt ein Bild von ihr, wo sie ihm die Hand schüttelt. So nah kamen die Menschen damals an den Lincoln des Präsidenten ran. „Ich bin ein Berliner“ hatte Kennedy später vor dem Rathaus Schöneberg gesagt. Er würde dafür sorgen, dass die kleine Insel West-Berlin nicht vergessen oder verschluckt würde, so glaubten viele. Er würde dafür sorgen, dass die Mauer eingerissen würde, hatte man erhofft. Und jetzt war er tot.

Trauerzüge durch Berlin

Sämtliche Konzerte und Theateraufführungen wurden für den Abend abgesagt. Die Berliner in Ost und West stellten Kerzen in ihre Fenster, sie gingen zu der Stelle an der Mauer, an der Kennedy Halt gemacht hatte und legten Blumen nieder, jemand stellte ein Pappschild auf mit der Inschrift „Ich bin ein Berliner.“

Studenten verließen ihre Vorlesung, es gab einen spontanen Schweigemarsch durch die Stadt, zehntausende trafen sich zu einem Fackelzug am Platz der Luftbrücke, der Zug wurde immer größer und schließlich waren über 60.000 Berliner am Rathaus Schöneberg versammelt.

Willy Brandt machte sich sofort auf den Weg in die USA. Der Tod John F. Kennedys wurde in Berlin als ganz persönlicher Verlust empfunden. Man trauert um ihn, man fühlte Mitleid mit der jungen Witwe und den Kindern, aber man trauerte auch um die eigenen Sehnsüchte, die man mit diesem Mann verbunden hatte.

Mythen rund um die Familie Kennedy

Was die Berliner an diesem und den folgenden Tagen empfunden haben, kann man auf den Bildern und Zeitungsartikeln der Sonderausstellung „50 Jahre Dallas, Texas“ erahnen, die das Museum The Kennedys gestern eröffnete. Vor einem Jahr war die Sammlung vom Pariser Platz in die Auguststraße umgezogen. Das gesamte zweite Obergeschoss der Ehemaligen Jüdischen Mädchenschule widmet sich seitdem den Mythen rund um die Familie Kennedy.

Zu den Exponaten gehören unter anderen die Aktentasche Kennedys, die er auch in Dallas dabei hatte. So wie eine Hornbrille, die er, so will es die Legende, ungern aufsetzte, weil sie ihn zu alt aussehen ließe. Vor allem aber besteht die stetig wachsende Sammlung aus Fotografien. Es ist lediglich ein kleiner Teil der gesamten Sammlung der Camera Work AG, die im Museum The Kennedys dauerhaft gezeigt werden.

Bilder dominieren auch die Sonderausstellung über, so der Untertitel „John F. Kennedys letzte Reise“. Wobei der Titel etwas irreführend ist, denn tatsächlich geht weniger um die Reise durch Texas, als um die Trauer um Kennedy, die Bestürzung der Welt und die Beerdigung.

Lange Schlange vor dem Berliner Kondolenzbuch

Eines der ersten Fotos im großen Raum zeigt die lange Schlange von Berlinern, die am 25. November vor dem amerikanischen Hauptquartier in der Clayallee darauf warten, sich ins Kondolenzbuch eintragen zu dürfen. Die „Berliner Illustrierte“ gab einen Sonderdruck heraus. Unter der Überschrift „Das Attentat“ konnte man für den Preis von 50 Pfennig alles über Kennedys letzten Tag erfahren.

Alles zumindest, was man wissen konnte. Die Berliner Morgenpost, die größte Abonnentenzeitung Berlins, brachte schon am 24. November mehrere Sonderseiten. Diese Zeitungen hoben sich die Berliner über Jahrzehnte auf. Auch das kann man in der Sonderausstellung sehen. Direkt neben dem Kopf der Zeitung nämlich hat jemand mit Bleistift den Preis geschrieben, den der letzte Händler für diese Zeitung verlangt hat.

Ursprünglich kostete sie mal 40 Pfennig, jetzt war sie einem Sammler 10 Euro wert gewesen. Wie besonders in Berlin die Menschen vom Tod des Präsidenten ergriffen waren, bemerkten auch ausländische Medien. Auch von ihnen gibt es Beispiel im Berliner Kennedy Museum.

Besucher erhalten Einblick in die Untersuchungsergebnisse

Die Sonderausstellung konzentriert sich auf die vier Tage zwischen dem Attentat und Kennedys Beerdigung in Arlington. Sie nimmt verschiedenste Perspektiven auf die Ereignisse: Die Arbeiten von alleine 13 bekannte Fotografen sind hier zu sehen, dazu kommen noch einige unbekannte und Fotos von Agenturen.

Insgesamt sind es hundert Bilder und mehrere Zeitdokumente geworden, die die Besucher in zwei Räumen betrachten können. Darunter auch Bilder, die versuchen, das Attentat zu rekonstruieren.

Aufnahmen vom „Texas School Book Depository“ von dem aus Lee Harvey Oswald auf den Präsidenten geschossen haben soll, Aufnahmen von Oswalds Frau Marina, Aufnahmen vom Lincoln des Präsidenten, der, da er speziell für Paraden ausgestattet war, eigens für die Reise durch Texas eingeflogen worden war. Es gibt auch Einblick in die Untersuchungsergebnisse des Warren-Reports.

Ausstellung nur der Auftakt zum Jubiläum

Wegen der großen Bedeutung, die der amerikanische Präsident für diese Stadt gehabt hat, hätte man jedoch gerne weitere Bilder und Zeitdokumente aus Berlin oder auch aus dem Rest Deutschlands gesehen. Es ist erfreulich, dass jedes Bild von längeren Bilderklärungen begleitet ist, und doch würde man gerne mehr erfahren.

Wie ging die DDR-Regierung mit dem Ereignis um? Welche Dokumente gibt es aus Ost-Berlin? Statt dessen sieht man auf den Fotos vor allem den Tag in Texas und später dann die 34-jährige Witwe und ihre Kinder bei der Beerdigung in unterschiedlichsten Stationen in Arlington. Aber diese Ausstellung ist ja auch erst der Auftakt zur Erinnerung an den 22. November vor 50 Jahren.

„50 Jahre Dallas, Texas - John F. Kennedys letzte Reise“, Museum The Kennedys , Auguststraße 11 - 13, 10117 Berlin Di-So 11 - 19 Uhr, Eintritt 5, Euro, ermäßigt 2,50 Euro