Es war einmal eine Fotografin, die nannte sich Alice Springs. Ihr berühmter Mann hatte ihr das geraten, erklärte sie später. Er habe nicht gewollt, dass sie im Schatten seines großen Namens verkümmere. Als er sie fragte, ob sie seine Frau werden wolle, da habe er ihr direkt gesagt: „Ich habe eine große Liebe, das ist die Fotografie. Du wirst immer nur die Zweite sein, willst Du das?“
June Newton lacht, als sie an diesem Morgen die Geschichte erzählt, die sie schon tausendmal erzählt hat und die doch alle, die gekommen sind, wieder gerne hören. „Ich habe sofort Ja zu seinem Antrag gesagt“, sagt sie. „Am Ende hätte er es sich vielleicht doch noch anders überlegt.“
Als ihr Mann, Helmut Newton, 2004 tödlich verunglückte, hat June Newton ihre Karriere aufgegeben. Seitdem widmet sie sich dem Ruhm Helmut Newtons. Und das macht sie großartig. Vor zehn Jahren hat Helmut Newton selbst die Foundation in Kooperation mit der Stiftung Preußischer Kulturbesitz gegründet.
25 Jahre lang lebten die Newtons in Paris
Es ist eine Doppelausstellung in der Helmut Newton Foundation: zum einen „Helmut Newton: Paris-Berlin. Exhibition Grand Palais 2012“, zum anderen „Greg Gorman: Men“. Die Pariser Ausstellung ist also wieder in Berlin, vom großen Meister selbst hängt nichts, was man nicht schon mal hier gesehen hätte, aber eben noch nicht so arrangiert.
„Die Bilder sind wieder zu Hause“, sagt June Newton. Das sei doch schon Grund genug für einen Besuch. „Gibt es einen Unterschied zur Retrospektive aus dem Jahr 2000 in der Nationalgalerie?“, fragt eine Journalistin. „Oh, ja“, sagt June Newton, die in diesem Jahr ihren 90. Geburtstag gefeiert hat, „ist es nicht unglaublich: Ich lebe noch!“
25 Jahre lang lebten die Newtons in Paris. „Es ist wie in Casablanca“, sagt June Newton, „Helmut und ich hatten Paris.“ Momentan sei Paris jedoch wie eine Frau, die auf etwas wartet. „Alle sagen, Paris ist tot“, sagt Newton, „aber ich glaube, es kommt eine neue Zeit und neue Künstler.“ Wäre sie jung, dann würde sie sofort nach Berlin ziehen. „Und nie wieder weggehen.“
Bestbesuchte Fotografie-Ausstellung, die Frankreich gesehen hat
Trotz der langen Zeit, die die Newtons in Paris verbrachten, war die Ausstellung aus dem Grand Palais, kurartiert von June Newton und Jerome Neutres, die erste Schau in dieser Größe in der französischen Hauptstadt. 200 Bilder umfasst die Retrospektive, darunter viele Originale und Vintage-Prints. „Schönheit, Erotik, Humor und Gewalt“ versprachen die Macher. Es wurde die bestbesuchte Fotografie-Ausstellung, die Frankreich je gesehen hat. 400.000 Besucher kamen, 930 Artikel erschienen in der Presse.
Zu sehen ist vor allem viel von der Modefotografie Newtons. Wunderbare Bilder haben die Kuratoren hier ausgewählt. Manche ironisch, wie das Model am Pool, mit dem Rücken zum Betrachter, begafft von einer Gruppe dickleibiger Männer in Badehose, manche verstörend, wie zwei Frauen am Strand, die wie Flüchtlingsleichen in dunkle Plastikfolien gehüllt sind, sodass man nur ihre Schuhe bewundern kann. Nicht immer sind es Menschen, die Mode präsentieren. Es gibt auch einige Aufnahmen mit Schaufensterpuppen, die Newton arrangiert hat, als spielten sie in einem Soft-Porno.
„Das beste Modefoto ist ein Foto, das nicht nach einem Modefoto aussieht, sondern nach einem Film oder nach einem Paparazzi-Shot“, hat Newton gesagt. „Er war ganz verrückt nach Paparazzi“, erzählt June Newton. „Wenn wir in einem Hotel eincheckten, sagte er dem Concierge: Sag den Paparazzi, dass ich hier bin. Dann fotografiert er sie, wie sie ihn fotografierten.“
Kontrast zu Newtons Frauen - Greg Groman: Men
In einem anderen Raum ist die Prominenz versammelt. Eine unfassbar junge Isabelle Huppert, Margret Thatcher, Andy Wharhol. Mitten im Raum der berühmten Persönlichkeiten ist auch ein frühes Selbstporträt des Künstlers als Fotograf. Es entstand 1936 in Berlin, da hieß Helmut Newton noch Neustädter und hatte gerade die Schule geschmissen, um bei der berühmten Fotografin Yva seine Lehre zu beginnen. Zwei Jahre später bekam Yva Berufsverbot und Newton floh vor den Nazis nach Australien.
Einen hübschen Kontrast zu Newtons Frauen in Macherposen bildet die andere Ausstellung, die am Donnerstag eröffnet wurde. Greg Groman: Men. 25 Männerakte, die zwischen 1988 und 2012 entstanden sind. Newton liebte das Dynamische-in-Szene-setzen gerade seiner Akte im öffentlichen Raum. Seine Frauen stehen barbusig in U-Bahnen, präsentieren sich breitbeinig auf Treppen oder umschmeicheln bekleidete Passanten auf Straßen.
Junge Männer in tänzerischen Figuren und Posen
Gorman hingegen inszeniert seine vollendet geformten Männerakte überwiegend im Studio oder in einsamen Gegenden. Es sind fast immer junge Männer in tänzerischen Figuren und Posen wie auf griechischen Vasen.
Gormans Werke werden in „June’s Room“ gezeigt. Sie wählt die Werke dafür aus, wie sie auch früher die Fotos von Helmut Newton auswählte. „We were great bodies“, sagt sie zum Schluss. Sie will wissen, wie das auf Deutsch heißt. Kumpels? Das gefällt ihr. „We were great Kumpels.“
Helmut Newton: Paris-Berlin. Exhibition Grand Palais 2012 / Greg Gorman: Men, Museum für Fotografie, Jebensstraße 2, bis zum 18. Mai 2014, Di – So 10 – 18 Uhr, Do 10 – 20 Uhr