Berlin. Am 23. August starten wieder die Ufa Filmnächte: Drei alte Klassiker mit neuer Musik in traumhafter Kulisse auf der Museumsinsel.

Welche Bilder von der Stadt. Aus einer Zeit, die unwiederbringlich vorbei ist. Und in der Berlin noch ganz einheitlich und heil war. Der Stummfilm „Wo ist Coletti?“, der nicht weniger als 110 Jahre alt ist, schenkt uns diese Bilder. Und lässt das alte wilhelminische Berlin wiederauferstehen.

In Max Macks 90-Minüter ist ein Detektiv namens Jean Coletti in seiner Ehre gekränkt, als eine Zeitung ihm vorwirft, dass sich ein Übeltäter noch 48 Stunden durch die Stadt bewegen konnte, bevor er ihn aufspürte. Coletti kontert mit einer öffentlichen Wette: Er taucht selber für 48 Stunden in Berlin unter. Und fordert die Zeitung und alle Berliner auf, ihn zu fangen, als Belohnung winken 100.000 Mark.

Drei Klassiker, drei Verfolgungsjagden, drei Spiele um Sein und Schein

Was folgt, ist eine einzige spaßige Verfolgungsjagd. Der Kniff dabei: Coletti (Hans Junkermann) verkleidet sich und trimmt seinen Barbier (Heinrich Peer) zu seinem Double. Während am Brandenburger Tor Zeitungen und Litfaßsäulen von seinem Aufruf künden, ist er selbst anwesend und kehrt als Straßenfeger unerkannt den Platz.

Dafür wird der falsche Coletti auf einem Doppeldecker erkannt – und eine erregte Menschenmenge rennt in der Hoffnung auf die saftige Prämie hinterher. Eine rasante Jagd quer durch Berlin: per pedes, Pedalrad, Bus, ja sogar mit einem Zeppelin, der auch Blicke von ganz oben ermöglicht. So hat der Kinogänger anno 1913 seine Stadt wohl noch nie gesehen.

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Unerkannt als Straßenfeger am Brandenburger Tor: Hans Junkermann im 110 Jahre alten Stummfilm „Wo ist Coletti?“.
Unerkannt als Straßenfeger am Brandenburger Tor: Hans Junkermann im 110 Jahre alten Stummfilm „Wo ist Coletti?“. © © Friedrich-Wilhelm-Murnau-Stiftung

Der echte Coletti verkleidet sich immer neu. Sogar als Frau. Eine ganz frühe Drag-Queen-Nummer der Filmgeschichte. Er taucht auch im Hotel Adlon unter und schließlich sogar im Dunkel eines Kinos, in dem eine Wochenschau schon Bilder der Coletti-Jagd zeigt. Ein Film mit doppeltem Boden also, der seine eigene Rezeption hochironisch gleich mitinszeniert.

„Wo ist Coletti?“, uraufgeführt am 4. April 1913 in den Kammer-Lichtspielen am Potsdamer Platz, war eine der allerersten Langfilm-Komödien der Filmgeschichte. Ist aber, wie so viele Werke des Regisseurs Max Mack, völlig in Vergessenheit geraten.

Die meisten Filme von Max Mack gelten als verloren: Nicht aber „Wo ist Coletti?“

Weil es in der Frühzeit des Films, als das Kino noch Kintopp war, noch kein Bewusstsein fürs Erhalten und Bewahren gab. Waren Filme in allen Kinos gelaufen, landeten sie auf dem Müll. Auf die Idee, das hochempfindliche Material für die Nachwelt zu erhalten, sollte man erst viel später kommen. Als viele frühe Filme längst verloren waren.

So erging es auch den meisten Werken des Vielfilmer-Pioniers Mack. Von seiner Kriminalklamotte „Wo ist Coletti?“ hat sich indes ein einziges Originalnegativ auf Zellulosenitrat erhalten. Das wurde auf den neuesten Stand der heutigen Technik in 4K-digitaler Qualität restauriert. Seine Premiere erlebte diese Neuversion vergangenes Jahr auf dem Filmfestival von Bologna, das sich der Restaurierung von Klassikern verschrieben hat. Die Berliner Premiere des neuen, alten „Coletti“ stand dagegen noch aus. Die gibt es nun am 24. August bei den Ufa-Filmnächten.

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Eine Parabel auf Allmachtsphantasien und gerade dadurch heute hochaktuell: Fritz Langs „Dr. Mabuse - Der Spieler“.
Eine Parabel auf Allmachtsphantasien und gerade dadurch heute hochaktuell: Fritz Langs „Dr. Mabuse - Der Spieler“. © Deutsche Kinemathek / Museum für Film und Fernsehen

Das ist schon ein fester Termin im Kalender vieler Filmfans. Weil die Ufa, die heute ein Tochterunternehmen des Medienkonzerns Bertelsmann ist, seit 2011, also bereits zum 13. Mal, ganz tief in die Schatzkisten seines legendären Filmerbes greift. Und nicht nur alte Meisterwerke in neuester Bildqualität hervorzaubert und entstaubt, sondern dazu auch immer eine ganze neue Musik erklingen lässt.

Im Fall von „Coletti“ spielt das Metropolis-Orchester eine eigens in Auftrag gegebene Partitur des Stummfilmpianisten Richard Siedhoff. Und das Ganze wird wie immer in schönster und ebenfalls historischer Kulisse gezeigt: Open-Air auf der Museumsinsel, unter freiem Himmel zwischen Kolonnaden und Altem Museum.

Drei Filme, drei Verfolgungen, drei Spiele um Sein und Schein

Eröffnet werden die Ufa-Nächte am 23. August mit Arthur Robinsons 100 Jahre alten Stummfilm „Schatten“. In dem Ehedrama mit Fritz Kortner und Ruth Weyher verfolgt ein chronisch eifersüchtiger Gatte seine Frau, um sie in flagranti zu erwischen. Der Film, der übrigens ohne jegliche Zwischentitel auskommt, ist ein meisterhaftes Spiel mit Schatten, durch die der Gatte seinen Verdacht bestätigt glaubt, obschon sie ganz anders zustande kommen. Und Cameron Carpenter, der Weltstar an der Orgel, der auch bei den Ufa-Nächten längst kein Unbekannter mehr ist, wird seiner Orgel dabei sehr verfremdende Töne entlocken.

Den Abschluss bildet am 25. August der zweite Teil von Fritz Langs Mammutwerk „Dr. Mabuse – Der Spieler“ aus dem Jahr 1922, in dem der titelgebende Superschurke von der Polizei durch die Straßen und sogar in der Kanalisation gejagt wird. Der Superschurke war seinerzeit eine Parabel auf Allmachtsphantasien und hat auch heute in unseren von Autokraten bedrohten Gegenwart nichts an Aktualität eingebüßt. Mit Teil Zwei knüpfen die Ufa-Nächte direkt an das Vorjahr an, wo bereits der erste Teil präsentiert wurde. Moritz von Oswald, DJ und Pionier der elektronischen Musik, steuert dazu am Mischpult einen ganz eigenen Soundteppich bei.

Drei Filme, drei Verfolgungen, drei Spiele um Sein und Schein, bei denen die Stadt immer auch eine Rolle spielt – das macht diese Ufa-Filmnächte sehr besonders. Schattenspiele unterm Sternenhimmel. Und der Sommer hat sich spät entschieden, auch mitzuspielen.

Ufa-Filmnächte: 23.-25. August, jeweils 21 Uhr, Museumsinsel, Mitte. Tickets unter www.ufa-filmnaechte.de