Theater

Katharina Thalbach: Es bleibt in der Familie

| Lesedauer: 8 Minuten
Peter Zander
Katharina Thalbach / Schauspielerin in der Komödie am Kurfürstendamm

Katharina Thalbach / Schauspielerin in der Komödie am Kurfürstendamm

Foto: Reto Klar

Katharina Thalbach probt gerade am Schiller Theater „Hase Hase“. Mit ihrer gesamten Familie. Die sie aber nur auf der Arbeit sieht.

Es ist ein einziges Déjà-vu. 1992 hat Katharina Thalbach in der deutschen Erstaufführung von „Hase Hase“ gespielt: eine Komödie der Französin Coline Serreau, inszeniert von Thalbachs Vater Benno Besson, der mit der Autorin liiert war. Es war einer der letzten großen Renner im alten Schiller Theater. Nun inszeniert Coline Serreau eine Neuversion des Stücks, wieder am Schiller Theater, wo inzwischen die Komödie am Kurfürstendamm untergekommen ist. Premiere ist am 20. Januar. Und, das ist der Clou, der ganze Thalbach-Besson-Clan wird dabei sein: Katharina Thalbachs Tochter Anna und ihre Enkelin Nellie, ihre Halbbrüder Pierre und Philippe Besson aus Bessons Beziehung mit Ursula Karusseit. Marie Besson hat damals das Stück und nun auch die Neuversion übersetzt. Und auch Nathanael Serreau, der Sohn von Besson und Coline Serreau, ist erstmals auf einer deutschen Bühne zu erleben. Wir haben mit Katharina Thalbach über diese einmalige Konstellation gesprochen.

Frau Thalbach, ist es jetzt offiziell? Sind Sie mit dieser Produktion ein alter Bühnenhase?

Katharina Thalbach: Scheinbar. Das Schöne ist ja, dass man sich bei diesem Beruf nicht dauernd selbst beobachten muss. Das mache ich noch nicht mal beim Film. Da renne ich nicht nach jeder Aufnahme zum Monitor, um zu schauen, wie die Szene geworden ist. Ich will mich nicht sehen! Ich sehe mich nur von innen, und das ist auch gut so. Aber um auf Ihre Frage zurückzukommen: Eigentlich wollte ich ja diesmal die Mutter spielen. Coline hat mich aber nicht gelassen. Sie meinte, nein, du musst wieder den jungen Hase spielen! Alle behandeln mich jetzt auch so. Dadurch fühle ich mich ganz jung.

„Hase Hase“ war eine der letzten Produktionen, die im alten Schiller Theater lief.

Am letzten Abend gab es noch eine richtige Premiere, „Weißalles und Dickedumm“, was ich damals mit Michi Maer­tens gemacht habe. Coline hat auch das inszeniert. Das ging aber damals in all diesen Wirren total unter. Aber „Hase Hase“ war so ziemlich die letzte Vorstellung, das stimmt schon ...

Was bedeutet das für Sie, nun wieder im Schiller Theater zu stehen? Dem Haus, das einst vor Ihrer Nase dichtgemacht wurde?

Es ist mehr als Ironie, dass die Komödie als Ausweichstätte hierher gekommen ist. Dass man noch mal aus einem Theater rausmuss und da unterkommt, wo man auch schon mal aufgehört wurde.

Eigentlich wollten Sie ja nie wieder hier in der Bismarckstraße spielen.

Ich habe hier aber schon wieder gespielt, als das Maxim Gorki Theater saniert wurde. Das war allerdings eine wirklich entsetzliche Erfahrung. Zwischendurch waren da ein paar freie Gruppen und die Stage Entertainment drin, und die haben dieses Haus geplündert, richtig vandalistisch. Das sah hier aus wie ein großes, leeres, verlassenes Schiff. Das war ganz, ganz schlimm.

Hat es viel Überredungskunst gebraucht, dass Sie wieder hier spielen?

Ich habe, aus sehr gefühlsduseligen Dingen, gezögert, als Martin Woelffer mich gefragt hat. Aber dann dachte ich mir: Nee, jetzt erst recht. Und jetzt fange ich hier damit an, womit ich damals aufgehört habe! Inzwischen ist das Schiller Theater ja für viele, viele Millionen instand gesetzt worden. Es ist ein intaktes, funktionierendes Haus. Natürlich ist es nicht mehr dasselbe. Damals war es ein Riesenbetrieb. Die Komödie am Kurfürstendamm hat natürlich eine viel kleinere Personnage. Es ist jetzt etwas familiärer und gemütlicher. Aber dadurch auch problematischer. Man muss diese Riesenbühne ja bespielen, hat aber nicht die Mittel, um ein Riesentrara zu veranstalten. Man muss da auch ein bisschen, ’tschuldigung, aus Scheiße Gold machen.

„Hase Hase“ hat damals Ihr Vater Benno Besson inszeniert.

Benno hat auch schon die Uraufführung von Colines Stück in Paris inszeniert, mit Coline als Mutter Hase. Ich habe das gesehen und habe meinen Vater angefleht: Bitte lass mich das auch spielen! Benno hat sich erst gesträubt. Er wollte nach der Wende nicht im Westen inszenieren. Aber dann hat er es doch getan. Meine Tochter Anna hat damals schon Kostümassistenz gemacht. Und auch Pierre war schon dabei. Der sprang ein, als Markus Völlenklee ausfiel. Das war damals noch etwas kleiner, aber schon auch eine Familienzusammenführung.

Nun wird das Stück, das ja von einer großen Familie handelt, zu einer Familienproduktion im doppelten Sinn. Der gesamte Besson-Clan wird auf der Bühne stehen.

Ich mache das ja immer wieder gern, stehe oft mit Anna und Nellie auf der Bühne, auch schon mit Pierre in „Roter Hahn im Biberpelz“, unter der Regie von Philippe. Aber jetzt ist wirklich der gesamte Besson-Clan versammelt. Auch der letzte der Familie, Nathanael Serreau, der war bislang noch kein Mitglied der Theaterfamilie. Jetzt wird er eins. Das ist wie bei der Kelly Family. Die hat sich nach 30 Jahren wiedervereint. Und in der Neuversion von „Hase Hase“ singen wir auch.

Was ist das für ein Gefühl, mit dieser riesigen Familie auf der Bühne zu stehen?

Das weckt Glücksgefühle. Einmal festzustellen, dass man eine so große Familie hat. Aber dass man mit der auch noch so gut und so einfach zusammenarbeiten kann, erhöht das Gefühl immens. Wenn das Publikum auch noch daran Gefallen findet, weiß ich gar nicht mehr, wohin mit meinen Glücksgefühlen.

Erleichtert das die Arbeit, wenn man sich so gut kennt? Oder ist es, im Gegenteil, eher schwieriger, weil man das Familiäre erst mal von der Bühne räumen muss?

Nein, gar nicht. In dem Augenblick, wo man auf der Bühne steht, ist es wurscht, ob man verwandt ist. Da wird gearbeitet. Das war auch schon bei Benno so. Das war kein Vater-Tochter-Ding, er war zu mir eher noch strenger als zu den anderen. Und auch Coline, müssen Sie wissen, ist sehr streng. Sie ist fast das, was man früher uns Deutschen nachgesagt hat: diszipliniert, fleißig, ordentlich, pünktlich. Dadurch schaffen wir viel am Tag, es ist ein sehr effektives Arbeiten. Danach sind wir aber so erschöpft, dass jeder seiner Wege geht.

Bei dieser großen, weitverzweigten Familie: Wie oft sehen Sie sich da eigentlich? Wie viel Kontakt haben Sie wirklich? Und was ist das Geheimnis Ihrer Familie?

Wahrscheinlich, dass wir uns so selten sehen! (lacht) So verrückt es ist: Wir sehen uns eigentlich meist durch Arbeit. Und das, obwohl sowohl Philippe als auch Pierre in Berlin wohnen. Ich habe vor einem Jahr an der Comédie-Française den „Arturo Ui“ inszeniert, dadurch hatte ich wieder intensiven Kontakt zu Coline und damit auch zu Nathanael. Mit unserer jüngsten Schwester ist es etwas schwieriger, die ist Sängerin in Nashville. Aber da gibt es ja auch so schöne Erfindungen wie FaceTime, da sieht man sich halt virtuell.

Es gibt bei großen Familien oft Eifersüchteleien oder gar ungeliebte Seitenstränge. Das scheint bei Ihnen gar nicht der Fall zu sein?

Nein. Im Gegenteil. Als unser Vater 2006 starb, hat uns das nur noch mehr zusammengeschweißt. Weil wir ihn auch in der Krankheit gemeinsam begleitet haben, erst in Paris, zuletzt in Berlin. Dadurch sind unsere Bindungen noch enger geworden.

Und was meinen Sie, guckt er nun da oben von einer Wolke herab auf „Hase Hase“?

Ich finde so absoluten Atheismus ja langweilig. Meine Fantasie sagt mir natürlich, der ist irre stolz auf uns.

Einen Tag vor der Premiere werden Sie 65. Da ist aber eine Voraufführung terminiert?

Ich stehe auf der Bühne. Ist doch schön. Auf den 65. freue ich mich nur, weil ich ab dem Tag Rente kriege.