1992 spielte Katharina Thalbach schon einmal „Hase Hase“ im Schiller Theater. Jetzt macht sie es wieder – mit dem ganzen Familienclan.
Coline Serreau mischt sich erst mal unter die Fotografen. Die Oscar-Preisträgerin („Drei Männer und ein Baby“) will, wie die Pressefotografen, auch ein Bild von all den Bessons und Thalbachs machen, die sich im Spiegelfoyer des Schiller Theaters zum Gruppenfoto scharen. Aber dann wird Serreau von den Abgelichteten dazugerufen. Nicht nur, weil sie die Regisseurin des Stücks ist, zu dem am Mittwoch diese Pressekonferenz gehalten wird, sondern weil sie ja auch zur Familie gehört.
Das alles ist ein wenig kompliziert – Benno Besson hatte viele Kinder mit vielen Frauen –, aber es ist wahnsinnig aufregend. Und ein Coup für die Komödie am Kurfürstendamm, die nun im Schiller Theater residiert. Weil der weit verzweigte Clan der Bessons sich hier zusammenfindet für eine anarchistiche Komödie, in der passenderweise auch eine große Familie zusammenrückt. „Hase Hase“, geschrieben von Coline Serreau, feierte seine deutsche Erstaufführung 1992 im Schiller Theater.

Benno Besson, Serreaus langjähriger Lebensgefährte, hat damals Regie geführt, mit Tochter Katharina Thalbach als jüngstem Spross der Hasenfamilie und seiner Frau Ursula Karusseit als Mutter. Deren Tochter Marie Besson hat das Stück damals ins Deutsche übertragen, deren Sohn Pierre Besson sprang als Schauspieler für den erkrankten Markus Völlenklee ein. Und Katharinas Tochter Anna hospitierte, blutjung, bei den Kostümen. Ein Familienunternehmen im doppelten Sinne.
Aber kein Vergleich zu der neuen Produktion von „Hase Hase“, die am 20. Januar Premiere feiert und für die schon kräftig geprobt wird. Regie führt diesmal Coline Serreau selbst. Auf der Bühne steht Katharina Thalbach nicht nur mit Tochter Anna und Enkelin Nellie, sondern auch mit ihren Halbbrüdern Pierre Besson und Philippe Besson sowie Nathanael Serreau, Bessons Sohn mit Coline Serreau. Marie Besson hat auch die Neuversion übersetzt.
Auch Markus Völlenklee ist wieder dabei, der auch bei Thalbachs erster Regie „Macbeth“ (auch einst am Schiller Theater, in der Werkstatt) die Titelrolle spielte und somit längst zur Familie gehört. Und Brecht-Enkelin Johanna Schall, mit der Katharina Thalbach schon als Kind spielte und die dem anderen großen Bühnenclan der Brecht-Schalls angehört, mit dem Benno Besson eng zusammenarbeitete. Johannas Schwester Jenny Schall ist für die Kostüme zuständig.

Bei all diesen Bluts- und Wahlverwandtschaften kann man schon mal den Überblick verlieren. Und Coline Serreau unterstreicht das noch mit ihrer Besetzung, die frech gegen den Strich gebürstet ist. Katharina Thalbach wollte diesmal eigentlich Mutter Hase spielen, aber das hat Serreau ihr verboten. Die Älteste der Produktion muss wieder das Hasen-Küken spielen. Pierre Besson wollte der Vater sein, muss aber – Madame Serreau betont die Gender-Freiheit –, die Mutter übernehmen, weil das einst die Rolle seiner Mutter war. Und Anna Thalbach spielt, jawohl, die jüngere Schwester ihrer Tochter Nellie.
Es ist ein Spaß, all diese Bessons nun traut miteinander zu erleben, für das Gruppenfoto, das fast ein Wimmelbild wird. Danach sitzen sie ebenso traut nebeneinander – an Tischchen, auf denen Karottensticks stehen, der Hasen wegen – und erzählen unisono, welche Glücksgefühle das in ihnen auslöst, zusammen zu spielen. In anderen Clans mag es Nebenlinien geben, die ungeliebt oder eifersüchtig sind. Hier ist das nicht der Fall. Im Gegenteil, wie Katharina Thalbach später im vertraulichen Gespräch bekennt: Der Tod ihres Vaters – den sie nie Vater, sondern immer Benno nennt – im Jahr 2006 hat die Familie nur noch enger zusammengeschweißt.

Eigentlich, grinst die 64-Jährige, sei das hier „wie bei der Kelly Family“. Die hat sich nach 30 Jahren wiedervereint. Und singen würden sie in der Neuversion von „Hase Hase“ auch. Coline Serreau schwärmt davon, all diese Bessons und Schalls zu inszenieren, von denen viele sonst selbst Regie führen. Eine Aufgabe, vor der die Autorin etwas Angst hatte, die ihr die anderen aber nahmen. Und wie das so ist, als Familie eine Familie zu spielen, das bringt Pierre Besson auf den Punkt: „Hase Hase“ sei „vor allem auch eine gute Gelegenheit, sich zu sehen“. Denn tatsächlich begegnet sich der Clan am häufigsten bei der Arbeit.
Am häufigsten treffen sich die Bessons auf der Bühne
Für alle Beteiligten, die schon 1992 mit dabei waren, hat diese Produktion freilich noch einen anderen sentimentalen Wert. „Hase Hase“ war der letzte große Renner im alten Schiller Theater, der bis zuletzt lief, und immer ausverkauft. Bis der Senat 1993 das Haus schloss. Die letzte Vorstellung war aus Trotz eine Premiere, „Weißalles und Dickedumm“. Von Coline Serreau. Mit Katharina Thalbach.
Die Thalbach fand später eine neue künstlerische Heimat in den Kudamm-Bühnen, die diesen Sommer auch erst mal dicht gemacht wurden. Es ist mehr als Ironie, dass sie nun als Ausweichspielstätte ins Schiller Theater kamen. Oder, wie die Thalbach das nennt, „dass man noch mal aus einem Theater heraus muss und da unterkommt, wo man auch schon mal aufgehört wurde“.
Katharina Thalbach wollte eigentlich nie wieder im Schiller auftreten. Sie hat es dann doch schon getan, als das Maxim Gorki Theater hierher ausgelagert wurde. Und sie war erst recht geschockt: weil alles kahl, alles geplündert war. Jetzt aber ist das wie eine Heimkehr, mit jenem Stück, mit dem man dort gehen musste. Mit „Hase Hase“ reloaded ist es nun übrigens auch amtlich: Auf der Bühne ist Katharina Thalbach ein alter Hase. Aber sie hat, wie ihr Regisseurin Coline Serreau attestiert, „noch immer die Erscheinung eines Babys“.