Film

„Ich kannte nur Horst Schlämmer“

| Lesedauer: 6 Minuten
Peter Zander
Caroline Link und Julius Weckauf im Hotel de Rome in Berlin

Caroline Link und Julius Weckauf im Hotel de Rome in Berlin

Foto: dpa

Julius Weckauf ist die große Entdeckung im Hape-Kerkeling-Film. Ein Treffen mit dem Zehnjährigen und seiner Regisseurin Caroline Link.

Sie sind gut eingespielt. Buchstäblich. Als wir zum Interview mit Caroline Link und ihrem „Star“ Julius Weckauf ins Hotel de Rome kommen, spielen die gerade Flummi im Hotelzimmer. Und auf dem Sofa herzt und knutscht die Regisseurin den Zehnjährigen wie eine Mutti. Was den, wie jedes Kind, vor fremdem Publikum, eher geniert.

Frau Link, warum drehen Sie immer wieder Kinder- und Jugendgeschichten?

Caroline Link: Diese Stoffe finden einfach immer zu mir. Anscheinend liegt mir das. Obwohl ich nicht unbedingt sagen würde, dass das immer das ist, was mir am meisten Spaß macht. Aber es ist eine Arbeit, die mir nicht schwer fällt. Es macht Spaß, mit Kindern zu arbeiten.

Julius Weckauf: (grinst) In den meisten Fällen, was? (beide lachen)

Eigentlich schreiben Sie sich Ihre Drehbücher immer selber. Warum haben Sie diesmal eine Ausnahme gemacht?

Link: Ich habe nie gesagt, dass ich keine fremden Drehbücher verfilme. Sie müssen aber etwas mit mir und meiner Empfindungswelt zu tun haben. In diesem Fall hatte ich bereits zugesagt, „Als Hitler das rosa Kaninchen stahl“ zu verfilmen. Das sollte im Sommer 2018 passieren. Ich hab „Der Junge...“ noch davor reingequetscht, weil ich das Drehbuch einfach großartig fand!

Wie schwierig war es denn, den richtigen Darsteller für den jungen Hape Kerkeling zu finden? Es heißt, es soll über tausend Bewerber gegeben haben?

Link: Ach, immer diese Geschichten. Wenn man ein kleines Mädchen sucht, dann melden sich ganz viele. Wenn man aber einen Jungen sucht, der Hape Kerkeling ähnlich sehen und auch noch witzig sein soll, dann melden sich nicht so viele. Die meisten habe ich gar nicht zu Gesicht bekommen, die wurden schon vorab aussortiert.

Weckauf: Ich hab die auch nicht alle gesehen. Wir wurden ja nicht zusammen eingeladen. In Köln waren wir drei, da musste ich einen Tanz im Unterhemd hinlegen. Da waren die anderen aber draußen vor der Tür. Zum Schluss in Berlin war nur noch ein anderer Bewerber mit dabei.

Link: Julius haben wir tatsächlich erst acht Wochen vor Drehbeginn gefunden. Das war schon knapp, da wurde auch ich langsam nervös. Er war anfangs beim Casting noch sehr zurückhaltend und eher schüchtern. Das hat sich dann glücklicherweise bald gegeben, mit jedem Vorspielen wurde er freier. Der Julius hat ein unglaubliches Sprachgefühl. Kinder können oft gut gucken, aber wenn sie sprechen müssen, wird es schwierig.

Julius, kanntest du Hape Kerkeling eigentlich schon vorher?

Weckauf: Ich kannte den Horst Schlämmer aus dem Fernsehen. Ich fand den auch super. Wie der ein neues Auto holen wollte und das dann zu Schrott gefahren hat. Oder Schlämmer beim Drive-In bei McDonalds. Aber ich dachte, der sieht immer so aus. Ich wusste gar nicht, dass den jemand anderes spielt. Das habe ich erst durch dieses Casting rausgekriegt.

Ist das komisch, jemanden zu spielen, der einem dabei zuguckt?

Weckauf: Nö, gar nicht. Der Hape war nur zweimal am Set,und er hat sich nie eingemischt. Der hat sich einfach zurückgelehnt und sich angeguckt, wie wir das gemacht haben. Aber er hat nie was gesagt. (grinst) Kann also nicht schlimm gewesen sein.

Hat Hape Kerkeling eigentlich irgendwie versucht, Einfluss zu nehmen auf den Film?

Link: In keiner Weise. Der hat sich völlig herausgehalten. Er hat mich sogar ermuntert, meine eigene Interpretation seiner Geschichte zu erzählen. Das sei leichter für ihn, wenn jemand von außen auf seine Familiengeschichte schaut, als wenn jedes Detail genau stimmt. Das hätte ihn viel mehr unter Druck gesetzt. Er sagte: Mach einen Caroline-Link-Film draus.

Julius, wie war das überhaupt, vor der Kamera zu stehen?

Weckauf: Eigentlich ist das total super. Doof am Drehen ist nur, das man immer wieder wiederholen muss. Außer es sind Ess-Szenen! Szenen, in denen ich Kuchen essen musste oder reiten sollte, die hab ich gern gemacht. Und auch gern ganz oft.

Link: Der Julius hat die ganzen Requisiten weggefuttert. Der hat immer gefragt: Was wird mit dem Käsekuchen, wenn ihr mit dem Drehen fertig seid? Braucht ihr den noch? Kann ich den haben?

Und hast du jetzt Blut geleckt. Würdest du das gern weitermachen?

Weckauf: Ja, auf jeden Fall! Das wär mein Traumberuf. Vielleicht bekomme ich jetzt auch eine Agentur! Das ist gut, wenn sich jemand mit dem ganzen Zeug auskennt.

Und wie war das, nach den Dreharbeiten wieder in die Schule zu gehen? War das doof, so in den Alltag zurückzukehren?

Weckauf: Das war schon komisch. Schule ist halt Schule, und Schule ist halt nicht so toll. (guckt auf den Tisch, auf dem Gebäck steht) Ich hab noch ne Frage: Was ist denn hier drin?

Link: Das hier ist mit Zimt und Rosinen, und das andere mit Pudding. Nimm doch eins. Aber nimm auch ein bisschen Obst. Das hat Vitamin C. (Julius Weckauf geht raus). Entschuldigen Sie. Julius ist noch ein Kind, solche Interviews sind ermüdend. Und da gewöhnt man sich so eine Künstlichkeit an, wenn man immer wieder dieselben Fragen beantwortet. Der soll so schön normal bleiben. Der muss hier nicht pressekompatibel sein.

Fühlen Sie da eine Verantwortung Ihren Filmkindern gegenüber?

Link: Ja. Ich saß gerade in der Premiere neben Julius. Er hat sich gewunden auf seinem Platz. Da ist sein Kopf in Fußballfeldgröße auf der Leinwand zu sehen, alle lachen über seine Performance, und der guckt nur ständig auf die Uhr:Wie lang dauert das denn noch? Das zeigt mir, der überbewertet das nicht, der sonnt sich nicht in seinem Ruhm. Der ist ganz cool. Überhaupt hätte er lieber eine Räuberpistole gedreht, die hätte bei seinen Freunden mehr Eindruck gemacht.