Am vergangenen Mittwoch steht Denzel Washington auf dem Dach des Hotel Adlon und posiert für ein Foto vor dem Brandenburger Tor. Er ist auf Werbetour für seinen jüngsten Film „Equalizer 2“, aber so richtig lächeln kann er nicht. Es ist 37 Grad im Schatten, nur ist weit und breit kein Schatten. Der 63-Jährige hat sich ganz in Schwarz gekleidet und wird sein Jackett auch nicht ausziehen. Aber ein paar Schweißtropfen stehen ihm doch auf der Stirn. Wie tröstlich, auch Hollywoodstars schwitzen. Washington war schon oft in Berlin. So oft, dass er nicht mehr zählt. Aber das war eher in den kühleren Monaten, oft auch zur Berlinale. Im Sommer war er noch nie hier. Fast ungläubig fragt er: „Ist der ganze Sommer so heiß in Deutschland?“
Diesmal ist Antoine Fuqua an seiner Seite. Mit dem Regisseur hat er jetzt das vierte Mal gedreht. Der erste Film war „Training Day“ 2001, wo Washington ganz gegen sein Image als der gute Amerikaner einen korrupten Bullen spielte – und dafür prompt einen Oscar erhielt, den zweiten in seiner Karriere. Nach längerer Pause drehten sie dann 2014 „The Equalizer“ zusammen, zwei Jahre später das Remake von „Die glorreichen Sieben“. Und nächsten Donnerstag startet nun, wieder zwei Jahre später, „The Equalizer 2“.
Seine erste Fortsetzung, aus Resepkt vor dem Publikum
Eine späte Premiere für den mittlerweile 63-Jährigen: Nach 40 Jahren im Geschäft und 55 Filmen ist dies seine erste Fortsetzung. Eigentlich zeichnet das ganz große Charakterdarsteller ja aus: dass sie sich nicht wiederholen. Diesen Sommer hat erst Meryl Streep damit gebrochen, mit „Mamma Mia 2“. Jetzt auch Washington. Warum? Die Antwort überrascht: „Ich wurde einfach nie gefragt.“ Doch, einmal hätte man ihm ein Sequel angeboten: Bei dem Thriller „Safe House“. „Dummerweise bin ich darin gestorben.“ Sie wollten es dann so hinbiegen, dass er doch nicht ganz tot war. Er hat dankend abgelehnt.
Jetzt aber spielt er wieder diesen Robert McCall, einen schmallippigen Einzelgänger und ehemaligen CIA-Agenten, der zurückgezogen unter falscher Identität lebt. Aber für das Gute kämpft und dafür alle Bösen auslöscht. Eigentlich wählt Washington seine Rollen nur nach dem Drehbuch aus. Aber „The Equalizer“ hat den Studios Geld gebracht und den Leuten gefallen, alle wollten eine Fortsetzung. Da konnte er sich nicht verweigern. „Aus Respekt vor dem Publikum.“
Er wollte trotzdem erst mal das Drehbuch lesen. Und fand es spannend. Weil es nicht nur ein zweiter Teil war. Weil der Mann diesmal eine Vergangenheit bekommt. Und weil er einen Nachbarsjungen vor dem Abrutschen in die Kriminalität bewahren will und sich eine Vater-Sohn-Beziehung entwickelt. Aber eins bleibt natürlich gleich: Dieser Robert McCall ist ein einsamer Rächer. Eine Erlöser-Figur, die man sich vielleicht auch in der realen Welt wünscht. Aber halt auch einer, der die Bösen mit drastischen Mitteln zur Strecke bringt. Und das immer, danach stellt er die Uhr, in 20 Sekunden.
Wie steht Denzel Washington selbst zur Selbstjustiz? Kann so eine Rächerfigur in Zeiten wie diesen, wo in den USA Jugendliche gegen die Waffenlobby demonstrieren müssen und gerade erst in Chicago wieder die Gewalt auf den Straßen eskaliert ist, nicht falsch verstanden werden? Da wird der Star plötzlich schmallippig, fast trotzig. „Es ist ein Film“, sagt er. Und wiederholt den Satz gleich mehrfach. „Im Leben läuft keine Filmmusik, wenn Leute sterben. Es läuft keine Filmmusik in den Straßen von Chicago.“
Kino sei ein Ort, wo man für zwei Stunden mal seine eigenen Probleme vergessen kann. Schon klar. Aber dennoch: Kann so eine Rachefantasie nicht auch falsch verstanden werden, erhält er da nicht womöglich Applaus von der falschen Seite? „Ich glaube nicht, dass man die Justiz in seine eigenen Hände nehmen sollte“, sagt er dann doch: „Da wäre Chaos.“ Aber er bleibt beleidigt, wie man ihm überhaupt so eine Frage stellen kannt.
In Berlin hat er eine Lehre fürs Leben gemacht
Mit zunehmenden Alter wird der Mann ja zum Actionstar, und nun wiederholt zu einem, der die Justiz in die eigenen Hände legt. Aber dann zieht er sich nur auf die Herausforderung zurück, die das für ihn als Schauspieler bedeutet. Stellung mag er nicht beziehen. Auch nicht politisch. Online schwirren genug Behauptungen herum, er habe Trump gratuliert, die Demokraten besiegt zu haben. Zu solchen Fake News mag er sich gar nicht erst äußern. Verständlich. Aber das gerade Vertreter aus dem rechten Lager diese Rachefilme gutheißen könnten, das will er nicht wahrhaben.
Viel lieber spricht Washington von einer Erfahrung, die er gemacht hat, als er das erste Mal in Berlin war. 1990 war das, gleich auf der ersten Berlinale nach dem Mauerfall. Er stellte hier „Glory“ vor, ein Drama über die erste schwarze Militär-Kompanie der US-Geschichte, das ihm kurz darauf seinen ersten Oscar einbringen sollte. Erstmals wurden damals die Berlinale-Filme im Westen und im Osten der Stadt gezeigt.
„Ost-Berlin“, erinnert er sich, „war völlig dunkel, in den Läden gab es nichts zu kaufen. Aber die Menschen haben sich gefreut, dass wir überhaupt gekommen sind.“ Ganz anders im Westen: „Da war alles hell, man konnte alles kaufen. Aber da schlug uns überall Hass entgegen. Der Film wurde als typisch amerikanische Kriegspropaganda beschimpft.“
Er habe damals viel gelernt: Wie Menschen, die nur wenige Minuten voneinander entfernt leben, einen Film so ganz anders wahrnehmen könnten. Komisch, dass er bei „The Equalizer 2“ nun nicht auch einsehen mag, das man den Film falsch verstehen oder sogar instrumentalisieren kann.