Berlin. „Wo bin ich hier? Vom Licht geblendet - ist da jemand, der mich versteht? Oder bin ich allein?“, ertönen die ersten Zeilen. Nach gut eineinhalb Stunden Unterhaltung durch mehrere Support-Acts beehrt Cro das Publikum in der Veranstaltungshalle "Huxley’s Neue Welt" in Neukölln mit seiner Anwesenheit. Natürlich trägt er die Pandamaske, die im XXL-Format, umrahmt von vielen kleinen Mini-Versionen, auch als Bühnen-Deko dient. Und eine Jacke, die sehr gelb leuchtet und mit ihren Streifen eher an eine Warnjacke erinnert. Dazu gibt’s gelben Hoodie und Jogginghose. „Ey Leute, meine Hose rutscht“, erklärt Cro wenig später, um das ständige Herumzuppeln daran zu erklären.
Der Punkt, an dem alles zu viel wurde
„Tru“, abgleitet vom englischen „true“ (deutsch: wahr), soll es jetzt sein. So heißt das neue Album, so heißt die Tour. Ursprünglich sollte es „fake you“ (deutsch: täusch dich) heißen. Denn dem gebürtigen Stuttgarter war nach seinem vorigen Album alles zu viel geworden. „Und irgendwann kommt der Punkt, an dem man den Pausenknopf drücken und die Außenwelt auf stumm stellen muss“, heißt es in einer Presseerklärung. Mit seinem neuen Album habe er zurück zu sich selbst gefunden, und wolle auch live wieder genau da hin, wo damals alles anfing: zurück in die Clubs. Denn Clubs sind "real" (deutsch: echt). Wem das jetzt schon zu viele Anglizismen waren, der sollte lieber nicht weiterlesen, denn wenn der 28-Jährige eines praktiziert, dann die deutsche und englische Sprache fließend ineinander übergehen zu lassen wie in „fkngrt“ (Abkürzung von „fucking great“, deutsch: verdammt großartig): „Uh, yeah, uh, und ich denk jeden Tag, mein Life is so damn good“.
Cro will es wieder "real" und das kriegt er auch ganz gut hin. Denn die Show am Sonntag ist jenseits von einer dieser edel durchkomponierten, perfekt inszenierten Shows. Im Gegenteil. Da sind Texthänger, falsche Einsätze und die Frage, welcher Song eigentlich als nächstes kommt. Das alles trägt Carlo Waibel, wie er mit bürgerlichem Namen heißt, mit solch einer Lässigkeit vor, dass man fast meint, es müsse Absicht sein. Nebenbei nimmt er immer mal wieder eine junge Frau ins Visier, worauf mit nervösem Lächeln und Wimpernaufschlag reagiert wird. Manchmal hört man auch ein Kreischen. „Das bin zu 100 Prozent ich“, stellt Cro klar und beginnt den Titel „Hi“, in dem er davon rappt, dass keine Pläne zu groß sind und er nicht nach der blauen Pille, sondern nach der roten leben will. Wer dabei an Viagra denkt, hat weit gefehlt, geht die Anspielung doch auf den Film „Matrix“ zurück. Mit der blauen Pille bleibt man unwissend, Opfer der Illusion, während die Einnahme der roten Pille zur Erkenntnis der Wahrheit und der Erschließung der Matrix führt. Eigentlich könnte Cro mal ein eigenes Lexikon rausbringen. Das würde das Schreiben dieses Artikels deutlich erleichtern und einige Klammern und Erläuterungen einsparen.
Cro zeigt erstmals öffentlich ohne Maske
Sogar ein eigenes Genre hat er sich erschaffen: „Raop“ – also die Symbiose aus Rap und Pop. „Ich lass mich nicht einsperren, in keine Schublade der Welt“, erklärt Cro. Noch immer tritt er inkognito auf. Und auch wenn er sich im Video zu seiner Single „Baum“ erstmals ohne Maske zeigt, so lässt sich sein Gesicht auch dort nur erahnen.
Dass Cro an diesem Abend quasi im Schnellverfahren durch sein neues Album rappt und sich nur für die „alten Hits“ Zeit nimmt, ist geradezu ironisch, wenn man bedenkt, dass über die Hälfte der Songs des neuen Albums länger als vier Minuten sind und dies doch eigentlich einen Neuanfang markieren sollte. Und auch sein Wunsch nach kleinen Clubs scheint nach sieben Konzerten erfüllt zu sein. Im Herbst geht es wieder auf Stadion-Tour, in gewohnter Größe - in Berlin in die Max-Schmeling-Halle.
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