Film

Fatih Akins Oscar-Chancen sind jäh geplatzt

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Peter Zander
Am Golde hängt, zum Golde drängt doch alles: Die Oscars werden am 4. März verliehen

Am Golde hängt, zum Golde drängt doch alles: Die Oscars werden am 4. März verliehen

Foto: Seth Wenig / dpa

Riesenüberraschung bei der gestrigen Bekanntgabe der Oscar-Nominierungen: Der deutsche Kandidat „Aus dem Nichts“ ist nicht im Rennen.

Riesenüberraschung, Riesenenttäuschung bei der Bekanntgabe der Oscar-Nominierungen am Dienstag: Der deutsche Kandidat „Aus dem Nichts“ von Fatih Akin hat es nicht ins Rennen um den besten nicht-englischsprachigen Film geschafft. Bis dahin hat das NSU-Drama, nach dem Darstellerpreis in Cannes, auch in den USA mehrere Preise einfahren können: die kleineren der New York Film Critics und der Broadcast Film Critics Association, vor allem aber den Golden Globe, der ja immer auch als Gratmesser für den Oscar gehandelt wird.

Und beim Auslands-Oscar hatte es Akins Film ja auf die Short List unter die letzten neun gebracht. Einige hatten daraufhin sogar gehofft, Hauptdarstellerin Diane Kruger könnte noch als beste Schauspielerin nominiert werden. Was bei einer nicht-englischsprachigen Rolle ganz selten vorkommt.

Akin will die Nachricht erst mal sacken lassen

Aber stattdessen das: Um 14.22 Uhr MEZ wurden die fünf Nominierten für den Auslands-Oscar verkündet. Der schwedische Cannes-Sieger „The Square“ wurde genannt, das russische Familiendrama „Nelyubov“ und das chilenische Transsexuellendrama „Ei­ne fantastische Frau“ – alles Filme, die „Aus dem Nichts“ bei den Globes ausgestochen hat. Dann wurde noch der ungarische Berlinale-Gewinner „Körper und Seele“ und überraschend auch das libanesische Gerichtsdrama „L’insulte“ genannt. Und damit waren Akins Oscar-Hoffnungen geplatzt.

Während bei Hollywoods Academy of Motion Picture Arts and Sciences die jeweiligen Berufsgruppen die Nominierungen in ihrer Sparte küren (Regisseure also über Regisseure, Schauspieler über Schauspieler), entscheidet nur eine winzig kleine Fachjury über die Vorauswahl beim Auslands-Oscar. Dürften alle rund 6000 Wahlberechtigte der Akademie entscheiden, sähe das Votum womöglich ganz anders aus.

Denn „Aus dem Nichts“ handelt von Terroranschlägen und den Traumata bei den Angehörigen der Opfer. Das ist eine Geschichte, die eigentlich überall auf der Welt verstanden wird. Und in der Hauptrolle glänzt, in der bislang besten Darstellung ihrer Karriere, die deutsche Schauspielerin Diane Kruger, die in den USA viel populärer ist als in Deutschland. Viele stuften Akins Sieges-Chancen deshalb sogar für größer ein als die von Maren Ades „Toni Erdmann“ vor einem Jahr. Nun kann er nicht einmal, wie Ade, als Nominierter zur Verleihung gehen.

Der Regisseur war nach der Bekanntgabe denn auch ziemlich enttäuscht. Wochenlang hat er in den USA die Werbetrommel gerührt und „Klinken geputzt“, wie er das nannte, erst vor einer Woche ist er nach Europa zurückgekehrt und hat noch Station in Frankreich gemacht, wo sein Film am 17. Januar angelaufen ist und in nur fünf Tagen 110.000 Zuschauer gemacht hat.

Geschwächt und stark erkältet ist Akin dann nach Hamburg zurückgekehrt und muss nun das Bett hüten, wo ihn gestern die Ablehnung erreichte. Für eine Stellungnahme stand er daher gestern nicht zur Verfügung. Er müsse das, so heißt es, erst mal sacken lassen.

Dafür können sich andere Deutsche Oscar-Hoffnungen machen. Filmkomponist Hans Zimmer wurde für seinen Soundtrack zu Christopher Nolans Kriegsdrama „Dunkirk“ nominiert. Es ist bereits seine elfte Nominierung. Und dann gibt es noch Chancen in der Kurzfilm-Sektion. Die Münchner Jakob Schuh und Jan Lachauer sind mit ihrem Animationsfilm „Revolting Rhymes“ in der Sparte Animierter Kurzfilm, die Hamburgerin Katja Benrath mit „Watu Wote/All Of Us“ für den besten Live-Action-Kurzfilm nominiert.

Der diesjährige Oscar-Favorit ist, wie schon bei den Golden Globes, „Shape of Water“. Das Fantasymärchen von Guillermo del Toro über eine stumme Frau, die sich in ein Alien verliebt, hat gleich 13 Nominierungen erhalten. Ob es am 4. März bei der Verleihung abräumen wird, darf aber bezweifelt werden. Spätestens durch die MeToo-Diskussion, das hat schon der Globe gezeigt, scheinen Filme mit gesellschaftsrelevanteren Botschaften (und starken Frauenfiguren) angesagter.

Die größten Chancen dürfte wohl „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ mit Frances McDormand haben, das gleich sieben Mal nominiert ist und vor allem bei den Darstellern punkten wird. Gesetzt ist wohl auch der Oscar für Gary Oldman im Churchill-Drama „Die dunkelste Stunde“ (sechs Nominierungen). Die meisten Nennungen nach „Shape of Water“ hat zwar, mit acht Nominierungen, „Dunkirk“, die meisten aber nur in Nebenkategorien.

Die Globes wurden dieses Jahr zum 75. Mal ausgerichtet. Der Oscar kann ein noch größeres Jubiläum feiern, wird er doch schon zum 90. Mal verliehen. Die Zeremonie wird aber wegen der Debatte um sexuelle Vorwürfe im Filmbusiness wohl wie schon beim Globe mit weniger Glamour gefeiert als sonst.