Oscar

Vor dem Oscar: Fatih Akins Bangen und Klinkenputzen

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Peter Zander

Foto: Peter Kneffel / dpa

Er hat den Golden Globe bekommen und einen Critic’s Choice Award. Damit sind auch die Oscar-Chancen für Fatih Akin gestiegen.

Am Donnerstag hat Fatih Akin in Los Angeles schon wieder einen internationalen Preis gewonnen. Nachdem sein NSU-Drama „Aus dem Nichts“ vor einer Woche den Golden Globe für den besten nicht-englischsprachigen Film gewann, erhielt er nun auch den Critic’s Choice Award in derselben Kategorie. Die Trophäe musste Hauptdarstellerin Diane Kruger abholen: Der Regisseur war verhindert. Weil er gerade überall in den USA für seinen Film wirbt, um ihm größtmögliche Aufmerksamkeit zu verleihen. „Das ist auch harte Arbeit“, gibt er zu, „dieses Hin- und Herfliegen und Klinkenputzen.“ Aber er will sich nicht beklagen: „Wie oft hat man das schon?“ Das Fernziel lautet schließlich: Oscar.

Das deutsche Kino gewann erst drei Auslands-Oscars

„Aus dem Nichts“, der von einer Frau handelt, die bei einem Anschlag ihren türkischen Mann und ihren Sohn verliert, ist bekanntlich als deutscher Kandidat ins Oscar-Rennen geschickt worden. Und hat es dort auf die Short List geschafft. Aber erst am 26. Januar gibt Hollywoods Film Academy die Oscar-Nominierungen bekannt. Erst dann weiß man, ob Akins Film wirklich dabei ist.

Die Chancen stehen indes nach Globe und Critic’s Choice Award recht gut. Und bei beiden Preisen hat er zwei Kandidaten ausgestochen, denen man auch bei der Oscar-Verleihung am 4. März große Chancen einräumt: die schwedische Kulturschickeria-Satire „The Squa­re“ und Angelina Jolies Kambodscha-Kriegsdrama „First They Killed My Father“.

Beim Auslands-Oscar war Deutschland zwar schon 18 Mal nominiert, hat aber erst drei Mal reüssiert. Diese Kategorie wird erst seit 1957 verliehen, aber es dauerte 23 Jahre, bis das deutsche Kino erstmals gesiegt hat. Volker Schlöndorffs „Die Blechtrommel“ gebührt diese Ehre. Dann dauerte es noch mal so lange, dafür gab es in den nuller Jahren gleich zwei Siege: 2003 für „Nirgendwo in Afrika“ von Caroline Link und 2007 für „Das Leben der Anderen“ von Florian Henckel von Donnersmarck.

Drei Siege in 61 Jahren, das ist nicht eben viel. Italien hat es auf elf Auslands-Oscars gebracht und liegt damit in Führung, Frankreich folgt dicht mit neun Trophäen. Das spanische Kino kann vier Trophäen vorweisen, den vierten Platz muss sich Deutschland mit Schweden, den Niederlanden und Russland teilen.

Nach den Oscars für „Die Blechtrommel“ und „Nirgendwo in Afrika“ galt lange das Klischee, dass das Reizthema Nationalsozialismus beim Oscar besonders „ziehen“ würde. Henckel von Donnersmarck hat das mit seinem Stasi-Drama endlich durchbrochen, und in jüngster Zeit zeigte sich, dass man auch mit ganz gegenwärtigen Stoffen wie „Toni Erdmann“ oder „Aus dem Nichts“ weit kommen kann.

„Toni Erdmann“ ist freilich auch das Abschreckmodell. Im Vorjahr schien die Tragikomödie der Berliner Filmemacherin Maren Ade ebenfalls beste Chancen zu haben. Der Film, der in Cannes als Favorit gehandelt wurde, ging dort zwar leer aus, startete dann aber eine beispiellose Siegerrunde, beim Deutschen, beim Europäischen Filmpreis, auch in Amerika. Doch bei den Globes unterlag er Paul Verhoevens Skandalfilm „Elle“ und bei den Oscars Asghar Farhadis „The Salesman“.

Um nicht dieselbe Niederlage einzugehen, hat Fatih Akin von Anfang an eine andere Strategie eingeschlagen. In Cannes gewann Diane Kruger als beste Schauspielerin, für den Deutschen Filmpreis 2017 wurde „Aus dem Nichts“ aber noch nicht nominiert, weil er erst im Herbst ins Kino kam. Und für den Europäischen Filmpreis reichte ihn Akin gar nicht erst ein. Vordergründig, weil er aus Angst vor Videopiraterie der Europäischen Filmakademie keine Streams zukommen lassen wollte. Aber auf Amerika (wo man seinen Film der Academy ja auch zur Verfügung stellen muss) hat er von Anfang an gesetzt.

Während Maren Ade, ganz Berliner Schule, die beispiellose Erfolgsserie ihres Films eher überrascht und passiv verfolgte, wirbt Akin ganz aktiv. Die USA reizen ihn, hier möchte er, das hat er schon verraten, gern auch mal einen Film realisieren. Für den Globe hat er, der gern den Wilden gibt, sogar etwas getan, was man sonst nicht von ihm kennt: Er hat seine wilde Mähne brav zum Zopf gebunden.

Die Frage, inwieweit der Globe ein Gradmesser für die Oscars ist, ist so alt wie der Globe selbst. Bei Hollywoods Vereinigung der Auslandspresse stimmen nicht mal 100 Filmjournalisten ab, beim Oscar dagegen sind es rund 8000 Filmschaffende. Und das Für und Wider hält sich ziemlich die Waage. 1974 gewann Maximilian Schell einen Globe für „Der Fußgänger“, 2010 Michael Haneke für „Das weiße Band“, beide gingen beim Oscar aber leer aus. Caroline Link dagegen unterlag bei den Globes 2003 Pedro Almodovars „Sprich mit ihr“, Donnersmarck 2007 Clint Eastwoods „Letters from Iwo Jima“ – und strichen dennoch beide einen Oscar ein.

Eine Geschichte, die überall verstanden wird

Es bleibt also spannend. Akins Film kommt zugute, dass seine Hauptdarstellerin Diane Kruger, wiewohl Deutsche, in Hollywood viel populärer ist. Und dass sein Film zwar vordergründig von der NSU handelt, aber auch ganz allgemein von den Traumata eines Anschlags, was in Zeiten des internationalen Terrorismus überall verstanden wird.

Fatih Akin ist ziemlich erfolgsverwöhnt. Vom Berliner Bären bis zum Europäischen Filmpreis hat er schon so ziemlich jede Trophäe eingestrichen. Wobei er sie nur „irgendwo ins Büro“ stellt und meint, er habe „da keinen Fetisch“. Beim Oscar hat er ihn aber wohl doch. So sehr hat er sich jedenfalls noch nie für einen Preis ins Zeug gelegt.