Mildred Hayes ist eine von Gram und Wut getriebene Frau. Sie arbeitet im Souvenirshop von Ebbing in Missouri, einem kleinen Dorf im Mittleren Westen der USA. In der ländlichen Heimat der weißen Arbeiterklasse. Im Herzen von Trump-Country also. Und Mildred ist verärgert. Richtig verärgert.
Man sieht es in jeder Falte ihres lebensgegerbten Gesichts. Man sieht es an ihrem blauen Overall, den sie trägt wie einen Kampfanzug. Sieben Monate ist es her, seit ihre Tochter brutal vergewaltigt und ermordet wurde. Und noch immer ist die örtliche Polizei keinen Schritt weiter.
Ungewöhnliche Mittel des Protests
Mildred, Anfang 50, lebt zusammen mit dem halbwüchsigen Sohn, der die innere Qual der Mutter nur schwer erträgt. Der Ehemann hat sie nach dem Tod der Tochter verlassen. Wegen einer erheblich Jüngeren. Mildred will endlich wissen, wer ihre Tochter vergewaltigt und ermordet hat. Da fallen ihr an der Zufahrtsstraße nach Ebbing drei ausrangierte, verwitterte Werbetafeln wieder auf.
Sie mietet sie. Sie lässt sie auf blutrotem Grund beschriften. „Vergewaltigt, während sie starb“ steht in großen Lettern auf der ersten Tafel. „Und immer noch keine Festnahmen“ auf der zweiten. Auf der dritten klagt sie den örtlichen Polizeichef persönlich an: „Wie kommt das, Chief Willoughby?“ Und das konservativ kleinstädtische Leben gerät aus den Fugen.
Der irisch-britische Regisseur Martin McDonagh hatte 2008 mit dem furiosen schwarzhumorigen Thriller „Brügge sehen … und sterben?“ erstmals auf sich aufmerksam gemacht. 2012 folgte die irrwitzige Geschichte „7 Psychos“. Nun hat sich der Regisseur und Drehbuchautor mit seinem dritten Film „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“, der am 25. Januar in unseren Kinos startet, noch einmal übertroffen. Das hat ihm vor zwei Wochen vier Golden Globes eingebracht und gerade erst wieder drei Screen Actors Guild Awards.
McDonagh überzeugt durch feinsinnige Schauspielerführung, so derbe wie pointierte Dialoge und eine Story, die immer wieder verblüfft, die immer wieder neue Einsichten und Wendungen parat hat und den Zuschauer auf eine harte Probe stellt. Erwartungshaltungen werden geschürt und dann ins Gegenteil verkehrt. Vieles ist hier nicht so, wie es am Anfang noch den Anschein hat. Gut oder böse, wer erkennt das schon auf den ersten Blick.
Eine Frau klagt an. Stur, stoisch und verhärmt zieht Mildred gegen die Polizei von Ebbing zu Felde. Die wunderbare Frances McDormand gibt dieser vom Leben enttäuschten Frau großartiges, intensives Format. Dafür wurde sie mit dem Globe als beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet. Bald hat sie nahezu den ganzen Ort gegen sich. Während der schwer kranke Sheriff Willoughby (Woody Harrelson) versucht, die Wogen mit hilflosen Erklärungsversuchen zu glätten, fühlt sich seine rechte Hand, der Polizist Dixon (Sam Rockwell), persönlich angegriffen und kämpft gegen den vermeintlichen Affront mit allen Mitteln.
Dixon ist ein Psychopath. Ein Schläger, ein Trinker, ein dumpfer Redneck, wie er im Buche steht. Einer, bei dem für Schwarze andere Regeln gelten als für Weiße. „Na, wie läuft es denn so mit dem Negerfoltern?“, fragt ihn Mildred einmal sarkastisch. „Das heißt jetzt nicht mehr Negerfoltern, das heißt jetzt ,peoples of color‘-Foltern“, fällt ihm dazu nur störrisch ein. Sam Rockwell hat für seine Rolle, die im Amerika der politischen Correctness bereits für einige Diskussionen gesorgt hat, den Golden Globe als bester Nebendarsteller erhalten.
Dixon führt sich auf wie ein Berserker. Er will Mildreds Kampagne mit allen Mitteln stoppen. Einmal stürmt er ins Büro des Mannes, der Mildred die Werbeflächen vermietet hat, prügelt wie wahnsinnig auf ihn ein und stürzt ihn brutal aus dem Fenster. Was ihm eine vorläufige Suspendierung einbringt. Doch Sheriff Willoughby steht ihm bei. Und versucht Mildred zu erklären, dass Dixon ein guter Polizist sei und eigentlich ein gutes Herz habe. „Wenn ich jeden Polizisten, der möglicherweise ein Rassist ist, kündigen würde, blieben nur noch drei Cops übrig“, sagt er. „Und das sind die, die Schwule hassen.“
Wie es McDonagh schafft, dass man dem von einer abgrundtief bösen Mutter drangsalierten Dixon im Verlauf des Films sogar Verständnis entgegenbringt, ist nur einer der großen Momente in diesem bitterbösen und dann wieder überraschend versöhnlichen Film. Er moralisiert nicht. Er verurteilt nicht. Er zeigt Menschen mit all ihren Fehlern, die mal mehr, mal weniger am Abgrund stehen und allen Widrigkeiten zum Trotz versuchen, ihr Leben zu leben. Oder vorsätzlich darauf verzichten. Kein Wunder, dass McDonagh dafür sowohl den Globe für das beste Drama als auch für das beste Drehbuch erhalten hat.
Die Ereignisse überschlagen sich. Wer sich Mildred entgegenstellt, muss mit einem schmerzlichen Tritt in die Weichteile rechnen oder spürt, wie der örtliche Zahnarzt, den Dentalbohrer in seinem dicken Daumen. Schließlich gehen nicht nur die „Billboards“ in Flammen auf, sondern auch gleich die ganze Polizeistation. Doch damit ist McDonagh noch längst nicht am Ende seiner überschäumenden Erzähllust. Und dass ein Film wie dieser auch kein Happy End im üblichen Sinne hat, ist absehbar. Ganz großes Kino. Das dürfte auch Hollywoods Film Academy, die heute ihre Oscar-Nominierungen bekannt gibt, nicht verborgen bleiben.