Zum Gallery Weekend zeigt Désiré Feuerle auf spektakuläre Weise seine Sammlung. Ein Besuch der „Feuerle Collection“ in Kreuzberg.

Auf diese Idee muss man erst mal kommen, einen Telekommunikationsbunker aus dem Zweiten Weltkrieg mit Wasser zu fluten. Da stehen wir also tief unten im Kreuzberger Bunker, klapperkalt ist es, Dämmerlicht. Wir drücken fast die Nase an die Fensterscheibe, können kaum fassen, was wir sehen.

Vor uns breitet sich schwarzes Wasser aus, ein See, 2000 Quadratmeter groß. Das Wasser ist wie ein überdimensionierter Spiegel, die mächtigen, zwei Meter starken Betonsäulen verdoppeln sich darin, auch die Bunkerdecke erscheint gigantisch hoch. Eine Illusion. Und: ein schwarzes Bild erinnert an Malewitschs „Schwarzes Quadrat“. Das Wasser bewegt sich minimal, und wir schauen wieder und wieder. Es hat etwas seltsam beruhigendes einfach nur auf diese Fläche zu sehen, das Auge bekommt irgendwie Halt.

Der Mann hinter dem See heißt Désiré Feuerle, ist Berlins neuer Sammler mit eigenem Domizil. Ein Bunker, der mit seiner asiatischen Ästhetik eine ganz andere Qualität hat wie der von Christian Boros am Deutschen Theater. Der See, Feuerle nennt es „lake room“, erzeuge auch Energie für den Bunker, erzählt er euphorisch. Wie genau das funktioniert, bitte, er ist für die Ausstellung verantwortlich, den Teil macht der Architekt und die Technik. Die PR-Dame werde die Information nachliefern. Feuerle ist schon weiter, um uns den Duftraum zu zeigen, wo einmal mit brennenden Hölzern Zeremonien abgehalten werden sollen. Der chinesische Kaiser liebte dieses Ritual.

Der Ort ist ein eigenes Gesamtkunstwerk

Die Eröffnung der Collection Feuerle dürfte einer der Höhepunkte des Gallery Weekends sein, was die spektakuläre Location mit ihren 6000 Quadratmetern betrifft. Allerdings ist das kein „normales“ Kunsthaus, sondern eher eine Art Meditationsort mit Hang zum ganz eigenen Gesamtkunstwerk. Feuerle sammelt auch zeitgenössische Kunst, aber bei dieser Eröffnungsschau liegt der Fokus ganz eindeutig auf alten Khmer-Figuren des siebten bis 13. Jahrhunderts und auf kaiserlich-chinesischem Interieur aus Lack. Möbel, die hier unten wie exotische Skulpturen wirken. Im Erdgeschoss mit dem See leuchten sanft auf hohen Sockeln Götter und Göttinnen – eingerahmt von nackten Betonsäulen.

Alles andere liegt im Halbdunkel. Man muss kein Meditationsfreak sein, um zu merken, irgendetwas passiert hier unten mit einem. Ein wenig fühlt man sich wie in einer Prozession, der Straßenlärm von oben scheint vergessen, ebenso wie die Hektik der Stadt – der Bunker wirkt jetzt gerade wie eine Kathedrale. Gerade gehen wir an einem Naga-Buddha vorbei, der Schutz spendet, wie Feuerle erklärt. Er hat ihm eine weiße Lotusblüte in den Schoss gelegt. Zwischen den Säulen hindurch blinkt „Toros“, eine runde Edelstahlskulptur des in London lebenden Künstlers Anish Kapoor. Die Wand dahinter trägt feuchte Schlierspuren, die aussehen wie Farbverläufe, wenn man so will wie ein abstraktes Bild. Mit diesen Durchblicken und bildhaften Reverenzen weiß Feuerle perfekt zu spielen.

Man muss hier unten nicht jede Göttin kennen, sondern einfach die Atmosphäre auf sich wirken lassen, „ich will, dass die Menschen in eine andere Welt kommen.“ Das ist Feuerle, gebürtiger Stuttgarter, geglückt. Und das wird auch die Nische sein, die er, der Meister der Meditation unter den Sammler, künftig in Berlin mit seinem Bunker besetzen wird.

Feuerle ist kaum bekannt in Berlin, womöglich liegt das daran, dass er vieles, was seine Person betrifft, unter Verschluss hält. Alter? Keine Auskunft. Wo er lebe, beantwortet er mit „in Asien“. Er sei wie ein Satellit, der auftauche und wieder weg sei, sagt jemand, der Feuerle ein wenig kennt. Immerhin lässt er uns wissen, dass sein Faible für Asien bereits aus der Kindheit stammt, seine erste Figur kaufte er mit seinen Eltern in Hongkong. In den 90er-Jahren betrieb er in Köln eine eigene Galerie, zeigte zeitgenössische Kunst zusammen mit asiatischen Antiquitäten.

„Ich bin da rein“, erzählt er über sein erstes Mal im Bunker, „und hatte eine Vision, wie es sein könnte.“ Der Bunker war’s dann. Feuerle hatte seine Leute, überall in Europa und Asien, um zu schauen, wo der „richtige Platz“ sein könnte für das, was ihm vorschwebte. Dass er in Berlin etwas Passendes gefunden hat, sei „Glück“, meint er. Ganz ehrlich, natürlich passt ihm die deutsche Hauptstadt gut ins Konzept, hier leben jede Menge Künstler, hierher zieht es immer mehr Sammler, hier gibt es Ansprache. Jung und offen sei Berlin, klar, dass sei wichtig für ihn. Und ja, spröde sei die Stadt. Genau das aber sei auch der Kontrast zu seinen sehr feinen, sensiblen Objekten.

Aber eigentlich ist es der Betonkoloss selbst, der den größtmöglichen Kontrast zu all den Göttern, Göttinnen und kaiserlichen Interieurs abgibt. Auch vom Architekten hatte er so seine Vorstellung, ein Jahr hat er „in der ganzen Welt“ nach dem richtigen gesucht. Gefunden hat er den Briten John Pawson, dessen smartes Portfolio eine große Nähe zu Chipperfield aufzeigt in der strengen Reduktion der Mittel und der Konzentration auf Materialien wie Holz, Stein und Beton. Der Stil ist eben angesagt unter Museumsleuten. Es ist Pawsons erstes Projekt in Berlin, drei Jahre hat es gedauert.

Voraussetzung für den Zuschlag am Umbau: Der Architekt musste das Gebäude akzeptieren wie es ist, also eigene architektonische Eitelkeiten zurückstellen. Auf den ersten Blick sieht man tatsächlich kaum die Eingriffe. Boden und Wände sind nicht perfekt, die Spuren der Vergangenheit wurden belassen, nur milde gesäubert, selbst die Graffitis sind in ihren Konturen geblieben, allerdings wurden sie farblich gedimmt. Klimatisierung und Licht stecken hinter weißen Wänden, die aussehen wie Einbauschränke.

Die Eröffnung der Feuerle-Sammlung ist ein gutes Beispiel dafür, dass Berlin nach wie vor nichts an Attraktion für Künstler, Galeristen und Sammler eingebüßt hat, auch wenn Immobilienpreise und Mieten deutlich gestiegen sind. Nicht alle Sammler ziehen dabei ganz nach Berlin, etablieren hier zumindest aber ihren Showroom.

Weil hier das Publikum da ist, die Inspiration, das Umfeld. Die bestens vernetzte Düsseldorfer Sammlerin Julia Stoschek dürfte die nächste sein. Ab 2. Juni möchte sie im ehemaligen tschechischen Kulturinstitut an der Leipziger Straße zunächst temporär auf 2000 Quadratmetern eine Auswahl ihrer Videokunst („Welt am Draht“) präsentieren. „Wir sind an einer dauerhaften Präsentation in Berlin interessiert“, lässt sie ausrichten. Feuerle wird wohl die nächsten Wochen öfters in Berlin sein: Nur acht Tage wird seine Kollektion zu sehen sein, dann heißt es umbauen: Der Meditationsbunker wird ab 4. Juni einer der Hauptausstellungsorte der neunten Berlin Biennale.

Feuerle Collection, Hallesches Ufer 70. 30. April bis 7. Mai Preview-Woche. 11–19 Uhr. Anmeldung ab 28. April: www.thefeuerlecollection.org