Taskforce

Fall Gurlitt - "Ich hätte mir mehr Erkenntnisse erwünscht"

| Lesedauer: 5 Minuten
Gabriela Walde
Hübsch verpackt: Taskforce-Chefin Ingeborg Berggreen-Merkel (l.) übergibt Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) den Abschlussbericht zur Gurlitt-Sammlung

Hübsch verpackt: Taskforce-Chefin Ingeborg Berggreen-Merkel (l.) übergibt Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) den Abschlussbericht zur Gurlitt-Sammlung

Foto: Jörg Carstensen / dpa

Der Abschlussbericht zum Fall Gurlitt liegt vor: Nur fünf Werke wurden als NS-Raubkunst ermittelt. Der Report einer "endlosen Aufgabe".

Absurd ist das schon: Die Daten der Bilanz der Taskforce werden der Kulturstaatsministerin wie eine Pralinenpackung überreicht, die kleine Festplatte ist mit Knitterpapier verpackt. Die Leiterin Ingeborg Berggreen-Merkel übergibt sie Monika Grütters, ihre Arbeit ist abgeschlossen, die Bilanz liegt nun vor. Doch feiern kann man eigentlich wenig. Nur fünf der 1224 Kunstwerke aus der Münchner Sammlung des Cornelius Gurlitt wurden als NS-Raubkunst identifiziert. Liebermann, Spitzweg, Matisse, Pissarro, Menzel – aber das war ohnehin bereits bekannt.

Zwei Jahre war das Taskforce-Team beschäftigt, siebenmal haben sich die Mitglieder getroffen, knapp zwei Millionen Euro kostete das. Die Taskforce habe „viel erreicht“, sagt Berggreen-Merkel. 15.000 Datenbankabgleiche seinen vorgenommen und 4200 Publikationen auf Hinweise überprüft worden. Auch private Korrespondenzen und Geschäftsbücher von Gurlitt wurden ausgewertet.

Gurlitts Salzburger Kunstwerke müssen noch überprüft werden

Wer Berggreen-Merkel etwas kennt, weiß, an diesem Tage steht sie unter Druck, sie erklärt sich mit Nachdruck an Stellen, wo es nicht nötig wäre. Wie lange beispielsweise Übersetzungen von Dokumenten ins Englische bräuchten, die Amtssprache sei Deutsch. Das liegt auf der Hand bei einem international gelagerten Fall wie Gurlitt, wo mögliche Erben auf der ganzen Welt verstreut leben und Recherche in vielen Sprachen nötig ist. Wo es gut wäre, mehr zu sagen, bleibt sie auffallend knapp. Es gibt Kritik an ihrer Arbeit; mangelnde Transparenz, maues Ergebnis. Oder war sie gar überfordert?

Das ärgert die Juristin, die keine Kunsthistorikerin ist, wie sie selbst sagt. Der Offenheit seien Schranken gesetzt gewesen, erklärt sie dann, da es sich um eine Privatsammlung handelt, sind gewisse Veröffentlichungen aufgrund des Persönlichkeitsschutzes nicht gestattet. Auch die Anfechtung der Testierfähigkeit Gurlitts durch eine Verwandte hätten die Recherche erschwert. Offiziell ist ihr Job seit Ende des Jahres beendet, das Zentrum für Kulturgutverluste in Magdeburg übernimmt die weiterführende Recherche. „Die Taskforce muss die Quellenlage akzeptieren, wie sie ist“, sagt sie, „wenn sich ergibt, dass Werke nicht verfolgungsbedingt entzogen wurden, dann ist das hinzunehmen“.

Berggreen-Merkel hat ein Fact Sheet auslegen lassen, damit die Zahlen stehen. Die Auflistung ist derart unübersichtlich, dass es schwer fällt, ein klares Ergebnis herauszufiltern. Provenienzrecherche sei hochkomplex und schwierig und aufwändig, sagt sie noch. Also: 1224 Werke wurden im Appartement von Gurlitt in München 2012 beschlagnahmt.

507 Werke konnten bislang ausgeschlossen werden, weil kein verfolgungsbedingter Entzug vorliegt. Dazu zählen Arbeiten, die von den Museen schon vor Beginn der NS-Herrschaft 1933 angekauft wurden. Andere, die der Familie Gurlitt eindeutig zugeordnet werden konnten, weil sie nach 1945 entstanden. Von 499 Werken gäbe es bei 143 keine Provenienzhinweise, bei 152 geringe Provenienzhinweise. Bei 252 sind weitere Recherchen erforderlich, sie stammen größtenteils aus der „Aktion ‚Entartete Kunst‘“.

Im Frühjahr vergangenen Jahres kamen noch 239 Werke aus dem Salzburger Anwesen Gurlitts hinzu, deren Herkunft ist noch zu klären. „Es geht“, sagt Berggreen-Merkel, „nicht nur um Kultur, sondern um Schicksale, Menschen und Familien.“

„Wir müssen dem“, sagt nun Monika Grütters, „moralisch auch gerecht werden. Hier gibt es das Dilemma zwischen wissenschaftlicher Gründlichkeit und der geforderten Schnelligkeit“. Das sei ein „nicht auflösbarer Zielkonflikt“. Und einen Fall wie Gurlitt habe es schließlich noch nie gegeben. Standards, Methodik und Darstellungsweise – alles musste erst entwickelt werden. Dann kam der Tod Gurlitts und die Erbanfechtung hinzu. „Ich hätte“, sagt Grütters, „mir auch mehr Erkenntnisse erwünscht.“ Jedes Bild sei ein Mosaikstein der Vergangenheit.

Der Kunstmarkt der NS-Zeit ist noch wenig erforscht

Nun ist es so, dass Kunsthistoriker ein anderes Zeitmanagement haben und sich nicht als Investigativjournalisten verstehen. Wenn Provenienzen unklar sind, ist die Quellenlage selten eindeutig und nur schwer zu recherchieren. Auch Uwe M. Schneede, Vorstand der Stiftung Deutsches Zentrum Kulturgutverluste, hatte gehofft, in zwei, drei Jahren durch zu sein, musste dann aber feststellen, dass es „eine endlose Aufgabe“ sei.

Der politische Druck im Falle Gurlitt sei sehr groß, meint TU-Professorin und Provenienzexpertin Bénédicte Savoy. Die Recherche sei ein Kraftakt, die Sorgfalt gehe unbedingt vor, zumal sich Dokumente oft auch widersprechen, Werke manchmal an mehrere jüdische Sammler verkauft worden sein. „Und die Öffentlichkeit verlangt eben schnelle Gerechtigkeit“, meint die Kunsthistorikerin.

Zudem wurden viele Arbeiten der Gurlitt-Sammlung in Paris erworben, auch hier gäbe es noch keinerlei Grundlagenforschung im Bereich des Kunstmarktes der Zeit. Die Aufarbeitung wurde lange verzögert, nicht nur in Deutschland.

Es hätte verhältnismäßig wenig Ansprüche von Erben gegeben, weniger als vermutet, sagt Ingeborg Berggreen-Merkel zum Schluss. Die Arbeit geht nun weiter – ohne sie und in Magdeburg. Ein Jahr läuft das Projekt – mit Option auf Verlängerung.