Theater

Castorf zeigt sich mit „Baumeister Solness“ als Regiemeister

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Stefan Kirschner

Foto: Britta Pedersen / dpa

Der Volksbühnen-Intendant Frank Castorf inszeniert Ibsens „Baumeister Solness“ und thematisiert gleichzeitig sehr unterhaltsam seinen Abschied vom Rosa-Luxemburg-Platz.

Volker Spengler werden die Zähne gereicht. Er packt sich das Gebiss in den Mund, ist aber trotzdem kaum zu verstehen. Er spielt den alten Architekten Knut Brovik in Frank Castorfs „Baumeister Solness“-Inszenierung. Mit dieser Szene beginnt der gut vierstündige Abend, der erstaunlich kurzweilig ist.

Der Volksbühnen-Intendant bringt nicht nur das Drama von Hendrik Ibsen auf die Bühne, sondern thematisiert gleichzeitig seine eigene Situation. So selbstreferenziell war Regiemeister Castorf noch nie. Aber nach 22 Jahren Volksbühnen-Intendanz und mit dem für Sommer 2016 verkündeten Abschied – dann hat er das Rentenalter erreicht – hat er auch genug Material. Herausgekommen ist eine sehr unterhaltsame Arbeit, zumindest für langjährige Volksbühnenbesucher, die sich ein bisschen mit dem Haus und den handelnden Personen auskennen. Ein paar Dinge können wir ja mal verraten.

Intendanzbüro auf der Bühne

Den halben Raum hat Bühnen- und Kostümbildner Bernd Neumann im Stil der „Frankfurter Küche“, die andere Hälfte im Stil von Castorfs Intendantenbüro gestaltet – als Verbindung dient ein Drehregal – und natürlich fällt immer wieder der Name von Elke Becker, Castorfs Vorzimmerdame. Beispielsweise wenn Baumeister Solness (Marc Hosemann), der sich auch gern als Frank anreden lässt, mit einer jungen Dame inkognito das Intendanzzimmer verlassen will. Kathrin Angerer spielt die verführerische Hilde Wangel, die den Baumeister schließlich in den Tod treibt.

Angerers Outfit ist eine Wucht: Mit kitschiger Bärenbommelmütze, T-Shirt mit aufgemalten Brüsten und natürlich Stöckelschuhen – ein Klassiker, Castorf liebt es, in seinen Inszenierungen Frauen auf hohen Absätze über die Bühne laufen zu lassen –, später schlüpft sie kurz in ihre übergroßen Hundepantoffeln, die sie aus dem prall gefüllten Rucksack herausholt. Darin ist auch ein Backstein, an dem sich Solness selbstredend den Fuß stößt, was Marc Hosemann als Einladung für eine seiner zahlreichen Slapstick-Nummern nutzt.

Auseinandersetzen muss er sich auch mit Henry Hübchen, dem ehemaligen Brettsegelmeister, so nannte man Windsurfen in der DDR, der als Puppe in vielfacher Ausfertigung die erste Reihe des Zuschauerraum besetzt hält. Hübchen war in den 90er-Jahren einer der ganz wichtigen Castorf-Schauspieler, er wechselte schließlich wegen der hohen Belastung durch das Castorfsche Theaterspiel zu Film und Fernsehen.

Die Souffleuse hat viel zu tun

Ironie perlt aus jeder Pore, jeder Faser, jedem Deko-Teil und jedem Satz. Kathrin Angerer, die vor Jahren mit Castorf liiert war, bringt nebenbei Szenen einer Ehe ein und sorgt sich um die Zukunft von Frank, von dem ja alle denken würden, dass er zu Hause rumsitzt, Serien schaut und sich einen durchzieht, wie es in der Inszenierung heißt.

Das Ibsen-Drama wird ohne große Psychologisierung gegeben, das ist eh nicht Castorfs Ding. Aber mit einer sehr aktiven Souffleuse, zumindest bei der Premiere. Der Regisseur hat wohl bis zur letzten Minute an seiner Inszenierung gearbeitet. Und Achtung, vielleicht eine Zäsur: Castorf verzichtet komplett auf den Einsatz von Video!

Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz, Mitte. Termine: 31.5.; 6. und 13.6., jeweils 19.30 Uhr . Karten: 030-240 65 777