Nick Mason sitzt in London an der Abbey Road im Studio, wo die Beatles und Pink Floyd ihr Lebenswerk aufnahmen. Zuletzt ließen hier die Beatles ihre Alben restaurieren. Jetzt befassen sich die Tontechniker mit den Alben von Pink Floyd. Nick Mason ist der dienstälteste Musiker der größten Band der Siebzigerjahre. Er saß ungerührt am Schlagzeug, wenn die anderen stritten. Und jetzt überwacht er, wie die 14 Platten unter dem Werktitel "Discovery" wohlklingender als jemals zuvor in einer Edition gebündelt werden. Zugleich erscheint das Album "Dark Side of the Moon", erweitert als "Immersion Box". Zu hören sind erstaunliche Versionen der bekannten Stücke im Rundum-Sound. Im November folgt eine Neuausgabe von "Wish You Were Here", im Februar "The Wall" mit allen Arbeitsfassungen. Nick Mason wirkt zufrieden. Er ist 67 Jahre alt, in seiner Freizeit fährt er mit den alten Autos, die er sammelt, wagemutige Rennen.
Morgenpost Online : Mr. Mason, wie ist das, wieder in den heiligen Hallen an der Abbey Road zu sitzen und Pink Floyd zu hören?
Nick Mason : Seltsam. Ich denke an den alten Pförtner, Gerry, einen Iren, der für uns vor 40 Jahren in der Aufnahmekabine die berühmten Worte sprach: "There is no dark side of the moon." Ich weiß nicht, was aus ihm geworden ist. Auch Paul und Linda McCartney, unsere Nachbarn aus Studio 2, halfen damals bei uns aus für unsere Stimmcollagen. Ihre Ansagen sind allerdings verschollen. Wir hatten entschieden, sie nicht zu verwenden.
Morgenpost Online : Heute gilt Pink Floyd als hoffnungslos zerstritten. Kürzlich traten Sie wieder gemeinsam auf mit Roger Waters, in der Rockoper "The Wall". Auch David Gilmour wirkte mit, Ihr alter Gitarrist. Haben Sie sich versöhnt?
Mason : Nun, ich habe ein wenig getrommelt, und David hatte sein Solo. Es war Rogers Abend. Die letzte ordnungsgemäße Wiedervereinigung liegt sechs Jahre zurück, im Hyde Park, anlässlich des Live-8-Festivals. Da stand auch Rick noch an den Tasten (Rick Wright starb 2008, d. R.). Aber es war sehr schön, sich auf der Bühne wieder zu begegnen. Es war eine reizende Geste von Roger, uns einzuladen. Und es war ein netter Zug von uns, auch zu erscheinen.
Morgenpost Online : Hier im Studio arbeiten Sie gerade die alten Alben auf und Ihre Bandgeschichte: Pink Floyd spielten als Studienfreunde Blues und wurden über Nacht zum Experimental-Ensemble. Was war passiert?
Mason : Wir waren desillusioniert vom Rhythm & Blues, den alle spielten. Von Jeff Beck bis Eric Clapton. Außerdem wollten wir Architekten werden. Kunstrock stand uns einfach besser. Wir hatten sogar einen Tutor an der Schule, der uns zuriet, ungewöhnlicher zu musizieren und wie ernst zu nehmende Künstler aufzutreten.
Morgenpost Online : Wie wurden Sie zum Trommler?
Mason : Es fand sich kein anderer dazu bereit. Es gab kein Vorspiel oder so was. Hätte eines stattgefunden, wäre ich niemals der Trommler von Pink Floyd geworden. Ich setzte mich auf den Hocker und versuchte mein Glück.
Morgenpost Online : In Ihren persönlichen Band-Memoiren "Inside Out" beteuern Sie, die psychedelische Frühphase ohne Drogen gemeistert zu haben. Das glaubt Ihnen kein Mensch.
Mason : War aber so. Das ganze bewusstseinserweiternde und schlimme Zeug war nicht im Spiel bei Pink Floyd. Wir sahen bloß so aus in unseren schrillen Seidenhemden. Nur Syd Barrett fing irgendwann damit an. Armer Syd. Solche Drogen sind schlecht für Beziehungen untereinander. Sie wirken sich nachteilig auf die Arbeit aus. Pink Floyd war eine handwerklich anspruchsvolle Band. Wir verzichteten auf der Bühne und bei Aufnahmen sogar auf alkoholische Getränke. Man steuert im Rausch auch keine Flugzeuge.
Morgenpost Online : Wo lag das Problem bei Syd Barrett, Ihrem ersten Sänger und Gitarristen, der an Drogen zugrunde ging?
Mason : Das Problem lag nicht allein bei ihm. Wir sprachen ihn nicht darauf an. Wir kümmerten uns nicht darum, was er so zu sich nahm. Schluckte er LSD? Amphetamine? Keine Ahnung. Wir empfanden seine Ausfälle als Störung, ohne es genauer wissen zu wollen. Sein Problem war: Er wollte kein Popstar sein, sondern ein Künstler, der gern bunte Bilder malte und mit Freunden musizierte. Uns wurden solche Gedanken mit den Jahren und Erfolgen fremd.
Morgenpost Online : Er wollte keinen Erfolg?
Mason : Nein. Syd fürchtete die Maschinerie der hauptberuflichen Musikarbeit. Da musizierten wir schon im Akkord.
Morgenpost Online : Wie kam Syd Barrett der Band abhanden?
Mason : Ich schäme mich heute noch, dass keiner von uns mit ihm redete. Wir brachten es nicht übers Herz, ihn rauszuwerfen. 1968 fuhren wir im Bus zu einem Gastspiel nach Southhampton. Wir haben ihn nicht abgeholt. Er blieb zu Hause sitzen und kam auch nicht mehr zur Probe.
Morgenpost Online : Sahen Sie ihn wieder?
Mason : 1975, wir nahmen "Wish You Were Here" auf, da starrte ein dicker, kahler Mann durch diese Scheibe dort und sah uns freundlich zu. Niemand erkannte ihn. Bis David zu ihm ging, zurückkam und erklärte, es sei Syd gewesen, und er habe wirr geredet. Traurig. Aber es gibt eine lustige Pointe: Wie Sie vielleicht wissen, hatten uns die Punks damals zum Ziel ihrer Verachtung auserkoren. Dafür hielten sie Syd Barrett für einen der Ihren. Für die Band The Damned sollte er ein Album produzieren, wozu Syd gesundheitlich nicht in der Lage war. Dafür sprang ich ein. Wir vertrugen uns erstaunlich gut, die Punks und ich.
Morgenpost Online : Stört Sie das weit verbreitete Urteil, Pink Floyd sei mit Syd Barrett großartiger gewesen als ohne ihn?
Mason : Nö. Ich treffe ständig vernünftige Leute, die sogar sagen, Pink Floyd sei nach Syds Austritt restlos am Ende gewesen. Das ist wie mit Genesis und Peter Gabriel. Und wie bei Fleetwood Mac und Peter Green. Ich hoffe nur, dass niemand uns je dafür verurteilt, dass wir nicht besser für Syd gesorgt haben. Andererseits: Ohne seine Einflüsse wären spätere Platten wie "Dark Side of the Moon" oder "Wish You Were Here" nicht denkbar. Er war ja auch der Adressat dieser Alben, mit denen wir endlich gutes Geld verdienten.
Morgenpost Online : Welche Platte ist Ihre liebste?
Mason : "A Saucerful of Secrets", von 1968. David kam als Gitarrist, und Syd war auch noch da.
Morgenpost Online : Was war Ihre Aufgabe im Unternehmen, das Pink Floyd während der Siebzigerjahre wurde? Außer am Schlagzeug zu sitzen?
Mason : Jeder hat versucht, zum Wohle der Band das zu leisten, was er konnte. Roger wurde hauptamtlich zum Songschreiber. Ich unterstützte ihn bei der Organisation und Konzeption der Shows und Filme. Ich entwarf die Bühnen mit, und ich war für die Soundeffekte zuständig. Es hing im Studio allerdings auch keine Liste, wer wann kocht und sauber macht, wer wann den Bass bedient und wer wann trommelt. Wie in so einer WG, wenn Sie das meinen. Eine Band funktioniert von allein wie ein Automatikgetriebe. Oder sie bricht auseinander.
Morgenpost Online : Woran brach sie auseinander?
Mason : Sie war ja nicht urplötzlich dahin. Zuerst verschwand Roger, weil er der Ansicht war, als Musiker allein besser zurechtzukommen. Es war etwas beschleunigt worden durch den Streit, den David, Rick und Roger häufig miteinander hatten. Aber es war nichts Dramatisches.
Morgenpost Online : Wo verliefen die Fronten?
Mason : Die Hauptkampflinie lag eindeutig zwischen David und Roger. Roger sah in David einen singenden Gitarristen, er hielt nichts von seinen Songs. Für David war das irritierend, es hat ihn gekränkt.
Morgenpost Online : Sie haben sich nie gehasst?
Mason : Nicht dass ich wüsste. Wir sind zivilisierte Männer. Engländer. Ich saß immer dabei an meinen Trommeln, fühlte mich neutral, ich schaute nur zu. Und seither denken alle, Schlagzeuger seien die großherzigen Friedensstifter. Bassisten, Sänger, Pianisten, Gitarristen - alle kommen auch ganz gut allein klar, Trommler nicht. Aber jetzt sind wir alle wieder Freunde.
Morgenpost Online : Nachdem Sie sich gegenseitig verklagt hatten, wegen des Bandnamens.
Mason : Wissen Sie: Roger und ich, wir kennen uns seit 1962, wir haben zusammen die Schule besucht. Er ist einer meiner ältesten Kameraden, wenn auch der wohl schwierigste. Aber wir sind jetzt alt und weise. Und das Kuriose ist: Wir sind steinreich. Worüber also streiten?
Morgenpost Online : Sie beugen sich einträchtig über die alten Aufnahmen und renovieren sie?
Mason : Um ehrlich zu sein: Wir haben unsere Tonmeister und Ingenieure. Und wir tauschen uns über die üblichen Kanäle aus, über Telefon und Internet. Aber wir sitzen nie im selben Raum. Das dann doch lieber nicht.