Rob Halford wechselt während seines Auftritts häufiger die Garderobe als Madonna oder Lady Gaga. Um die Wege zu verkürzen, gibt es eine Umkleidekabine auf der Bühne der O2 World. Halford springt hinein im bodenlangen Ledermantel und wieder heraus im bunt bestickten Jeansanzug. Zu jedem Stück trägt er das passende Gewand: Im goldenen Gehrock singt er von den „Metal Gods“. Und „Prophecy“, die düsteren Vorhersagen des Apothekers Nostradamus, bringt er unter einer glänzenden Kutte zu Gehör.
Seit einigen Jahren ist Rob Halford wieder unterwegs mit Judas Priest, der Band, die in den frühen siebziger Jahren den modernen Metal aus der Taufe hob. Anfang der Neunziger hatte der Sänger sich vorübergehend verabschiedet. Der Heavy Metal war erstarrt. Zur Spaßmusik für Herren mit Strumpfhosen und Fönfrisuren oder zur bierernsten Brauchtumspflege. Judas Priest ersetzten Halford durch einen Rob-Halford-Imitator, während sich das Original zu seiner Homosexualität bekannte und auch seine Stimme in verschiedenen Projekten von den Konventionen befreite. Seit ihn seine ursprüngliche Band 2004 wieder begrüßen durfte, sieht der Metal oberflächlich immer noch wie 1984 oder 1994 aus, ist aber innerlich ein Anderer. Die Anhänger der ersten Stunden führen überwiegend bürgerliche Leben. Sie erholen sich davon im Heavy Metal und besuchen in monströsen T-Shirts Judas Priest in der O2 World.
Es ist niemandem mehr peinlich, dass die Band sich bereits in den blumigen Sechzigern nach Bob Dylans „Ballad Of Frankie Lee And Judas Priest“ benannt und erst im Fantasy-Blues zum Metal durchgerungen hat. „Es gibt so viel entzückende Musik auf dieser Welt“, erklärt Rob Halford im verchromten Sakko. Er stimmt die Ballade „Diamonds And Rust“ an, von Joan Baez. Rund 5000 Menschen halten andächtig beim Haarewerfen inne. Später spielen Judas Priest „The Green Manalishi (With The Two Pronged Crown)“ von Fleetwood Mac, um anschließend den Saalchor durch „Breaking The Law“ zu dirigieren, ihre Bandhymne von 1980. Man sieht immer noch vier Musiker die ondulierten Schöpfe schütteln, aber mittendrin auch ihren kahlköpfigen Prediger der kulturellen Offenheit, mit Fransen an den Ärmeln.
Es geht darum, wo der Metal herkam und wo er gelandet ist. Im Bühnenbild qualmen die Schlote Birminghams. Da liest man „Welcome To The Home Of British Steel“. Hinter der Band dampfen zwei Kühltürme in Ketten. Die Industriedämmerung hat Heavy Metal als Musik der aussichtslosen Jugend blühen lassen. „Never Satisfied“ kreischt Halford aus dem 1974 richtungsweisenden Album „Rocka Rolla“. Er führt durch den Abend wie durch ein Museum, zeigt seine metallbeschlagenen Uniformen aus dem Fundus und wirft Plattenhüllen wie Familiendias an die Wand. Worauf er wohlweislich verzichtet, ist „Better By You, Better Than Me“ von 1985. Damals schossen sich zwei junge Amerikaner gegenseitig ins Gesicht, weil sie das Stück als Anleitung zum Suizid missdeutet hatten. Halford wies den Vorwurf als absurd zurück: Ein Sänger würde seine Plattenkäufer nie dazu ermuntern, sich zu dezimieren. Heute kann er unbefangen Lieder wie „Hell Bent For Leather“ singen. Auf dem Motorrad und mit der Reitpeitsche im Mund.