Selten wurde eine Ausstellung wie “Based in Berlin“ so skeptisch erwartet – und konnte so überzeugen. 80 Künstler aus aller Welt, die in der Hauptstadt leben, stellen an mehreren Standorten aus.
Bürgermeister Klaus Wowereit hat einen herrlich direkten Berliner Humor, das muss man ihm lassen. Den wird er jetzt brauchen. Vor einigen Tagen rückte bei ihm im Roten Rathaus das Aktionsduo Clegg & Guttmann an, um ihn zu fotografieren. In Herrschaftspose und in dunklem Anzug. Ob er wusste, auf was er sich da einlässt? Das Riesenporträt hängt nun an einer sehr leeren, sehr weißen Wand – in einem sehr leeren, sehr großen, sehr weißen Ausstellungsraum. Eitelkeit, Macht & Kunst: Die Raumgestaltung ist nicht nur eine listige Anspielung auf klassische Präsentationsformen von Kunst, sondern ein ebenso ironischer Protest gegenüber der Gruppenschau „Based in Berlin“, die Wowereit initiiert hat „als internationales Schaufenster“. Hippe Berliner Gegenwartskunst vermarktet sich halt gut, auch im Wahlkampf. Das Team vom eingeladenen Off-Space „After the Butcher“, das den Wowi-Raum gestaltete, weiß jedenfalls, was künstlerische Guerilla-Taktik ist.
Die Stimmung ist gut, viele sind da
Die Stimmung im Atelierhaus im Monbijoupark – dem Hauptausstellungsort von „Based in Berlin – könnte an diesem Eröffnungsmorgen nicht besser sein. Viele sind da, Künstler, Kuratoren, Museumsdirektoren und Galeristen der Stadt. Das hätte anders kommen können – selten wurde eine Ausstellung im Vorfeld kulturpolitisch so kontrovers diskutiert und mit so viel Skepsis erwartet.
Fünf Jungkuratoren, Mitte 20 bis Anfang 30, wählten mehr als 80 Künstler ihrer Generation aus. Große Künstlernamen wird man nicht finden, einige halbbekannte sind dabei wie Keren Cytter oder Kitty Kraus, den Großteil jedoch stellen kaum bekannte Künstler aus aller Welt. Das ist Basisarbeit, mutig dazu. Neben dem Atelierhaus gibt es noch einen eiskalten Bunker, ein idealer „dark room“ für Videoarbeiten und jene unheimliche phosphoreszierende Raumarbeit von Julietta Aranda. Vier weitere Spielorte kommen hinzu: der Hamburger Bahnhof, die Kunstwerke, der NBK und die Berlinische Galerie, allesamt Institutionen, die sich mit Gegenwartskunst beschäftigen. Sie geben dieser urbanen Location mit dem Hauch von Subkultur eine museale Anbindung.
Was wollen sie uns sagen, die jungen Berliner Künstler im Sommer des Jahres 2011? Am besten man steigt – schwindelsicher – auf die 13 Meter hohe Aussichtsplattform, die direkt ans Atelierhaus gebaut wurde. Hier oben sieht man Berlin vor sich – die historische Architektur auf der Museumsinsel, dort die fragmentierte New Yorker Freiheitsstatue von Danh Vo, nur Finger und Fackel sind vorhanden. Und dann blicken wir auf drei Ceos, in Gold und Silber glänzen sie in der Sonne – chinesische Kopien des BMW X5-Geländewagens. Helga Wretman macht hier unter dem Himmel von Berlin ihre Performance, die 26-jährige Schwedin ist Künstlerin und Stuntfrau. Es geht also um Idee und Realität, Fake und Original, um Aneignung durch Nachahmung. Letztlich um die Grundfragen der Kunst. Und ein bisschen wohl um den Mythos Berlin.
Viele der Arbeiten beschäftigen sich mit Berlin und dem Stadtraum. Jeremy Shaw, Kanadier, Jahrgang 1977, hat sich alte Filmposter von Christiane F., dem Heroinkind aus Gropiusstadt, besorgt, diese tausendfach nachdrucken lassen, um sie kreuz und quer in der Stadt plakatieren zu lassen. Der Plakatierer kam genervt zurück. „Wann läuft der Film?“, fragten ihn Passanten nicht nur einmal. Yorgos Sapountzis, der Mittdreißiger, machte sich auf nach Ost-Berlin, um dort Skulpturen von Badenden und Schwimmern aufzunehmen. Für diese Videoinstallation aus fragilen Alustangen durchbohrte er sogar eine Raumdecke. Mandla Reuter aus Südafrika riss ein mächtiges Stück Fassade aus dem Atelierhaus, die Fensterrahmen werden im NBK ausgestellt und die Betonbrocken wie Skulpturen ausgelegt. Der durch den Abriss entstandene Raum wird nun vom Parkpublikum benutzt. Da wird der Berlin-Spruch von den „pittoresken blätternden Fassaden“ auf die Schippe genommen. Oder etwa nicht? Akim wird bei einer Nacht- und Nebelaktion mit einer Crew von 40 Leuten anrücken, um wie Mauerspechte die Graffiti-Tags am Atelierhaus abzuklopfen. Schließlich soll die bunte Kunstbox in einigen Monaten abgerissen werden – und mit ihr verschwindet auch die Kunst.
Fiete Stolte wendet sich eher gegen das Verschwinden. Er hat sich im Zementboden verewigt, bzw. seine Matratze, die er als „Abdruck einer Nacht“ in Beton gegossen hat. Dort zeigen sich verwischte Körperspuren, die von der „siebten auf die achte Nacht“ entstanden sind. Man muss das verstehen, Fiete nämlich hat sein eigenes Zeitsystem mit acht Tagen und je 21 Stunden. Sechs Monate hat Köken Ergun, gebürtig in Istanbul, gebraucht, um 40 türkische Hochzeiten im Wedding zu besuchen und zu filmen, die nun als Video im Bunker zu sehen sind. Da geht's hoch her, sehr lustig, es wird getrunken, getanzt und viel Geld ausgezählt für das Brautpaar.
Manches hat eine Lockerheit, von der man annehmen kann, dass sich der Künstler selbst nicht immer ganz ernst nimmt, und schon gar nicht die Kunstgeschichte. Trevor Lloyd aus Kalifornien ist einer von diesen Künstlern der neuen Lässigkeit. Er klebt Bilder von deutschen Schäferhunden an die Wand, oder zeichnet seine Mutti aus der Erinnerung – mit geschlossenen Augen. Jedes fünfjährige Kind malt vermutlich besser. Diese Kritzeleien heftet er artig in einem Hefter ab. Man kann es auch anders sagen: Die altbekannten Vorurteile gegen der jungen Kunst werden ad absurdum geführt.
Performances sind angesagt
„Alles was heute von Künstlern produziert wird, egal ob im Netz, auf der Bühne, als Performance oder der Leinwand – alles ist Kunst“, hat Klaus Biesenbach, einer der drei kuratorischen Supervisors, kürzlich gesagt. Damit war klar: „Based in Berlin“ ist alles andere als eine thematische Ausstellung, es geht um die Vielfalt der künstlerischen Praktiken, die es in Berlin gibt. Angesagt ist das Konzeptionelle, genauso wie die Performance, „copy and paste“ ein künstlerisches Stilprinzip. Und die Malerei erlebt ihre eigene Berliner Renaissance, auf mitunter skurrile Weise wie bei Thomas Sauter und seinen camouflierten Alufelgen.
Ursprünglich sollte „Based in Berlin“ ein Testballon sein für eine dauerhafte Kunsthalle, die einmal alle wollten. Der Wind hat sich gewendet, das Geld fehlt, die politische Rückendeckung ohnehin, und letztlich hat Berlin mittlerweile mit seinen offen agierenden Ausstellungshäusern genügend Plattformen für junge Positionen. Wowereit wird letztlich keine Kunsthalle kriegen – dafür hat er im Vorwahlkampf ein vitales Sommerevent – und das kann sich sehen lassen.