An diesem Abend wirkt der Weihnachtsmarkt nicht wie ein Anschlagsziel. Die Glühweintheken sind bevölkert, im Gedränge wärmen sich die Menschen aneinander. Männer lassen ihre Bärte wachsen, Frauen zeigen sich verhüllt mit interessanten Wollmützen und Schals. Sie alle stehen festlich vor dem Kesselhaus, und als die Händler ihre Hütten schließen, leert sich auch der Markt davor, weil das Konzert der Foals beginnt. Auch Yannis Philippakis sieht etwas verfroren aus, als er sich die Gitarre umhängt. Sollte sich die Band unter das Volk gemischt haben, wird sie nicht weiter aufgefallen sein mit ihren Sturmfrisuren und der modisch nachlässigen Garderobe. „Danke, dass Ihr trotz der Kälte draußen da seid“, sagt der winzige Sänger, der am Bühnenrand steht wie ein Hobbit. Philippakis weigert sich entschieden, die Gitarre wie gewöhnlich vor dem Unterleib zu tragen. Er spielt sie unter dem Kinn. Die Töne greift er auf den letzten Bünden, oberhalb des für ihn nutzlosen Gitarrenhalses. Zärtlich krault er mit der Rechten seine Saiten.
Wer so auftritt, hat es schwer, als Rockmusiker ernst genommen zu werden. Wer es dennoch schafft, wie Philippakis, ist ein großer Künstler, weil seine Musik ihn überragt. Die Foals spielen „Blue Blood“, das erste Stück des zweiten Albums „Total Life Forever“. Sie begrüßen ihre unverzüglich aufgetauten Zuhörer mit afrikanisch klingenden Gitarrenornamenten. Die Musik entwickelt sich zu einem Klangdschungel mit zirpenden Zikaden, klingelnden Kalimbas und geschlagenen Kalebassen. Dabei sieht man eine herkömmliche Band mit Schlagzeug, Bass und Keyboards, einem Sänger mit Gitarre und dem zweiten Gitarristen Jimmy Smith, der sich in Krämpfen windet, als stünde er unter Strom.
Es sind nicht nur die Afropop-Anklänge, die einen erwärmen, es ist auch die Algebra. Die komplizierte Bruchrechnung der Takte sorgt dafür, dass selbst das Hirn durchblutet wird. Aber auch nicht zu stark: Denn Yannis Philippakis hat sein Studium in Oxford vor fünf Jahren nicht umsonst nach zwei Semestern abgebrochen und die Foals gegründet, sie bei Facebook für Geburtstagsfeiern angeboten und darauf vertraut, dass sich die Band nicht nur in Universitätszirkeln herumspricht. Längst ist sie im Leben angekommen, in Konzerthallen und Kesselhäusern, wo die Gäste „One step, two stepp!“ brüllen und wo Männer ihre Frauen in die Luft werfen. Die Foals machen Musik gegen die dunklen Ängste und die klirrende Kälte, sie geben Adventskonzerte.