Tempodrom

Faithless in Berlin - Totgesagte tanzen länger

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Michael Pilz

Wenn die Musiker der britischen Band Faithless die Pop- und Tanzstile mixen, toben auf dem Dancefloor die Fans. Im Berliner Tempodrom zeigten sie mit Trip-Hop und Trance, dass Gott vielleicht ein DJ ist.

„Gott ist ein DJ.“ Diese unerschütterliche Weisheit stammt von Faithless aus dem Sommer 1998, und sie wird heute so oft und gern zitiert wie Friedrich Nietzsches „Gott ist tot“ von 1887. Würde sich die Popmusik der Logik beugen, hätte sich der DJ überlebt als Herr der Tanzhallen, und DJ Valis würde nicht im Berliner Tempodrom auflegen, um das Publikum auf den Besuch von Faithless einzustimmen.

Faithless dürften ebenfalls nicht hier sein. Sind sie aber, pünktlich, vollzählig und überzeugend: Maxi Jazz, der 53 Jahre alte Hüne aus der jamaikanischen Gemeinde Londons, trägt ein offenes Cocktailjäckchen über seiner blanken Brust. Flankiert wird er von Sister Bliss an ihren Tasteninstrumenten und von Rollo Armstrong an verschiedenen Gitarren. Ein Bassist lässt das Gemäuer beben, und zwei Schlagwerker verrichten eifrig ihren Dienst.

Pop ist nur von dieser Welt

Es gibt bei Faithless keinen DJ. Aber wer die Raves der Großstadt und die Großraumdiskotheken in der Vorstadt meidet, wird von ihnen im Konzertsaal an die offenen Versprechen einer Tanzmusik erinnert, die keine Gitarren braucht, sondern nur Plattenspieler und ein paar Geräte. Man wird aber auch daran erinnert, dass auf Platten in der Regel Musiker zu hören sind.

Von göttergleichen DJs war auch die Gitarre bereits voreilig für tot erklärt worden. Der Glaubenskrieg scheint heute beigelegt, und Faithless können sich als Friedensstifter feiern lassen. Eine Gruppe, die wie eine progressive Rockband auftritt, wechselnde Gesangssolisten vorstellt aber Stücke spielt wie „Happy“, „Feelin’ Good“ und „Everything Will Be Alright Tomorrow“. Stücke, die so klingen wie sie heißen. Stroboskope lassen auch die tanzenden Besucher nicht im Dunkeln stehen.

Auf „The Dance“, dem aktuellen Album, ist die Welt noch immer eine Scheibe und der Diskjockey der Herr, der sie bewegt. Der Klassiker „God Is A DJ“ wird von Faithless zelebriert wie eine Messe. Plötzlich steht die Band im Kirchenschiff, die Wände füllen sich mit leuchtenden Ornamenten, und am Ende flackert eine Spiegelkugel auf den Videowänden wie ein brennender Dornenbusch.

„This is our church!“, ruft Maxi Jazz. Aber die Popmusik kennt keine theologischen Probleme, sie ist ganz und gar von dieser Welt. Der DJ lebt. Auch wenn er nur im Vorprogramm zu sehen war und nicht mehr auf der Bühne steht, wenn Faithless ihn beschwören.