Kunstausstellung

Das MoMA kommt wieder nach Berlin

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Gabriela Walde

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Das MoMA bietet schon immer Kunst mit Signalwirkung. Nun kommt die erfolgreiche Ausstellung zum zweiten Mal nach Berlin. Sie zeigt auch viele deutsche Künstler. Besucherschlangen sind schon vorprogrammiert.

Sagt man MoMA, weiß jeder sofort Bescheid in Berlin. Das Museum of Modern Art löste im Sommer 2006 einen wahren Ansturm auf die Neue Nationalgalerie aus: 1,2 Millionen Besucher standen, saßen und lagen in sich windenden Schlangen, mit und ohne Picknick, rund um den Glasbau. Nur um 220 Gemälde und Skulpturen von Picasso bis Pollock aus dem hochkarätigen New Yorker Bestand zu bestaunen. Nun kommt das MoMA wieder in die Hauptstadt, nicht in die Nationalgalerie diesmal, sondern in den Martin-Gropius-Bau, nicht mit Malerei, sondern mit einer beim Publikum eher weniger geschätzten Gattung, nämlich die der Zeichnung. Dabei hat diese kleine, oft sehr ästhetische Form einen Vorzug: eigentlich 8alle Künstler haben sie im Laufe ihrer Karriere genutzt.

Das MoMA weiß um seine Signal-Wirkung. Wenn das Haus hier ausstellt, ist Erfolg programmiert – MoMA-Effekt nennt man das. Und natürlich hatte auch Gereon Sievernich, Chef des Gropius-Baus, keine schlaflose Nacht, als er den Leihvertrag unterschrieb. „MoMA ist wie ein Qualitätssiegel, da gibt es nur sehr gute Ausstellungen.“ Ein zusätzlicher „Botschafter“ ist wohl Klaus Biesenbach, der einst in der Auguststraße die Kunstwerke aufbaute und heute in New York Chef-Kurator ist. Auch Christian Rattemeyer, Kurator der Ausstellung und zuständig am Departement Zeichnungen, ist Deutscher. Rattemeyer kennt das Kreuzberger Haus gut, denn das MoMA hat schon in den vergangenen Jahren für etliche Ausstellungen Leihgaben zur Verfügung gestellt. Die Kontakte stimmen also.

„Kompass – Zeichnungen aus dem MoMA New York“, so wird die Schau heißen, die in genau einer Woche, ab 11. März, eine Auswahl von über 250 Arbeiten von 120 Künstlern zeigen wird. Die Blätter stammen allesamt aus der Sammlung mit dem langen Titel „Judith Rotschild Foundation Contemporary Drawing Collection“.

Privatsammlung aus Obsession

Ihre Entstehung ist kurios: Judith Rothschild war selbst Künstlerin, sie gehörte zu den American Abstract Artists, und als sie 1993 mit 71 Jahren starb, hinterließ sie mit 20 Millionen Dollar eine schöne Summe. Mit einer obsessiven Voraussetzung: Stiftungsverwalter Harvey S. Shipley Miller durfte die Dollars ausschließlich für den Aufbau einer Zeichnungskollektion ausgeben, die später als Schenkung an das MoMA gehen sollte. Das geschah in den Jahren 2003 bis 2005 mit Hilfe vieler internationaler Galeristen und Scouts, die weltweit nach interessanten Blättern „fahndeten“. Zu den „Fahndungszentren“ zählten: New York, Los Angeles, London, Glasgow sowie in Deutschland das Rheinland mit Köln und Düsseldorf der 60er bis 80er Jahre – und natürlich Berlin als derzeitigem Zentrum der äußerst vitalen Kunstproduktion. Mrs. Rothschild, die sich selbst der Collage verschrieben hatte, hatte natürlich klare Vorstellungen formuliert, was gekauft und zusammengestellt werden sollte: ein Panorama der Zeichnung als künstlerisches Medium, mit dem Schwerpunkt Zeitgenossenschaft – und in all seinen materiellen Ausdrucksformen. Wobei sie dem Begriff Zeichnung keine Grenzen setzen wollte: Studien, Skizzen, vollendete Monumentalarbeiten, feinsinnige Konstruktionen, spontanes Gekritzel ohne Absicht auf Vollendung. Auch die Techniken und Materialien sind vielfältig: Sie reichen von Assemblagen, Collagen und Frottagen zu Bleistift, einfachen Wasserfarben und Gouachen hin zu Naturstoffen wie Erde, Ruß oder Körperflüssigkeiten. Offenbar lag es Rothschild daran zu zeigen, wie sich die Zeichnung aus ihrer „Dienerfunktion“ der Malerei gegenüber befreit und radikal ihre Möglichkeiten ab Anfang des 20. Jahrhunderts bis jetzt erweitert hat. Am Ende kam das Rothschild-Team auf 2600 Arbeiten auf Papier von rund 600 Künstlern.

Herausgekommen ist ein beachtlicher, ja famoser Kosmos. Minimalistisches neben Abstraktem, Figürliches neben Konzeptionellem. Dort ein glühend-orangefarbenes Farbtableau von Cy Twombly, da ein unglaublich fragiler, hingehauchter Akt („Thirty Years Old“) der jungen Amerikanerin Chloe Pine oder ein Matthew Barney mit einer verrückten „Ursula“ (2003), die aussieht, als hätte man sie in drei Eierschachteln verfrachtet. Auch die deutschen Künstler sind stark vertreten: mit Neo Rauch, Sigmar Polke, Georg Baselitz, Blinky Palermo, Hannah Darboven, Gerhard Richter, Martin Kippenberger, Thomas Schütte, Rosemarie Trockel, Albert Oehlen, Markus Lüpertz, Jörg Immendorff, A.R. Penck. Zu den Schlüsselfiguren zählt Joseph Beuys, der viele Künstler der Gegenwart beeinflusst hat. Jedes deutsche Museum kann von einem derart dichten und facettenreichen Fundus nur träumen. Zu den Ikonen des 20. Jahrhunderts zählen Künstler wie Bruce Nauman, Edward Ruscha, Paul McCarthy oder eben Cy Twombly. Viele Künstler, darunter Amelie von Wulffen oder Nick Mauss, erhielten auf diese Weise die hohe Adlung des renommierten Hauses in der 53. Straße. Im MoMa wurde seinerzeit die Annahme der Schenkung heftig diskutiert. Kritiker meinten, in die Kollektion des MoMA gehörten ausschließlich Meisterwerke. Andere Aspekte wie der Austausch und Einfluss der Künstler, die Vielfalt der Gattung oder ein künstlerisches Umfeld wären dabei nicht zu berücksichtigen. Oder auch Künstler, die nie Kultstatus haben werden, aber eine interessante Rolle spielen. Die Kritiker haben nicht gesiegt.

In der Gegenwart angekommen

Gut so. Denn so sehen wir junge Künstler wie Nate Lowman, der ungeniert in den (erotischen) Bilderwelten von Magazinen und Zeitungen stöbert und in seinen Blättern einfach nur zeigt, wie Bilder heute unbekümmert konsumiert und weiterverarbeitet werden. Damit ist das MoMA ganz in der Gegenwart angekommen – und somit auch in Berlin.