Gourmetspitzen

Ein Japaner, zu dem auch Japaner gerne gehen

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Foto: Amin Akhtar

Das Yoshioka in Wilmersdorf ist nicht gerade leicht zu finden. Die Atmosphäre ist eher kühl, die Gerichte überzeugten Gastro-Kritiker Heinz Horrmann jedoch schnell.

Es ist gewiss ein positives Signal, wenn die in Berlin beschäftigten Japaner zum Speisen in ein bestimmtes Restaurant gehen, wo sie ihre unverfälschte, besser, nicht europäisch frisierten Gerichte bekommen. Ein gutes Beispiel dafür ist das Yoshioka in der Brandenburgischen Straße. In der absolut größten internationalen Restaurant-Auswahl Deutschlands ist Berlin bei den japanischen Restaurants eher dünn besetzt. Natürlich gibt es etliche Sushi-Bars und ein bekanntes Kettenrestaurant, aber individuelle Top-Küchen findet man nicht viele. Also habe ich mich auf die Spuren der Japaner begeben und war zu Gast in diesem Familienbetrieb, dem Yoshioka.

Nicht leicht zu finden dieses Restaurant, eher versteckt und unscheinbar, und das Ambiente schreckt ab. Weiße Wände, kein Schmuck, keine Tischwäsche , und mit dem alten Mobiliar ist das für mich eine Mischung aus Tante Ernas Hinterzimmer-Kneipe mit dem Charme eines Tiefkühllagers. Die zweite Höflichkeits-Prüfung folgt für den Gast auf dem Fuße, jetzt weiß ich, warum Geduld und stoische Ruhe zum typisch japanischen Erscheinungsbild gehören. Eine einzige Bedienung flitzte durch die beiden miteinander verbundenen Räume, und nach einer langen Zeit nahm die Bedauernswerte dann auch unsere Bestellung auf. So hatte ich lange genug Zeit, mich durch die extrem umfassende Speisekarte von der Stärke einer Geisha-Dokumentation zu lesen. Weil Japan ein Archipel ist, spielen Fisch und Meeresfrüchte eine extrem wichtige Rolle. Diese ganze Palette bietet das Yoshioka, wo der Chef selber in der Küche steht.

Eine ganze Seite nur für Suppen

Erstklassig war die Qualität des rohen Fischs beim Sashimi, traditionell mit eingelegtem Ingwer und Wasabi kombiniert, wahlweise auch mit Avocado oder eingelegtem scharfen Chinakohl. Auch der Oktopus mit Seetang und sauren Gurken bot ein harmonisches Geschmacksbild, auch wenn das natürlich noch keine große Kochkunst darstellt. Interessant für mich, dass die Gäste aus Fernost alle auch eine Suppe in ihrer Speise-Auswahl hatten. Davon bietet das kleine, preiswerte Restaurant gleich eine ganze Seite der Karte. Am beliebtesten war die Suppe mit dicken Weizennudeln und gebratenem Tofu in Fischfond. Was ich bisher noch nie erlebt habe, war die Hühnerbrühe mit Nudeln und aufgeschnittenem Schweinebraten. Kaum überraschend dagegen die Sushi-Vielfalt. Kreativ die Varianten, herausragend die spezielle Hauskombination von Nigiri und Uramaki.

Ausgesprochen gerne esse ich Tempura, wenn es gut gemacht ist. Garnelen und Gemüse müssen in dünner Teighülle kross frittiert sein. In diesem Restaurant gibt es die kleinen Leckereien als Zwischengang mit einer Garnele und Gemüse oder umfangreich als Hauptspeise. Auch hier muss ich sagen, die Qualität war erstklassig. Kritikwürdig lediglich die dazu gereichte (langweilige) Sauce, aber da kann man ja mit Soja und Wasabi nach eigenen Vorstellungen operieren. An Gerichten, die verstärkt handwerkliche Qualität verlangen, gibt es nur die erwartete klassische Japan-Liste. Teriyaki-Ente, gegrillter Lachs, gebratenes Schweinefleisch mit Ingwersauce oder panierte Hühnerschenkel gebacken, auch in der Pfanne gebraten in Teriyaki-Sauce. Übrigens ist die Ente auch hier das beliebteste Geflügel-Produkt.

Ohne das japanische Grundnahrungsmittel geht es nicht

Das japanische Grundnahrungsmittel, Basis fast jeder Mahlzeit habe ich noch nicht erwähnt: Reis. Der gekochte Reis, meshi genannt, wird zu fast allen Gerichten serviert. Er ist perfekt gegart und auch für Stäbchen griffig. Das hat die japanische Küche mit den Gerichten anderer ostasiatischer Länder gemeinsam. Der bedeutende Unterschied ist wohl die sparsamere Verwendung von Öl und Gewürzen in der Nippon-Philosophie. Der Eigengeschmack der frischen Produkte soll stets deutlich im Vordergrund stehen. Der japanische Begriff Bento bezeichnet eine Mahlzeit aus verschiedenen Komponenten, die in einer speziellen kleinen Box aus lackiertem Holz angerichtet sind. Üblicherweise sind das eingelegte Gemüse, Fisch oder Fleisch und Reis in getrennten Fächern. Das war eine beliebte Auswahl, die gleich eine ganze Gruppe am Nebentisch geordert und genossen hat.

Bei den Algen- und Seetang-Salaten wird oft gepfuscht, hier waren die Portionen wie der gemischte Blattsalat ausgewogen gewürzt. Nicht ohne Grund haben die meisten Japaner keine Gewichtsprobleme. Eine großartige Weinkarte erwartet hier wohl keiner. Es gibt ein paar sehr einfache offene Kreszenzen und ein paar Flaschen zur Auswahl. Zumeist wird japanisches Bier und Sake geordert. Zur Weinpflege muss man allerdings sagen, dass der einfache Flächen-Chardonnay aus Burgund perfekt gekühlt serviert wurde.

Es war nicht mal eine späte Stunde, da gab es keinen freien Tisch mehr im Yoshioka. Das spricht für sich und ist gewiss ein Kompliment für die Küche. Wer für recht kleines Geld die großen Variationen dieser Genuss-Richtung erleben möchte und nicht viel Wert auf Ambiente und Atmosphäre legt, ist hier richtig. Dazu trägt auch die unermüdliche Servicedame bei, die nahezu im Dauerlauf unterwegs war und dabei nie ihr Lächeln verlor.