Deutschstunde

Sprache ist weder Männchen noch Weibchen

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Peter Schmachthagen

Foto: Federico Gambarini / dpa

Zum „kleinen Unterschied“ trägt sie nur so viel bei, dass der Gender-Wahn immer absurdere Züge annimmt, sagt Peter Schmachthagen.

Als nach der Kreuzigung und der Wiederauferstehung Jesu bei den Jüngern in Jerusalem Pfingsten, also der 50. Tag nach Ostern, erreicht war, erhob sich ein Brausen, und es fielen Zungen wie Feuer vom Himmel. Die Jünger erhoben sich und fingen an zu predigen. Sie hatten den Heiligen Geist empfangen. Was heute zwar nicht vom Himmel, aber in die Sprache fällt, ist nicht der Heilige Geist, sondern der ganz und gar unheilige Gender-Wahn, bei dem die Feministinnen Feuer und Flamme sprühen, um alles Männliche aus der Sprache zu tilgen, so, als hätten sie es dem lieben Gott immer noch nicht verziehen, dass er Adam und Eva angeblich in der falschen Reihenfolge erschaffen hat.

Besonders im Kommen ist dieser ­Tage das Gendersternchen (*), das zwischen Wortstamm und weibliche Endung -innen gesetzt wird („Mitglieder*innen“), um anzudeuten, dass nicht nur Mann und Frau, sondern alle anderen gefühlten, geänderten und umgewandelten inter- und transsexuellen Geschlechter gemeint sind.

Der Rat für deutsche Rechtschreibung, der Empfehlungen für die Schreibweise der Wörter ausspricht (bitte nicht „Worte“, wie es in der Mitteilung heißt), will in seiner Sitzung am 8. Juni über die geschlechtergerechte Sprache beraten und unter Umständen auf die Aufnahme des Gendersternchens in den Duden drängen.

Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) ist jedenfalls begeistert von diesem Vorschlag, wie sie in einem Interview kundtat. Die Genderdebatte habe viel dazu beigetragen, unseren Blick auf andere Identitäten und Lebensformen zu entspannen. „Sprache sagt viel darüber aus, wie eine Gesellschaft tickt und zusammenhält“, erklärt die Ministerin. In der Tat, Sprache sagt viel darüber aus, wie jemand tickt.

Der Fehler der Kampagne liegt in der Verwechslung von grammatischem und natürlichem Geschlecht. Man unterscheidet drei Genera (grammatische Geschlechter): Maskulinum, Femininum, Neutrum. Das im Allgemeinen mit jedem Substantiv verbundene Genus wird vor allem durch den Artikel angezeigt: der Kopf, die Nase, das Ohr. Von dem grammatischen Geschlecht ist das natürliche Geschlecht (Sexus; männlich, weiblich, weder männlich noch weiblich: sächlich) zu unterscheiden.

Die grammatisch und etymologisch markierten Genera sind eine Zuordnung, die mit den biologischen Geschlechtern der Schöpfung oder der Evolution erst einmal nicht das Geringste zu tun haben. Wer das missachtet und über die Gleichsetzung der Artikelwörter mit sexistischer Bedeutung nicht hinausgekommen ist, dürfte eigentlich ganz zufrieden sein: 46 Prozent der deutschen Hauptwörter sind feminin, nur 34 Prozent maskulin und 20 Prozent neutral. Da hierbei das Femininum uneinholbar führt, verstehe ich die Aufregung der Feministinnen und Gender-Kämpfer*innen ohnehin nicht.

Das generische oder verallgemeinernde Maskulinum ist die Verwendung maskuliner Formen, ohne dass man mit diesen Formen etwas über das natürliche Geschlecht (den Sexus) aussagen will. Ein generisches Maskulinum bezeichnet weibliche und männliche Personen oder andere Lebewesen gemeinsam: Keiner hat das gesehen. Jeder muss sein Schicksal tragen. Unser Betrieb beschäftigt 420 Mitarbeiter. Dementsprechend wäre ein generisches Femininum also eine grammatische Form, die ohne biologischen Bezug alle drei Genera umfasst, zum Beispiel die Person. Falls ich als eine Person bezeichnet werden sollte, laufe ich als Mann ja auch nicht gleich zum Gericht.

Das grassierende Gendern sexualisiert die Sprache, es missbraucht die Sprache. Denn die Sprache ist weder Männchen noch Weibchen. Zum „kleinen Unterschied“ trägt sie nur so viel bei, dass man über ihn sprechen und schreiben kann. Zum Schutz von Menschenrechten taugt das Gendern nicht (Helmut Glück in der „FAZ“).

deutschstunde@t-online.de

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