Berlin. Nach den Vorwürfen von Ex-Flughafenchef Mühlenfeld will die Berliner FDP den Regierenden Bürgermeister vor den BER-Ausschuss zitieren.

Wenn ein früherer Spitzenmanager nach seinem Rauswurf schlecht über seinen Aufsichtsrat spricht, dann mag das auch mit verletzter Eitelkeit zu tun haben. Was jedoch der ehemalige Flughafenchef Karsten Mühlenfeld in der letzten Sitzung des Untersuchungsausschuss zum BER im Berliner Abgeordnetenhaus über das Agieren des damaligen Aufsichtsratsvorsitzenden Michael Müller sagte, hat die FDP dermaßen aufgeschreckt, dass sie nun so schnell wie möglich den Regierenden Bürgermeister vor den Ausschuss zitieren möchte.

Denn Mühlenfelds Vorwürfe sind erheblich. Der heutige Manager der irischen Billigfluglinie Ryanair hatte sich nämlich nicht nur darauf beschränkt, abweichend von der politischen Linie der Berliner rot-rot-grünen Koalition die Offenhaltung des Flughafens Tegel zu fordern. Mittelfristig brauche Berlin mehr als die zwei Start- und Landebahnen, die der BER nach seiner für den Herbst 2020 angestrebten Eröffnung bieten werde, so Mühlenfeld.

Wie ein Obergeschäftsführer soll Müller agiert haben

Mühlenfeld berichtete auch von Vorgängen, die nach Ansicht der FDP womöglich gegen die im Aktienrecht festgelegten Pflichten eines Aufsichtsratsvorsitzenden sowie gegen den deutschen Corporate-Governance-Kodex verstoßen, also gegen die Regeln zur ordnungsgemäßen Führung von Unternehmen.

„Der Regierende Bürgermeister ist durch die Aussagen von Herrn Mühlenfeld belastet“, sagte FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja. „Daraus ergeben sich auch rechtliche Bewertungen.“ Zumal die vom Ex-Flughafenchef beschriebenen Vorgänge sich 2016 abgespielt hätten, also im Jahr der letzten Abgeordnetenhauswahl und im Vorfeld des Volksentscheids zur Offenhaltung des Flughafens Tegel.

Czaja will nun von Müller wissen, ob er denn wirklich außerhalb der Aufsichtsratssitzungen nie mit Mühlenfeld unter vier Augen gesprochen und das seinem damaligen Staatssekretär Engelbert Lütke Daldrup überlassen habe. Lütke Daldrup rückte nach dem Rauswurf Mühlenfelds selbst an die Spitze der Flughafengesellschaft vor. Zuvor soll der Sozialdemokrat noch mit dem geschassten Mühlenfeld dessen Aufhebungsvertrag verhandelt haben, den Müller als Aufsichtsratschef lediglich unterzeichnete. Auch hierzu möchte die FDP Müllers Version hören.

Zudem soll der Regierende Bürgermeister etwas dazu sagen, ob er wie von Mühlenfeld behauptet, tatsächlich als eine Art „Obergeschäftsführer“ in die Flughafengesellschaft hineinregiert und gewünschte Organisationsveränderungen und Personalentscheidungen blockiert habe. Und auch die Frage, was es denn mit Mühlenfelds Aussage auf sich habe, wonach Lüdke Daldrup in seiner damaligen Funktion als Flughafenkoordinator Berlins eigene Mitarbeiter auf der Baustelle gehabt habe, die sogar an Baubesprechungen teilgenommen hätten, sollte geklärt werden. Die FDP treibt zudem um, ob es tatsächlich wie von Mühlenfeld ausgeführt schon im Sommer 2016 dem Aufsichtsrat bekannt gewesen sei, dass er mit der Arbeit des Technikchefs Jörg Marks unzufrieden gewesen sei. Als Mühlenfeld Marks nach dem Bekanntwerden weiterer Bauverzögerungen schließlich loswerden wollte, führte das im März 2017 zu seinem eigenen Rauswurf. Müller und der Aufsichtsrat sahen das Vorgehen des Managers als Vertrauensbruch an.

Aus Sicht des FDP-Politikers Czaja lassen all diese Aussagen an den Fähigkeiten des früheren Aufsichtsratschefs Müller zweifeln. „Die Koalition sollte ein Interesse daran haben, dass sich diese Zweifel nicht verfestigen“, warb Czaja um Zustimmung von SPD, Linken und Grünen, die bisher wahrscheinlich im Juni anstehende Vernehmung Müllers im Untersuchungsausschuss vorzuziehen. Am heutigen Freitag wird sich das Gremium wie bei internen Verfahrensfragen üblich hinter verschlossenen Türen mit dem Anliegen befassen, ehe dann unter anderem der einstige Technik-Chef Marks als Zeuge gehört wird. Die Koalition dürfte den Wunsch der FDP jedoch ablehnen. Man folge einer zwischen allen Fraktionen abgestimmte Zeugenliste, sagte der SPD-Obmann Jörg Stroedter. Es gebe keinen Grund, jetzt kurzfristig Michael Müller vorzuladen. Eine von FDP und CDU gewünschte Sondersitzung des Ausschusses könne es zwar geben. Um diese einzuberufen, reiche eine Minderheit der Stimmen aus. „Aber die Tagesordnung dieser Sitzung werden sie nicht bestimmen können“, stellte Stroedter klar. So könnte es passieren, dass sich die Abgeordneten zwar zu einer Sondersitzung treffen, dort aber nichts zu besprechen hätten und wieder nach Hause gehen.

SPD: Der FDP geht es nur darum, Tegel offen zu halten

Aus Sicht der SPD geht es der FDP auch gar nicht darum, die Probleme beim BER aufzuklären. Ziel sei nur, die Frage der nach ihrer Meinung zu geringen Passagierkapazitäten am BER zu thematisieren und für einen Weiterbetrieb Tegels zu werben, ist Stroedter überzeugt. Ein Indiz dafür sei, dass am Freitag auch der Staatssekretär im Bundesinnenministerium Gunther Adler gehört wird. Dieser solle offenbar darlegen, wie die Kapazitäten am BER noch einmal schrumpfen würden, wenn der Bund ab 2023 neben dem alten Abfertigungsgebäude in Schönefeld seinen eigenen Regierungsterminal für die Flugbereitschaft der Bundeswehr mit ihren 14 Jets errichten werde. Dafür müssen Leichtbauhallen weichen, in denen derzeit noch die zivilen Fluggäste abgefertigt werden.

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