Viele Maschinen halten sich in Berlin nicht an Flugrouten. Laut Flugsicherung liege das am Wetter. Doch der CDU-Politiker Steffel bezweifelt, dass dies allein zu derartig vielen Abweichungen führt.

Die zahlreichen Abweichungen von den Flugrouten in geringer Höhe, die der interaktive Flugroutenradar der Berliner Morgenpost nachweist, haben zu Kritik geführt. „Es kann nicht sein, dass die Anwohner rund um den Flughafen Tegel noch mehr als ohnehin schon unter dem Fluglärm leiden müssen“, sagte Frank Steffel, Bundestagsabgeordneter der CDU für den Bezirk Reinickendorf. „Damit muss Schluss sein.“ Die zahlreichen Abweichungen von den festgesetzten Routen am Flughafen Tegel dürften nicht einfach hingenommen werden, so der CDU-Politiker.

Rund 800 Mal waren Maschinen in den vergangenen drei Jahren abgedreht, ohne die festgelegte Höhe erreicht zu haben. „Bei allen bisher untersuchten Fällen waren Sicherheitsgründe ausschlaggebend, davon waren die meisten vom Piloten gemeldete Schlechtwettergebiete“, begründet der Sprecher der Deutschen Flugsicherung (DFS), Stefan Jaekel, die Abweichungen. „Wenn unsere Lotsen von Piloten mit einer Anforderung zum Abdrehen konfrontiert werden und diese mit einem sicherheitsrelevanten Aspekt begründet wird, wird deren Berechtigung natürlich nicht angezweifelt“, so Jaekel. Schließlich seien Piloten für ihr Flugzeug verantwortlich.

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In den kommenden Monaten müssen deshalb Flughafen-Anwohner außerhalb der Einflugschneisen verstärkt mit Flugzeugen rechnen, die über ihre Häuser fliegen. Nach Auskunft der Deutschen Flugsicherung wird ein Großteil dieser Flüge in niedriger Höhe über der Stadt und außerhalb der vorgesehenen Flugrouten durch Schlechtwetterzonen verursacht. Dass Airlines auf solche Abkürzungen drängen, davon wollte der DFS-Sprecher nichts wissen.

Steffel zweifelt an Abweichungen aus Wetter-Gründen

Der Berliner Bundestagsabgeordnete Frank Steffel sagte hingegen, er könne sich kaum vorstellen, dass derartig viele Abweichungen nur aufs Wetter zurückzuführen seien. „Denn wenn die Piloten früher abdrehen, verkürzt sich der Flug, und die Fluggesellschaften sparen Kerosin.“ Diese Sparmaßnahmen würden die Fluggesellschaften auf dem Rücken der Anwohner austragen.

Auch bei anderen Parteien stoßen die abweichenden Routen auf Unverständnis. „Es ist nicht in Ordnung, dass jeder da langfliegt, wo er will“, sagt Andreas Otto, Abgeordneter der Grünen: „Wenn man bedenkt, dass die Routen geografisch eigentlich streng festgelegt sind, muss man sich fragen, ob das nur ein Scherz ist.“ Auch Klaus Lederer zweifelt an der Relevanz von Flugrouten, wenn sie nicht eingehalten werden. „Sie sind dafür da, Umwelt- und Lärmschutz sowie die Vermeidung von Flugunfällen zu gewährleisten“, sagt der Landesvorsitzende der Linken.

Wie berichtet, sind von diesen „Tiefflügen“ vor allem Wohngebiete außerhalb der festgelegten Flugrouten wie Borsigwalde, Wittenau, Wilhelmsruh, Schönholz, Weißensee, Wilhelmstadt und Hakenfelde betroffen. Anwohner hatten deshalb vermutet, dass die Piloten Abkürzungen fliegen, um Kerosin und Zeit zu sparen. Um den Flughafen Schönefeld herum hatten Anwohner vor allem in den Ortsteilen Altglienicke, Grünau, Bohnsdorf, Friedrichshagen sowie Marienfelde und Lichtenrade ganz ähnliche Beobachtungen gemacht. „Die Daten zeigen, dass die in mühsamen Abwägungsprozessen und mit Bürgerbeteiligung gefundenen Flugrouten kaum eine Rolle spielen“, sagte Matthias Schubert vom Aktionsbündnis Berlin-Brandenburg der Berliner Morgenpost.

Rettungsflüge dürfen Flugrouten abkürzen

Rettungsflüge oder Transportflüge mit lebenswichtigen Organen dürfen dabei ebenso abkürzen wie durchstartende Maschinen. Insgesamt handelt es sich bei den ungewöhnlich früh abkürzenden Maschinen um etwa 0,1 Prozent aller Flüge in den vergangenen drei Jahren, also knapp einem pro Tag. Doch sorgen genau diese bei Anwohnern für Verärgerung.

Die Vorschrift sieht eigentlich vor, dass kleinere Maschinen von den Fluglotsen ab einer Höhe von 3000 Fuß (etwa 900 Meter) Freigaben zum Abdrehen erhalten. Bei größeren Flugzeugen erfolgt dies nach 5000 Fuß (etwa 1500 Meter). „Dabei handelt es sich sogar um eine freiwillige Selbstverpflichtung der DFS aus Lärmschutzgründen“, sagt Jaekel. Eigentlich müsse laut der Luftverkehrsordnung lediglich eine Sicherheitsmindesthöhe von 1000 Fuß (rund 300 Meter) über dem höchsten Hindernis in einem Umkreis von acht Kilometern eingehalten werden.

Vor allem im Sommer 2012 hatte demnach die Wettersituation Piloten zu Umwegen gezwungen. Aber auch im vergangenen Jahr kam es zu einer besonders ungewöhnlichen Situation. Am 28. Mai mussten mehrere Passagiermaschinen, darunter Flugzeuge von Air Berlin und Swiss, bereits kurz nach der Startbahn abdrehen. Tatsächlich habe es in den Jahren 2011 und 2012 überdurchschnittlich viele Gewitter gegeben, bestätigt Dieter Hackethal, Meteorologe bei „Wetterkontor“. Diese träten vorwiegend in der wärmeren Jahreszeit auf.

Auch der Bundestag beschäftigte sich mit Flugrouten-Abkürzungen

Bereits 2012 hatte sich sogar der Bundestag mit den Abkürzungen beschäftigt. Beamten des Bundesverkehrsministeriums war aufgefallen, dass an einigen Tagen die Freigabe teils deutlich früher als in der vorgeschriebenen Höhe von 1500 Metern erfolgt war. Sie wollten herausfinden, ob dadurch möglicherweise eine Vorfestlegung für die künftigen Routen des BER erfolgen sollte. Anwohner befürchteten Lärmtests für den neuen Hauptstadtflughafen im Süden der Berlins. Die DFS erklärte auch diese Abweichungen mit zahlreichen Gewittern.

Doch nicht nur die Diskussion um offizielle und tatsächlich geflogene Routen beschäftigt die Berliner. So haben die Grünen das Chaos am BER zur aktuellen Stunde für die Plenarsitzung des Abgeordnetenhauses am Donnerstag angemeldet. „Letzte Woche hielt man noch die Meldung über eine Kostensteigerung auf bis zu acht Milliarden Euro und einen Starttermin nach 2016 am BER für einen Aprilscherz. Doch offensichtlich ist die Lage in Schönefeld noch schlimmer als bislang gedacht. Was geht am BER vor und vor allem, wann geht es endlich voran?“, begründet Ramona Pop, Grünen-Fraktionschefin den Vorstoß. „Wir erwarten, dass die Geschäftsführung auf der Aufsichtsratssitzung am Freitag endlich einem belastbaren Zeit- und Kostenplan vorlegt“, so Pop.