Hunderte Maschinen weichen an den Berliner Flughäfen von den vorgeschriebenen Flugrouten ab, ohne die festgelegte Höhe erreicht zu haben.

Die Flugrouten über Berlin werden nicht eingehalten – oft selbst dann nicht, wenn die vorgeschriebene Flughöhe noch gar nicht erreicht ist. Das belegen Auswertungen der Flugbewegungen aus dem interaktiven Flugroutenradar der Berliner Morgenpost. Demnach bewegen sich Flugzeuge auf Routen, die so eigentlich nicht immer vorgesehen sind. Mehr als 800 Mal nahmen Piloten in den vergangenen drei Jahren Abkürzungen in viel zu geringer Flughöhe über Berlin.

Grundlage für die Untersuchung lieferte die Datenbank des Flugroutenradars, der Flugbewegungen von rund 96 Prozent aller Flüge der Berliner Flughäfen Tegel und Schönefeld erfasst. Wie etwa den Air-Berlin-Flug nach Köln am 28. Mai 2013: Nur wenige Hundert Meter hinter der Startbahn drehte der Airbus bereits ab und überflog mit großer Lautstärke die Gegend zwischen Borsigwalde und Wittenau – ein Wohngebiet außerhalb der festgelegten Flugrouten. Ähnliche Beobachtungen melden auch Anwohner in den Ortsteilen Wilhelmsruh, Schönholz, Weißensee, Wilhelmstadt und Hakenfelde. Im Einzugsgebiet von Schönefeld waren dagegen vor allem die Ortsteile Altglienicke, Grünau, Bohnsdorf, Friedrichshagen sowie Tempelhof, Marienfelde und Lichtenrade betroffen.

>> Zur Anwendung – Wo Flugzeuge in Berlin viel zu tief fliegen

Im Prinzip ist das Abweichen von den festgelegten Flugrouten auch nicht verboten. Allerdings gibt es dafür Vorschriften. So dürfen kleinere Maschinen von den Fluglotsen ab einer Höhe von 3000 Fuß (etwa 900 Meter) auf ihre Zielrichtung gesetzt werden. Bei größeren Flugzeugen erfolgt dies nach 5000 Fuß (etwa 1500 Meter). „Dies ist eine DFS-weite grundsätzliche Regelung“, so der Sprecher der Deutschen Flugsicherung (DFS), Stefan Jaekel. Wollen die Piloten davon abweichen, müssten sie bei den Fluglotsen eine Einzelfreigabe beantragen. Gewährt würden diese, wenn aus Sicherheitsgründen ein Schlechtwettergebiet umflogen werden müsse. Auch Rettungs- oder Transportflüge mit lebenswichtigen Organen könnten Gründe sein.

Vorgeschriebene Höhe oft noch nicht erreicht

Die Auswertungen der Berliner Morgenpost zeigen aber, dass Flüge für große Passagiermaschinen häufig sogar dann schon freigegeben werden, wenn die vorgeschriebene Höhe noch nicht erreicht wurde. Durchschnittlich sind die ausgewerteten Flüge etwa im Jahr 2013 bereits bei knapp 1000 Metern Metern abgebogen. Darunter auch Fälle, bei denen größere Maschinen wie eine A320 bereits in einer Höhe von rund 700 Metern abgekürzt haben. Die Flugzeuge sind dann so niedrig, dass sie für die Bürger deutlich zu hören sind. „Bei fast allen bisher untersuchten Fällen, waren Sicherheitsgründe ausschlaggebend“, begründet Jaekel die Abweichungen.

„Die Daten zeigen, dass die in mühsamen Abwägungsprozessen und mit Bürgerbeteiligung gefundenen Flugrouten kaum eine Rolle spielen“, kritisiert Matthias Schubert vom Aktionsbündnis Berlin-Brandenburg. Es gebe viel zu viele Freigaben. Denn zu den Flügen unter 1500 Metern Höhe gesellten sich noch unzählige, die zwar höher, aber genauso abseits der festgelegten Routen seien. Es entstehe eine Belastung, die nicht mit einem demokratisch steuerbaren Verfahren beeinflussbar sei. „Hier ist der Gesetzgeber gefragt“, so Schubert.

Korrektur: In einer früheren Version war von Flugrouten die Rede, „die eigentlich verboten sind“. Die Formulierung wurde relativiert. Denn laut der Luftverkehrsordnung muss lediglich eine Sicherheitsmindesthöhe von 1000 Fuß (rund 300 Meter) über dem höchsten Hindernis in einem Umkreis von acht Kilometern eingehalten werden. Bei der Höhengrenze, die diesen Auswertungen zugrunde liegt, handelt es sich um eine freiwillige Selbstverpflichtung der DFS. Außerdem wurde ein Zitat des DFS-Sprechers ergänzt.