Am neuen Berliner Flughafen BER wird es keine weitere Beschränkung der Nachtflugregeln geben. Das Land Brandenburg hat seine Bemühungen aufgegeben, eine Ruhezeit von 22 bis sechs Uhr durchzusetzen. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) räumte am Montag bei einem eilig angesetzten Presse-Statement in Potsdam das Scheitern ein.
„Eine einvernehmliche Lösung mit dem Bund und Berlin auf eine Ausweitung des Nachtflugverbots ist nicht erreichbar“, sagte Woidke. Die anderen Gesellschafter hätten „unmissverständlich“ klar gemacht, dass sie eine Änderung des Planfeststellungsbeschlusses ablehnen. „Das war eine klare Ansage“, sagte Woidke.
So bleibt es weiter an der höchstrichterlich festgesetzten Ruhezeit zwischen 24 und fünf Uhr, wobei in den Randzeiten zwischen fünf und sechs sowie 23 und 24 Uhr Starts- und Landungen nur eingeschränkt möglich sind. In Brandenburg hatte der Landtag sich das Anliegen eines Volksbegehrens für eine Nachtruhe zwischen 22 und sechs Uhr zu eigen gemacht und die Landesregierung beauftragt, darüber mit den anderen Gesellschaftern zu verhandeln.
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Als Kompromiss regt Brandenburg nun an, dass die Flughafengesellschaft freiwillig am Morgen darauf verzichtet, Flieger zwischen fünf und sechs Uhr starten zu lassen. Diese Regelung könnte der Flughafen in einem Modellversuch fünf Jahre lang erproben, ohne dass die Betriebsgenehmigung und die Planfeststellung für den BER geändert werden müssten, argumentieren die Brandenburger. Die Luftfahrtbehörde könnte dazu im Einvernehmen mit der Aufsicht des Bundesverkehrsministers ihre Zustimmung erteilen.
Die Flughafengesellschaft müsste einige Flüge verlegen oder im Notfall streichen. Für den BER wurden vor der abgesagten Eröffnung 2012 vier Flugbewegungen zwischen fünf und sechs Uhr vorgesehen. Die Prognose für das Jahr 2020 ging zur Planfeststellung von elf Bewegungen aus, inklusive zu früh eintreffender Jets. Aktuell geht die Flughafengesellschaft für 2025 von acht Flugbewegungen in der fraglichen Stunde aus.
Woidke appellierte an Berlin und den Bund: „Es ist rechtlich und wirtschaftlich machbar“, sagte der Ministerpräsident. Es liege jetzt an den anderen Gesellschaftern, diesen Weg mitzugehen. Für einen Alleingang Brandenburgs zur Änderung der Nachtflugregelung gebe es keine rechtliche Grundlage, erklärte Woidke. Daher wolle Brandenburg seinen Kompromissvorschlag am 7. April bei der Gesellschafterversammlung einbringen. Für Mittwoch hat der Ministerpräsident eine Regierungserklärung angekündigt.
Woidke darf nicht auf Unterstützung der Mitgesellschafter setzen
In Berlin reagierte Senatssprecher Richard Meng zurückhaltend auf den Vorschlag aus Potsdam. Die Nutzung der Randzeiten am BER sei gerichtlich festgelegt. Berlin habe das große Interesse, den BER nicht wirtschaftlich zu belasten. „Wenn Brandenburg neue Ideen hat, dann sollen sie diese in den Gremien der Flughafengesellschaft einbringen“; sagte der Sprecher des Regierenden Bürgermeisters und Aufsichtsratsvorsitzenden Klaus Wowereit, der sich auf Dienstreise in Südamerika befindet.
In der Sache werde man den Wunsch Brandenburgs nach einer neuen Ruhestunde am Morgen nicht bewerten. Man könne gern prüfen, welche Entlastungen für Anwohner im Betriebsablauf möglich würden. „Es wird aber kein festes Flugverbot vor sechs Uhr geben“, sagte Meng: „Das kann ich mir nicht vorstellen.“ Die Flughafengesellschaft zeigte ebenfalls keine Neigung, sich zu bewegen. Ihre Position sei bekannt, hieß es.
Woidke darf demnach nicht auf Unterstützung der Mitgesellschafter setzen. Der Bund und Berlin haben ohnehin mit Befremden zur Kenntnis genommen, wie Brandenburg aus dem Kompromiss zum Nachtflug ausgeschert war. Die rot-rote Koalition in Potsdam steht jedoch wegen der Landtagswahlen im September unter Druck. Nicht wenige im Land sind der Ansicht, dass Brandenburg die Nachtflüge auch alleine als Genehmigungsbehörde ohne Zustimmung der Miteigentümer verfügen könnte.
„Verhandlungsposition Brandenburgs erheblich geschwächt“
In der Brandenburger Landespolitik geriet Woidke mit seinem Vorstoß sogleich in die Kritik. CDU-Fraktionschef Michael Schierack sprach von einem „butterweichen Vorschlag“, der keine Planungssicherheit biete. Der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag, Axel Vogel, sagte, es gebe keinen Grund, hinter der Forderung nach einer Nachtruhe zwischen 22 und sechs Uhr zurückzubleiben, solange nicht alle rechtlichen Mittel ausgeschöpft seien. Indem er seinen Kompromissvorschlag veröffentlichte, habe er „ohne Not die Verhandlungsposition Brandenburgs erheblich geschwächt“.
Der Grünen-Politiker verwies auf ein Gutachten des Sachverständigenrats für Umweltfragen aus der vergangenen Woche. Darin sehen die unabhängigen Experten den Staat in der Pflicht, das menschliche Grundrecht auf Gesundheit zu schützen, und empfehlen dem Gesetzgeber, generell ein Nachtflugverbot von 22 bis sechs Uhr zu gewährleisten.