Pannenflughafen

Gegner der Müggelsee-Route des BER kämpfen unbeirrt weiter

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Jens Anker und Gudrun Mallwitz

Foto: Sergej Glanze / Glanze

Durch die Rüge der EU-Kommission haben die Gegner der geplanten Flugrouten des BER kräftigen Rückenwind erhalten. Nun sammeln sie weitere Argumente für die Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht.

Auf dem Markt von Friedrichshagen ist die Stimmung trotz herannahenden Unwetters ausgesprochen gut. Unter dem Denkmal für den Alten Fritz hat sich am frühen Nachmittag eine recht überschaubare Truppe verabredet. Sie sind so was wie die Heldinnen und Helden von Friedrichshagen. Zumindest sehen sie sich so.

Denn die Frauen und Männer gehören dem Bürgerverein an, der zusammen mit dem Naturschutzbund Nabu und der Grünen Liga Berlin bei der EU-Kommission das Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland durchgesetzt hat. Die Rechtsanwälte Wolfgang Baumann und Franziska Heß aus Würzberg reichten für die Anwohner in Brüssel eine Beschwerde ein, wonach bei der Festlegung der Flugrouten vom künftigen Hauptstadtflughafen BER eine Umweltverträglichkeitsprüfung unterlassen wurde. Und die Anwälte hatten damit Erfolg.

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Was die Rüge der EU-Kommission für das deutsche Luftverkehrsrecht im Allgemeinen und den BER und die Müggelsee-Anrainer im Speziellen bedeutet, weiß bisher allerdings keiner so recht. Ob die Prüfungen für die Flugrouten in Berlin und Brandenburg nachgeholt werden, ist offen. Die Kommission teilte auf Anfrage mit, eine geänderte deutsche Gesetzgebung würde nicht rückwirkend gelten. Im für die Bundesregierung ungünstigsten Fall könnte das Verfahren in einem halben Jahr vor dem Europäischen Gerichtshof landen. Dann müsste die Umweltverträglichkeitsprüfung für die Route über den Müggelsee nachgeholt werden, was zwei Jahre dauern kann. Die Flughafengesellschaft rechnet nicht damit, dass damit die Eröffnung des BER gefährdet wird. Ein Termin dafür steht ohnehin noch nicht fest.

Ein beachtlicher Erfolg für die Anwohner ist die Entscheidung der EU allemal. Architekt Thomas Ludwig, der sich in Friedrichshagener Bürgerinitiative engagiert, sagt: „Wir erhoffen uns davon auch Rückenwind für die Verhandlung vor dem Oberverwaltungsgericht.“ Die Rechtsanwälte Baumann und Heß wollen vor Gericht im Verfahren gegen die Müggelsee-Route am 11. und 12. Juni argumentieren, dass Gerichte die Routen bislang nur unter dem Lärmaspekt geprüft haben. Beim Überfliegen des Sees werde aber auch gegen EU- und nationales Recht verstoßen. Ihr Hauptvorwurf lautet: Für das ausgewiesene Flora-Fauna-Habitat und Vogelschutzgebiet habe es keine Umweltverträglichkeitsprüfung gegeben.

„Es geht nicht nur um ein paar Piepmätze“

Im Planfeststellungsbeschluss waren geradeaus führende Flugrouten vorgesehen. Im Januar vorigen Jahres bestätigte das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) dann aber die von der Deutschen Flugsicherung vorgeschlagenen Flugrouten – trotz der heftigen Bürgerproteste. Die Startroute über den Müggelsee, die bei Ostwind geflogen werden soll, war gewählt worden, um Erkner von der Doppelbelastung durch Anflüge und Abflüge zu entlasten.

Die EU-Kommission kam jetzt zu dem Schluss, dass von den Flugzeugen die Lebensräume von Kranichen und Seeadlern betroffen sein könnten, aber auch bestimmte Arten von Schwänen und Sumpfhühnern. „Es geht nicht nur um ein paar Piepmätze“, sagt Ulrich Sattler. Der Krankenpfleger hat die Bürgerinitiative Friedrichshagen vor zwei Jahren mitgegründet. „Es geht auch um das Berliner Trinkwasser.“ Denn auch die europäische Wasserschutzrichtlinie sei verletzt worden, indem keine Umweltprüfung stattfand. 30 Prozent der Berliner Haushalte würden über das Wasserwerk Friedrichshagen versorgt. „Da hängen 1,5 Millionen Berliner dran.“

Anders als gerne dargestellt, sei die Situation nicht mit dem Tegeler See vergleichbar. „Der Tegeler See wird nicht direkt überflogen“, sagt Sattler. „Außerdem wird das Wasser aus dem Müggelsee sofort als Uferfiltrat ins Trinkwasser geleitet“, so Ralf Müller. Der Architekt ist Planungskoordinator für Großbaustellen.

Die Gegner der Müggelsee-Route verweisen auf Untersuchungen, wonach die Enteisungsmittel der Flugzeuge krebserregend seien und nicht chemisch abgebaut werden könnten. Die Friedrichshagenerin Margrit Lehmberg macht sich deshalb große Sorgen. Sie sagt aber auch: „Wir kämpfen weiter, ich gebe die Hoffnung nicht auf.“ Das sei jeden Einsatz wert. „Kommt die Müggelsee-Route, würden zwischen 650.000 und 850.000 Menschen zusätzlich durch die Flüge belastet.“

Ein Trinkwasserschutzgebiet

„Man wird sehen, inwieweit sich das Oberverwaltungsgericht durch das EU-Verfahren beeindrucken lässt“, sagt die Würzburger Rechtsanwältin Heß. Auch sie verweist darauf, dass durch die geplante Flugroute über den Müggelsee auch die Trinkwasserqualität gefährdet sei. „Zum einen ist eine entsprechende Prüfung nicht geschehen, zum anderen war die Route über den See nicht genehmigungsfähig, da der Müggelsee ein Trinkwasserschutzgebiet ist“, sagt die Anwältin. „Für uns ist die Einleitung des Vertragsverletzungsverfahren die Bestätigung, dass vor Festlegung eines Flugverfahrens über den Müggelsee zwingend eine Umweltverträglichkeitsprüfung hätten durchgeführt werden müssen.“ Sie gehe deshalb davon aus, dass das Vertragsverletzungsverfahren auch in eine Klage zum Europäischen Gerichtshof in Luxemburg endet.“ Außer – der deutsche Gesetzgeber passe die deutschen Vorschriften freiwillig an.

Die Friedrichshagener Interessengruppe ist auf jeden Fall erleichtert. „Wir haben immerhin schon die EU auf unserer Seite“, sagt Thomas Ludwig. Mitstreiter Ralf Müller hat sein Vertrauen in die Behörden und in die Politik zwar schon verloren. Sein Vertrauen in die Justiz bestehe aber noch. Ulrich Sattler glaubt ganz fest: „Wir sind das Waterloo für den BER.“ Keiner in der Runde auf dem Markt widerspricht ihm.

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