Der Flughafen BER ist längst nicht mehr nur ein regionales Problem von Berlin und Brandenburg. Dass der Start des neuen Hauptstadtairports gelinde gesagt holprig ist, wird auch im Rest Deutschlands genau verfolgt. Sogar im Ausland fragen sich Beobachter, was genau auf der Baustelle im Südosten Berlins eigentlich schiefläuft. Da passt es nur ins Bild, dass nun auch noch die EU-Kommission wegen des BER ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einleitet.
Streng genommen geht es dabei gar nicht vordergründig um den neuen Großflughafen. Die EU-Kommission stellt vielmehr infrage, ob das deutsche Luftverkehrsrecht in Einklang mit europäischen Richtlinien ist. Konkret geht es darum, ob bei der Festlegung der Flugrouten immer eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) gemacht werden muss. Beim BER wurde das im Fall der Route über den Müggelsee nicht getan. Und genau darauf berufen sich der Bürgerverein Friedrichshagen sowie die Umweltverbände Nabu Berlin und die Grüne Liga.
Sie haben die Rechtsanwälte Wolfgang Baumann und Franziska Heß von der Kanzlei Baumann aus Würzburg beauftragt, deswegen eine Beschwerde bei der EU-Kommission einzureichen. „Wir haben dort das grundsätzliche Problem mit den Flugrouten anhand der Lage in Berlin dargestellt“, sagt Franziska Heß. In Brüssel hält man die vorgebrachten Einwände zumindest für so nachvollziehbar, dass die Kommission nun ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland einleitet. Im für die Bundesregierung ungünstigsten Fall könnte das Verfahren in einem halben Jahr vor dem Europäischen Gerichtshof in Luxemburg landen.
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Spätestens an der Stelle kehrt das Problem zum BER zurück. Denn dann müsste die Umweltverträglichkeitsprüfung für die Route über den Müggelsee nachgeholt werden. Das dürfte voraussichtlich zwei Jahre dauern. Zwar rechnet die Flughafengesellschaft nicht damit, dass der Streit mit der EU die Eröffnung des BER gefährdet. Aber je länger sich die Auseinandersetzung hinzieht, desto mehr Probleme kommen dazu. So müsste Tegel dann noch länger durchhalten als ohnehin schon. Für die Anwohner im Norden Berlins wäre das eine zusätzliche Belastungsprobe. Vermutlich hätten sie laut dem Fluglärmgesetz ab 2017 sogar Anspruch auf Schallschutz, wenn Tegel dann noch in Betrieb ist. Das würde zusätzliche Kosten in Millionenhöhe verursachen.
Erfolg für die Bürger
Für die Anwohner des Müggelsees ist das Urteil aber erst einmal ein großer Erfolg. Ob Deutschland tatsächlich gegen Umweltgesetze verstoßen hat und die Route über den Müggelsee neu verlegt werden muss, lässt sich zwar noch nicht abschätzen, aber zumindest die Hoffnung für die Bürger, die dort wohnen, besteht.
Denn nach Ansicht der Kommission könnten von den Flugzeugen zum Beispiel die Lebensräume von Kranichen und Seeadlern betroffen sein. Auch bestimmte Arten von Schwänen und Sumpfhühnern könnten womöglich unter dem Luftverkehr leiden. Andreas Otto (Grüne), BER-Experte im Berliner Abgeordnetenhaus, forderte nun die Bundesregierung auf, die Umweltprüfung „schnellstmöglich nachzuholen“.
Nach Ansicht von Ortwin Baier, Bürgermeister von Blankenfelde-Mahlow, gebe es in dieser Frage ohnehin einen kaum lösbaren Zielkonflikt. „Denn entweder kann ich die Menschen oder aber die Vögel und Kröten schützen. Beides zugleich ist an diesem falschen Standort unmöglich.“
Wowereit setzt nun ganz auf den Bund
Im Januar 2012 hatte das Bundesaufsichtsamt für Flugsicherung (BAF) die von der Deutschen Flugsicherung (DFS) vorgeschlagenen Flugrouten weitgehend bestätigt und damit für erheblichen Unmut bei den Bürgern gesorgt. Denn die Routen wichen teils erheblich von denen ab, auf die sich die Anwohner eingestellt hatten. Das kritisierte die EU bereits im Januar. Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) setzt nun ganz auf den Bund. Die Bundesrepublik werde ihre Position vertreten und das werde sicherlich „nicht zum Schaden des Flughafens Berlin-Brandenburg sein“, sagte Wowereit am Donnerstag.
Zumal sich das EU-Verfahren gar nicht mal allein auf den Berliner Flughafen bezieht, sondern auf ein allgemeines deutsches Gesetz zur Flugroutenplanung. Die Auswirkungen könnten daher am Ende auch andere deutsche Flughäfen zu spüren bekommen. „Wir haben ein großes Interesse an einer Klärung dieser Grundsatzfrage europäischen Rechts“, sagte Brandenburgs Regierungssprecher Thomas Braune.
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