Unglücke

Vier Menschen sind bislang auf der BER-Baustelle gestorben

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Helga Labenski

Foto: Patrick Pleul / dpa

Erstmals liegt eine Aufstellung über Unfälle auf der Flughafen-Baustelle vor. Die Ursachen: Leichtsinn, Fahrlässigkeit, Versäumnisse.

Auf der Großbaustelle des künftigen Hauptstadtflughafens BER in Schönefeld sind bereits vier Menschen ums Leben gekommen. Alle vier wurden bei Arbeitsunfällen tödlich verletzt. Bei den Unglücksfällen war teils Leichtsinn im Spiel, teils war aber auch eine unzureichende Überwachung und Planung die Unfallursache.

Das ergibt sich aus der Antwort des Staatssekretärs Farhad Dilmaghani (SPD) auf Anfrage des Abgeordneten Oliver Höfinghoff (Piraten). Erstmals liegt damit eine detaillierte Aufstellung der tödlichen Unfälle auf der BER-Baustelle vor.

Der jüngste Fall ereignete sich am 5. Dezember 2011 und geschah durch eine Mischung aus persönlichem Versagen und fehlenden Sicherheitsvorkehrungen. Ein 44-Jähriger aus Polen war beim Abbau einer Betonverschalung aus etwa zehn Meter Höhe in die Tiefe gestürzt. Er hatte sich nicht angeseilt.

Zugleich machte das brandenburgische Landesamt für Arbeitsschutz (LAS) eine "unzureichende Gefährdungsbeurteilung, eine ungenügende Bauüberwachung sowie die unvollständige und fehlerhafte Rückbauplanung" als Unfallursache aus.

Auf Anordnung der Behörde wurde nach dem Unglück festgelegt, dass täglich ein Bauleiter anwesend sein sollte und die Mitarbeiter mit Absturzsicherungen vertraut gemacht werden. Bereits wenige Monate zuvor, am 11. Mai 2011, war ein 59-Jähriger aus Hamburg bei Abbrucharbeiten acht Meter tief gestürzt.

Arbeitgeber verstieß gegen Pflichten

"Verstöße gegen Arbeitgeberpflichten" stellte das Landesamt auch fest, als am 2. Oktober 2010 ein 51 Jahre alter Arbeiter aus Brandenburg von einer herabfallenden Baggerschaufel am Kopf getroffen wurde, deren Haltebolzen sich gelöst hatte. Das Opfer trug keinen Helm. Zudem habe der Baggerfahrer vorschriftwidrig das Gerät in Betrieb genommen, obwohl sich Menschen in der Nähe aufhielten. Und die Baustellenleitung hätte den Leih-Bagger vor Inbetriebnahme überprüfen müssen. Die Arbeiter seien auch nicht hinreichend eingewiesen worden, wie man diesen Bagger bedient, so die Behörde weiter.

Ein tragisches Unglück geschah bereits am 21. Juli 2009, als ein 49 Jahre alter Ingenieur aus Bayern von einer Gummiradwalze überrollt wurde. Der Fahrer hatte ihn nicht gesehen. Das Opfer hatte sich gegen bestehende Anweisungen beim Führer des schweren Gerätes auch nicht angemeldet. Erst nach dem Unglück wurden an der Walze bessere Rückspiegel installiert.

Kritiker monieren chaotische Verhältnisse auf der BER-Baustelle

Wiederholt hatten in der Vergangenheit Politiker und Gewerkschafter chaotische Verhältnisse auf der BER-Baustelle moniert. Es fehle an Koordination, hieß es. Eine Unzahl von Subunternehmen aus dem In- und Ausland mache geordnete Abläufe oder auch nur eine sprachliche Verständigung schwer möglich. Die Flughafengesellschaft weist jeden Zusammenhang mit den Unfällen zurück.

In allen Fällen sei persönliches Fehlverhalten die Hauptursache, betonte Flughafensprecher Ralf Kunkel am Freitag. Auf dem BER gebe es 50 Prozent weniger Unfälle als auf anderen Großbaustellen. "Diese tödlichen Unfälle sind sehr bedauerlich, aber der BER ist eine vergleichsweise sichere Baustelle", so Kunkel. In Spitzenzeiten waren 6000 Arbeiter auf der größten Baustelle Ostdeutschlands beschäftigt.

Ähnlich schätzt das brandenburgische Arbeitsministerium die Situation ein. Im Jahr 2010 hatte Arbeitsminister Günter Baaske (SPD) auf der BER-Baustelle seinen Arbeitsschutzbericht abgegeben. Die Zahl der bis dahin 119 Arbeitsunfälle, darunter damals zwei mit tödlichem Ausgang, auf der Flughafenbaustelle bezeichneten der Minister und Flughafenvertreter als "unterdurchschnittlich".

Seit Bekanntgabe der Verschiebung des Eröffnungstermins wegen Planungsfehlern ruhen die Arbeiten am BER weitgehend. Beim Landesverband Berlin des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) widerspricht Dieter Pienkny. Der DGB habe seit Langem die "Unkultur der Sub-Sub-Sub-Unternehmen" beim BER kritisiert. Es gebe dort Lohndumping und überlange Arbeitszeiten, so der DGB-Sprecher. Es würden viele Wanderarbeiter aus Polen und dem Baltikum eingesetzt. Sicherheitsrichtlinien seien kaum durchzusetzen, wenn es Sprachhürden gebe.

Siemens fehlen wichtige Planungsunterlagen

Unterdessen beklagt die Firma Siemens, dass sie wichtige Planungsunterlagen noch immer nicht erhalten hat. Das Unternehmen wisse in manchen Bereichen immer noch nicht abschließend, was eigentlich zu bauen sei, sagte Siemens-Infrastrukturvorstand Roland Busch. Siemens ist am Bau der Brandschutzanlage beteiligt, die einer der Hauptgründe für die erneut verschobene Eröffnung des Flughafens ist. Das Milliardenprojekt soll nun am 27. Oktober 2013 in Betrieb gehen.

Anrainer des künftigen Großflughafens befürchten darüber hinaus weitere Verzögerungen beim Schallschutzprogramm. Die Flughafengesellschaft habe am Freitag sämtliche Ortstermine zur Feststellung des Bedarfs für den passiven Schallschutz abgesagt, teilte Rechtsanwalt Wolfgang Baumann mit.