Alle wollen aufklären, was falsch gelaufen ist beim Bau des Flughafens BER. Wie es dazu kommen konnte, dass das größte ostdeutsche Infrastrukturprojekt viel später fertig – und viel teurer wird. Und warum bis zur Absage des Starttermins im Mai 2012 offenbar niemand erkannte, in was für eine Schieflage das Vorhaben geraten war.
Insoweit waren sich die Vertreter aller Fraktionen einig, als sie am Freitag mit der Arbeit des Untersuchungsausschusses zum Flughafen begannen. Auch andere Differenzen wurden beigelegt. So akzeptierten SPD und CDU die Wünsche der Grünen und der Piraten, die Aufklärungsarbeit mit der Standortentscheidung von 1996 beginnen zu lassen.
„Wir haben uns gewundert, dass der Untersuchungsauftrag um die Ursuppe dieses Flughafens gehen soll“, sagte der Sprecher der CDU, Stefan Evers. Sie hätten das vermieden, weil es einen erheblichen Zeitverlust bedeute. Aber jetzt nähme die Koalition den Auftrag ernst. SPD-Sprecher Ole Kreins benannte als Zeugen Brandenburgs Ex-Ministerpräsident Manfred Stolpe, Ex-Verkehrsminister Matthias Wissmann und den früheren Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen.
Alle Anträge angenommen
Schließlich verständigten sich alle Fraktionen, auch noch Alt-Innensenator Ehrhart Körting, Ex-Senatorin Annette Fugmann-Heesing, zwei frühere Flughafen-Manager sowie zwei Mitarbeiter brandenburgischer Ministerien vorzuladen. Und auch die zusammen fast 90 Beweisanträge wurden beschlossen. „Wir haben keinen Beweisantrag abgelehnt“, verkündete der Ausschussvorsitzende Martin Delius, nachdem die Mitglieder fast zwei Stunden hinter verschlossenen Türen diskutiert hatten. Der junge Piraten-Abgeordnete war sichtlich erleichtert, dass er seine Aufgabe sachlich und souverän bewältigt hatte. Auch im Lob für Delius waren sich die Abgeordneten einig.
Dass die Ausschussarbeit jedoch keineswegs nur harmonisch ablaufen dürfte, machte ein Schlagabtausch zwischen CDU-Mann Evers und dem Grünen-Obmann Andreas Otto deutlich. Der Christdemokrat warf den Grünen vor, die Ergebnisse des Ausschusses vorweg zu nehmen. Die größte Oppositionsfraktion kündigte am Freitag an, den Flughafen-Chef Rainer Schwarz sowie den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit als Aufsichtsratschef abzulösen, ehe sie der Finanzspritze Berlins für den Flughafen zustimmen könnten. „Sie kennen offenbar schon alles, was wir aufzuarbeiten bemüht sind“, sagte Evers. Otto konterte. Er wäre gelassen, wenn der Flughafen fertig wäre und Berlin nicht gerade fast eine halbe Milliarde Euro nachschießen müsse, sagte der Grüne. „Aber der Skandal geht ja weiter, mit dem gleichen Geschäftsführer und dem gleichen Aufsichtsrat.“
Parteipolitische Auseinandersetzungen
Schon am Morgen im öffentlichen Teil der ersten Sitzung war deutlich geworden, dass der vom Vorsitzenden Delius geäußerte Wunsch, im Dienste der „Wahrheit“ auf parteipolitische Auseinandersetzungen zu verzichten, sich wohl kaum erfüllen dürfte. Anderthalb Stunden diskutierten die Abgeordneten über Regularien. SPD und CDU setzten durch, dass die Vertreter der offiziellen Mitglieder ein Rede- und Fragerecht erhalten. Die anderen werteten das als Angriff auf die Rechte der kleinen Fraktionen. Vor allem für den Vorsitzenden Delius wäre das schwierig, in jeder Sitzung mehrfach zwischen seiner Rolle als neutraler Sitzungsleiter und als einziges Piraten-Mitglied zu wechseln.
Schließlich durfte sein Vertreter Oliver Höffinghoff doch öfter mal das Wort ergreifen. Die Koalition war auch dagegen, dass immer ein Vertreter des Rechnungshofes dabei sein darf. Und SPD und CDU wollten die Sitzungszeit von zehn auf 13 Uhr begrenzen. „Man sollte sich die Zeit nehmen, die man braucht“, sagte die Linken-Vertreterin Jutta Matuschek. Oft hätten sich „kleine Zeugen“ als ergiebige Quelle erwiesen“, sagte Otto. Nach längerem Hin und Her lenkten SPD und CDU ein. Man kam überein, jeden zweiten Freitag bis 14 Uhr zu tagen, wenn Zeugen zu vernehmen sind, auch länger. „Wir werden den Teufel tun und den Eindruck erwecken, dass wir der Arbeit des Ausschusses entgegenstehen“, sagte Evers.
Spannung bei Aktenumgang
Interessant dürfte der Umgang mit den vielen Unterlagen sein, die Senatskanzlei, Flughafengesellschaft, Beratungsfirmen oder Planer voraussichtlich als vertraulich deklarieren werden. Hier gibt es unterschiedliche Auffassungen zwischen den Parteien darüber, was in die Öffentlichkeit darf und was nicht. Der Ausschussvorsitzende Delius sagte, die abgegebenen Stellen könnten entscheiden, wie sie ihre Akten einstufen.
Der Ausschuss könne die Begründung hinterfragen, gegebenenfalls über Schwärzung von Namen oder andere Zugeständnisse verhandeln und im Streitfall klagen. Grüne und Piraten sind für größtmögliche Offenheit. Es mache wenig Sinn, den Ausschuss im Datenraum tagen zu lassen, sagte Otto. Er könne sich nicht vorstellen, was es denn wohl für Geschäftsgeheimnisse gebe für ein Unternehmen wie die Flughafengesellschaft, „bei der so viel schief gelaufen ist“.