Manches Debakel hat eine ganz besondere Begründung nötig. „Es bestand kein vitaler Projektprozess mehr.“ Dieser lapidare Satz steht in dem „Sachstandsbericht BER“ der Berliner Flughafengesellschaft vom 21. September, der Morgenpost Online vorliegt.
Darin wird beschrieben, warum auch der Termin für die Inbetriebnahme des Großflughafens am 17. März 2013 geplatzt ist. Dass die Ursachen dafür so wolkig formuliert werden, hat einen Grund: Der politische Schaden muss minimiert werden.
Denn Klaus Wowereit (SPD) ist nicht nur Regierender Bürgermeister, sondern auch Aufsichtsratsvorsitzender der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH (FBB).
Im Berliner Abgeordnetenhaus fand Wowereit selbst jüngst klare Worte für das Scheitern des ambitionierten öffentlichen Bauvorhabens: Der Sozialdemokrat selbst sprach von einem „Desaster“. Vor seiner letzten Wiederwahl im vergangenen Jahr hatte er die Grünen und ihre Spitzenkandidatin Renate Künast noch scharf attackiert, die nach seinen Worten bloß einen „Provinzflughafen“ haben wollen: „Diesen Dilettanten darf man nicht die Führung der Stadt überlassen.“
Mittlerweile ist Wowereit wortkarg geworden. Denn am Freitag nimmt im Landesparlament der Untersuchungsausschuss BER seine Arbeit auf. Der soll aufklären, warum und wie es zu den Missständen kommen konnte. Hinter der blumigen Sprache des Elf-Seiten-Berichts der Flughafen GmbH stecken harte Fakten. So wird die kurzfristige Kündigung der früheren Planungsgemeinschaft pg bbi kritisiert. Deswegen sei eine „belastbare Terminplanung als Steuerungsinstrument für Planung, Objektüberwachung und ausführende Firmen nicht im ausreichenden Maße vorhanden“ gewesen. Zudem habe es „ausgeprägte Mängel“ im Abstimmungs- und Genehmigungsprozess mit dem zuständigen Bauordnungsamt gegeben sowie „Mängel“ im Berichtswesen.
Gefürchteter Schadenersatz
Schadenersatzforderungen von Fluggesellschaften, der Bahn und Ladenbesitzern möchte die Airport GmbH am liebsten abwimmeln. Dazu heißt es in dem Bericht: „Nach Bewertung der rechtlichen Gegebenheiten lehnt die FBB die Schadenersatzforderungen Dritter dem Grunde nach ab, sofern keine vertraglich geregelten Forderungen vorliegen.“ Allein für die angeschlagene Air Berlin, Hauptnutzer des künftigen Großflughafens, soll der Schaden laut Luftfahrtexperten rund 180 Millionen Euro betragen.
Die Bahn hat hohe Kosten für einen Geisterbahnhof unter dem Terminal, aber keine Fahrgäste. Die Flughafen GmbH spricht in dem Papier davon, dass die Forderungen Dritter „ungewiss“ seien. Bisher würden lediglich „vereinzelte Aussagen von Geschäftspartnern zu den durch die eingetretene Verschiebung der Eröffnung BER entstandenen Schäden aus deren Perspektive vorliegen.“ Aktuell sind zusätzlich 1,2 Milliarden Euro der drei Gesellschafter Berlin, Brandenburg und Bund nötig, um die Flughafen GmbH finanziell am Leben zu halten. Ohne die Geldspritze droht ihre Pleite, die Liquidität ist dem Bericht zufolge nur noch „bis Ende Januar 2013 gesichert.“ Die Politiker gehen davon aus, dass die EU die staatliche Beihilfe schon bald genehmigen wird. Reine Formsache ist dies jedoch nicht.
Umsatzverluste von 2012 und 2013
Der Aufsichtsrat unter Leitung von Wowereit hatte Anfang September festgelegt, dass der neue Großflughafen in Schönefeld am 27. Oktober kommenden Jahres in Betrieb gehen soll. Daraus entstünden „weitere Baumehrkosten von 67 Millionen Euro“, führt der Sachstandsbericht aus. Die Umsatzverluste im Zeitraum Juni 2012 bis Dezember 2013 betrügen im Luftfahrt- und Immobilienbereich sowie dem „Non-Aviation“-Geschäft (Einzelhandel, Gastronomie, Mietwagen, Parken) „ca. 84 Millionen Euro“. Da die alten Flughäfen Tegel und Schönefeld weiter betrieben werden müssten und auch „Leerkosten“ für den neuen Willy-Brandt-Airport anfielen, werde außerdem mit zusätzlichen Betriebskosten in Höhe von 27 Millionen Euro gerechnet.
Immerhin steht dem Sachstandsbericht zufolge nun ein grober Zeitplan: Bis zum kommenden Sommer sollen die Bauarbeiten abgeschlossen sein, dann sollen Tests, der Probebetrieb und die abschließende Prüfung durch das Bauordnungsamt folgen. Falls es dieses Mal klappt, müssten die alten Flughäfen Tegel und Schönefeld am 26. Oktober 2013 schließen.
Für Martin Delius (Piratenpartei), den Vorsitzenden des Untersuchungsausschusses BER, ist der neue Vorzeige-Flughafen nicht nur ein Baudesaster. Der Piraten-Politiker bemängelt, dass es von Anfang an eine dilettantische Fehlplanung gegeben habe. Delius bezweifelt, dass das Projekt jemals rentabel sein wird: „Der neue Airport ist für einen Großflughafen zu klein und für einen Regionalflughafen zu groß.“ Seine Fraktion bombardiert Wowereits Senatskanzlei regelmäßig mit „Kleinen Anfragen“ im Parlament – wenig erfolgreich. So blieb die Frage, mit wie viel Umsatz pro Fluggast gerechnet werde, bislang unbeantwortet.