Manchmal scheint es sie doch noch zu geben, die traurigen Geschichten, die am Ende gut ausgehen. Eine solche Geschichte erlebt gerade der Vorstandschef der Berliner Uhren-Manufaktur Askania AG, Leonhard R. Müller.
Gleich zwei Verkaufsflächen hatte Müller vor mehr als einem Jahr im Terminal des künftigen Hauptstadtflughafens BER in Schönefeld teuer angemietet und auch noch einen sechsstelligen Betrag in die neuen Ladenlokale investiert. Doch dann platzte die für den 3. Juni geplante BER-Eröffnung. Über Nacht hatte Müller zwar hohe Verbindlichkeiten in den Büchern, nicht jedoch die erhofften Einnahmen aus dem Geschäft mit den Flugreisenden.
So wie der Askania-Manufaktur erging es fast allen der rund 80 Mietern von Laden- und Gastronomieflächen im neuen Flughafen in Schönefeld, der nach jetzigem Stand erst am 27. Oktober 2013, also rund 17 Monaten nach dem ursprünglich vereinbarten Termin, öffnen wird. Für kleine und mittelständische Unternehmen kann die Verzögerung schnell zu einer existenzbedrohenden Schieflage führen.
Schnelle Soforthilfen des Senats, wie von der damaligen Wirtschaftssenatorin Sybille von Obernitz (parteilos, für CDU) zunächst angekündigt, blieben aus. Stattdessen erlebten die Betroffenen Kompetenzwirrwarr und Hinhaltetaktik.
Mehr Umsatz in Tegel
Immerhin: Nach einigem Zögern sagte die Flughafengesellschaft zu, den geschädigten BER-Mietern helfend unter die Arme zu greifen. Individuelle, auf den konkreten Fall zugeschnittene Lösungen, versprach Flughafenchef Rainer Schwarz.
Für die Askania AG scheint eine solche Lösung jetzt tatsächlich gefunden zu sein. Die Uhren-Manufaktur kann ihr Geschäft am alten Flughafen Tegel deutlich ausweiten. Statt in einem kleinen zehn Quadratmeter großen Laden werden die handgefertigten Zeitmesser aus Berlin nun in einer 230 Quadratmeter großen „Lounge Askania & Friends“ präsentiert.
Bei der Miete sei man dem Nutzer erheblich entgegengekommen, versicherte Flughafen-Chef Rainer Schwarz. Askania-Chef Müller bestätigt dies, ohne Einzelheiten nennen zu wollen. „Wir haben jetzt einen guten Ausgleich.“
Tegel habe inzwischen eine viel höhere Kunden-Frequenz als noch vor Monaten. In der ersten Woche nach Eröffnung der neuen Lounge habe das Unternehmen so viel Umsatz gemacht wie sonst in einem Monat.
Oft kopiertes Motiv
Mit seiner Begeisterung für den alten innerstädtischen Berliner Flughafen könnte sich Müller umgehend der Bewegung „I love TXL“ anschließen. Denn seit Kurzem können Fans des Flughafens Berlin-Tegel ihre Liebe zum Airport auf T-Shirts, Taschen und Kalendern zur Schau stellen.
Der Grafikdesigner Ingo Morgenroth hat dafür ein Logo entwickelt, das nostalgisch an den bald geschlossenen Flughafen erinnern soll: Im Stile des weltweit bekannten und oft kopierten „I love NY“-Motivs, eines Markenzeichens der Stadt New York, wirbt Morgenroth mit „I love TXL“. Ein rotes Hexagon soll an die sechseckige Form des Flughafens erinnern. „Die ganze Architektur, Säulen und selbst der Parkplatz wurden in dieser Form in Tegel angelegt“, sagt Morgenroth.
Derartige Tegel-Nostalgie ist allerdings für Händler und Geschäftsleute, die ganz auf den neuen Airport in Schönefeld gesetzt haben, kein Trost. Laut Schwarz hat die Flughafengesellschaft inzwischen mit etwa einem Drittel aller 80 BER-Mieter über mögliche Kompensationen und Hilfen gesprochen. Bis zum Jahresende soll mit allen Geschäftsleuten „eine individuelle Lösung“ gefunden sein.
Keine Darlehen
Konkrete Liquiditätshilfen, zum Beispiel in Form von günstigen Darlehen, wird es auch weiterhin nicht geben. Stattdessen bietet Schwarz den betroffenen Unternehmen vorzeitige Vertragsverlängerungen, die Rückzahlung bereits gezahlter Kautionen oder Nachlässe bei Einzahlungen in die Werbegemeinschaft an. Bisher sei nicht ein BER-Mieter abgesprungen, so Schwarz.
Das zeige, dass die bisherigen Hilfsangebote ausreichen. Bei einem der Dienstleister, so ist am Rande zu hören, seien die finanziellen Probleme wohl doch größer. In diesem Fall will die Flughafengesellschaft nun mithilfe eines Wirtschaftsprüfers weitergehende Hilfsangebote vorbereiten.
Während Schwarz die Konflikte mit den BER-geschädigten Händlern etwas befrieden konnte, gibt es auf anderen Arbeitsgebieten neue Vorwürfe. So soll Schwarz nach der Kündigung der Verträge mit der für das Terminal zuständigen Planungsgemeinschaft pg bbi übereilt Ersatzverträge mit kleineren Planungsbüros geschlossen haben.
Statt des üblichen Satzes um die 10.000 Euro im Monat sollen nun Tagessätze von 1000 Euro gezahlt worden sein. Verantwortlich für die Abschlüsse der Direktverträge war nach der Ablösung des Chefplaners Manfred Körtgen der einzige noch verbliebene Geschäftsführer Rainer Schwarz.
Die Flughafengesellschaft wies den Vorwurf überhöhter Zahlungen zurück. „Wir zahlen marktübliche Preise und nicht mehr“, sagte Flughafen-Sprecher Ralf Kunkel. Nach Informationen der Berliner Morgenpost will der neue Technik-Geschäftsführer der Flughafengesellschaft, Horst Amann, nun die Düsseldorfer Ingenieursgesellschaft Schüßler-Plan damit beauftragen, die noch fehlenden Ausführungspläne zu übernehmen. Wie es heißt, sollen dabei auch alle Verträge mit Sub-Planern neu geordnet werden.