Teenager-Eltern

Wie Jugendliche mit einer Schwangerschaft umgehen

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Teenager-Schwangerschaften sind in Deutschland die Ausnahme. Nur 2,4 Prozent der Mädchen werden vor ihrem 18. Geburtstag schwanger. Franziska und Kevin (beide 19) sind so eine Ausnahme. Mit Morgenpost Online haben sie über das Elternwerden gesprochen und wie es war, als ihr Kind plötzlich früher kam als geplant.

Der Bauch wurde gar nicht so groß, wie sie erwartet hatten. Es war Juli und Franziska, 19 Jahre alt, im siebten Monat schwanger. Mit ihrem Freund Kevin, ebenfalls 19, hatte sie einen letzten Urlaub als Paar geplant - eine Woche Usedom. Nur sie beide, die Ostsee, der Strand, Spaziergänge und ein bisschen Ruhe und Zweisamkeit. Doch dann kam alles anders.

Am vierten Tag bekam Franziska Blutungen. Sie erschrak. Aber weil die bald wieder aufhörten, machte sie sich keine großen Sorgen. Das Baby bewegte sich in ihrem Bauch, alles schien normal. Am Tag der geplanten Abreise verlor sie wieder Blut. Diesmal war es anders. Franziska hatte ein mulmiges Gefühl. Kevin und sie packten schnell zusammen und machten sich auf den Rückweg nach Berlin. Sie fuhren direkt nach Lichtenberg, zu Franziskas Mutter. Die brachte die beiden ins Krankenhaus.

Kevin und Franziska sind jetzt seit einem Jahr ein Paar. Über einen gemeinsamen Freund hatten sie sich kennengelernt und waren im Oktober 2008 zusammengekommen. Von Anfang an waren sie sehr verliebt. Deshalb machte Kevin seiner Franzi einen Tag vor Heiligabend einen Heiratsantrag.

Franziska sagte Ja, allen Unkenrufen zum Trotz wollten sie beide ernst machen. Denn natürlich waren ihre Eltern zunächst nicht sehr begeistert von der Idee, dass die zwei Teenager sich so jung schon für immer aneinander binden wollten. Da wussten sie noch nicht, dass Kevin und Franziska bald Eltern werden würden. Zwei Monate später war dann klar: Franziska ist schwanger.

Teenager-Schwangerschaften sind in Deutschland selten

Die beiden Berliner sind eine Ausnahme. In Deutschland gibt es nicht viele Teenager, die ein Kind bekommen. Statistisch gesehen werden hierzulande 2,4 Prozent der Mädchen vor ihrem 18. Geburtstag mindestens einmal schwanger. 1,4 Prozent von ihnen haben bis zur Volljährigkeit schon eine Abtreibung hinter sich. Etwa 15 Prozent aller Teenager-Schwangerschaften enden laut der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung mit einer Fehlgeburt, rund die Hälfte der anderen Mädchen entscheidet sich nach Angaben des Statistischen Bundesamts für einen Schwangerschaftsabbruch.

Auch Kevin und Franziska hatten erst darüber nachgedacht. "Anfangs waren wir total überfordert mit der Vorstellung, Eltern zu werden", sagte Franziska der Berliner Morgenpost im Juni, als wir zum ersten Mal über die Teenager-Eltern berichteten. In der ersten Nacht, nachdem der Schwangerschaftstest aus der Apotheke Gewissheit gebracht hatte, lagen die beiden stundenlang wach und diskutierten. Die ganze Woche fertigten sie Pro-und-Contra-Listen an. Für das Baby sprach zum Beispiel, "die Erweiterung der Familie". Beide wünschten sich einen großen fröhlichen Familienzusammenhalt, mit vielen Kindern. Gegen das Baby sprach, dass Franziska gerade ihre Ausbildung zur Hotelfachfrau begonnen hatte, in Moers, Nordrhein-Westfalen. Kevin wiederum hatte in Berlin gerade seine Abiturprüfungen bestanden und sah sich nach einem Studienplatz um. Keiner von beiden hatte annähernd genug Geld, um ein Baby zu versorgen.

Trotzdem war den beiden damals schon nach dieser einen Woche klar, dass sie eines nicht konnten: ein kleines Menschenleben einfach so wegmachen lassen - "letztendlich hätten wir das nicht übers Herz gebracht", sagt Franziska. Bereut haben die beiden ihre Entscheidung nicht.

Franziska vertrug die Schwangerschaft gut, der Bauch wuchs, wenn auch nur ein kleines bisschen, und die Freude auf ein Leben zu dritt auch. Kevin wurde an der Ruhr-Universität Bochum angenommen und plante seinen Umzug zu seiner schwangeren Verlobten ins nahe gelegene Moers. Franziska wohnt dort in einer 2-Zimmer-Wohnung auf 60 Quadratmetern, genug Platz für drei. Sie kauften einen Kinderwagen und Strampelanzüge. Und suchten nach einem schönen Namen für ihr Mädchen. In einem Internetforum für werdende Mütter las Franziska schließlich den Namen, in den sie sich "sofort verliebte": Jolina Sophie. Dann kam der Ostsee-Urlaub.

Im Krankenhaus untersuchten sie Franziska, die Ärzte kontrollierten die Herztöne des Babys und sagten den beiden Teenagern, dass das Ungeborene jetzt "Lungenreife" habe. "Wir wussten überhaupt nicht, was das bedeutet", sagt Kevin. Aber nachfragen mochten sie irgendwie auch nicht. Dann wurde Franziska in die Charité an der Luisenstraße gebracht. Das war am 26. Juli.

Dreimal am Tag wurden die Herztöne des Babys gemessen. Zwei Tage nach ihrer Einlieferung verlegte man Franziska in den zweiten Stock des Bettenhochhauses, dorthin, wo auch der Kreißsaal ist. Die 19-Jährige war gerade in der 28. Schwangerschaftswoche. Sie wunderte sich, sagte aber nichts. "Die Ärzte erklärten mir, dass es gut wäre, wenn das Baby zumindest bis zur 32. oder sogar 34. Woche drin bleibt", erinnert sie sich. Man klärte sie aber auch über die Möglichkeit eines Kaiserschnitts auf. Und dann war es plötzlich so weit.

Plötzlich kam der Kaiserschnitt

Gerade als der Besuch gegangen war, spürte Franziska etwas Nasses zwischen ihren Beinen. Sie sah Blut und ging schnell ins Bad, um sich zu säubern, sie wollte die Laken nicht schmutzig machen. "Aber dann kamen die Schwestern und meinten, ich soll sofort wieder ins Bett gehen." Sie riefen einen der Ärzte, der Franziskas Bauch mit einem Ultraschallgerät untersuchte. "Dann sagte er: Wir machen jetzt einen Kaiserschnitt." Kevin und Franziska hatten bis dahin noch nicht darüber geredet, was es bedeuten könnte, wenn nicht alles nach Plan läuft. Worüber sich Kevin aber immer sicher gewesen war: Er wollte auf keinen Fall bei einem Kaiserschnitt dabei sein. Jetzt fragte die Schwester ihn, ob er mitkommen wolle in den OP. Er sagte: "Okay."

Um 18.49 Uhr holten sie das Kind. Franziska zitterte am ganzen Leib, sie hatte große Angst. Vor der Operation, vor möglichen Komplikationen, davor, jetzt Mutter zu werden. Sie wünschte sich plötzlich mehr Zeit. Auch Kevin war nervös, er machte sich Sorgen um Franziska und um seine kleine Tochter. Er hielt Franziskas Kopf, sie war während der Operation wach. "Ich habe nichts gespürt, aber es hat richtig geruckelt in meinem Bauch", erinnert sie sich. Es war kein schönes Gefühl. Dann zählten die Ärzte runter: 3, 2, 1. Und hielten ein kleines rotes Menschlein über den sterilen Sichtschutz, der über Franziskas Brust gespannt war. Diesen Moment hatten sich die beiden jungen Eltern anders vorgestellt.

Auch in den nächsten Tagen konnten sie sich noch nicht so recht an die neue Situation gewöhnen. "Ich fühle mich noch gar nicht als Mutter", sagte Franziska zu Kevin. Diese Handvoll Kind, gerade mal 830 Gramm Körpergewicht und 35 Zentimeter Größe, das mit seinen winzigen Fingern und Füßen und dem Schlauch in der Nase hilflos im Brutkasten lag, an all die Geräte und Monitore angeschlossen, das war ihr fremd. Sie wollte es an sich drücken und knuddeln. Aber es wirkte so zart und zerbrechlich. Auch Kevin fühlte sich anfangs überfordert.

Franziska durfte nach vier Tagen das Krankenhaus verlassen, seither verbringt sie trotzdem jeden Tag auf der Frühchen-Station. Das Baby ist mittlerweile größer und stärker, fast so groß wie andere Neugeborene. Sie wird noch immer künstlich ernährt, aber manchmal gibt Franziska ihrer Tochter schon die Brust. "Wir fühlen uns jetzt immerhin schon als halbe Eltern", sagt Kevin lachend. Aller Anfang ist eben schwer. Es wird wohl noch etwas dauern, bis sich das Leben zu dritt wie ein echtes Familienleben anfühlt.

Das Paar hat große Pläne. Die Hochzeit ist erst mal verschoben, es gibt jetzt Wichtigeres. Kevin zieht Anfang Oktober nach Moers und beginnt dort sein Studium. Das Kind muss noch einige Wochen im Krankenhaus bleiben, bis dahin bleibt auch Franziska in Berlin. Die Großeltern freuen sich sehr über den kleinen Nachwuchs. Auch Franziska wird zurück nach Moers ziehen und sich um die Tochter kümmern, während Kevin in der Uni ist.

Finanziell, sagen sie, werden sie es schon hinbekommen, mit Kindergeld, Elterngeld und Bafög. Im Herbst 2010 will Franziska ihre Ausbildung wieder aufnehmen, dann bleibt Kevin vielleicht zu Hause bei der Kleinen. Sie sind sich sicher: "Wir schaffen das schon!"