Tierschutz

So managt Brandenburg seine wilden Wölfe

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Gudrun Mallwitz

Foto: Peter Steffen / dpa

Wie sich die zurückgekehrten, streng geschützten Wildtiere nun dauerhaft ansiedeln sollen – in friedlicher Koexistenz mit den Menschen.

Mehr als 150 Jahre, nachdem ihn der Mensch aus seiner Nachbarschaft fast endgültig vertrieben hat, kehrte der Wolf nach Deutschland zurück. Im Jahr 2000 wurden in Sachsen die ersten wild lebenden Wölfe geboren. Sieben Jahre später siedelten sich auch in Brandenburg erstmals wieder Wölfe an. In der Mark mit seinen weitläufigen Truppenübungsplätzen und ausgedehnten Wäldern leben heute schätzungsweise bis zu 95 der europaweit streng geschützten Tiere.

Die Rückkehr der Wölfe bringt erhebliche Probleme mit sich. Immer wieder reißen die Tiere Schafe, Gatterwild und Ziegen. Mit einem neuen „Wolfsmanagement-Plan“ für die nächsten fünf Jahre will das Land Brandenburg die Konflikte nun entschärfen. Allerdings geht er vielen nicht weit genug.

Gutes Management gefragt

Das „neue Regelwerk für ein möglichst konfliktarmes Nebeneinander von Menschen und Wölfen“ wurde in einer heftigen, zehnmonatigen Diskussion von etwa 80 Behörden, Vereinen und Verbänden erarbeitet. Die Geschäftsführerin des Naturschutzbundes Nabu, Katharina Weinberg, sprach bei der Unterzeichnung einer entsprechenden Kooperationsvereinbarung am Donnerstag von einem „historischen Moment.“

Selbst der Landesbauernverband hat sich an der Erarbeitung beteiligt. Er ist allerdings mit dem Ergebnis nicht zufrieden. Der Streit über den richtigen Umgang mit dem Wolf ist also noch lange nicht beendet.

Für Brandenburgs Umweltministerin Anita Tack (Linke) bietet der nach 18 Jahren erneuerte Wolfsmanagement-Plan hingegen eine gute Grundlage, das „Miteinander von Mensch und Wolf zu organisieren“. Die Sicherheit von Menschen stehe dabei an erster Stelle, sagte sie in Potsdam. Das Tier sei weit weniger gefährlich als von vielen angenommen.

Wölfe sind scheue Tiere und wagen sich normalerweise nicht an Menschen und damit auch nicht an große Städte heran. Angriffe auf Menschen seien heute sehr selten. „Ziel ist es, mehr Aufklärung mehr Akzeptanz für eine dauerhafte Ansiedlung des Wolfes in Brandenburg zu erreichen und die Mär vom bösen Wolf zu beenden“, sagte die Ministerin. „Das Vorkommen von Wölfen soll Normalität werden.“

Inzwischen gibt es feste Wolfsansiedlungen

Brandenburg wolle allerdings die weitere Ausbreitung des Wolfes keinesfalls aktiv fördern. Die schätzungsweise bis zu 95 Wölfe in Brandenburg sind Teil einer deutsch-westpolnischen Population, die zwischen 400 und 500 Tieren umfasst. Seit 2009 wurden in Brandenburg mindestens 54 Welpen hier geboren. Inzwischen gibt es auf den fünf größten früheren Truppenübungsplätzen in Brandenburgs feste Wolfsansiedlungen. Aktuell wissen die Behörden von neun Wolfsrudeln, einem Wolfspaar und einem territoriale Einzelwolf, die heute wieder in Brandenburg leben. Hinzu kommen einzelne, nicht sesshafte Wanderwölfe. Der Plan enthält korrekte Vorhaben.

So sollen laut diesem unter anderem eine Herdenschutzstelle und eine Wolfs-Informationsstelle eingerichtet werden. Außerdem will das Ministerium das Netz von ehrenamtlichen Wolfsbeauftragten ausbauen. Pro Landkreis sollen künftig mindestens drei solcher Experten aktiv sein.

„Brandenburg wird mit Sicherheit keine Wolfsgrube“, sagte Heinz Röhle von der Technischen Universität. Er moderierte die fünf Diskussionsrunden in Brandenburg. Er wies darauf hin, dass die Übergriffe auf Schafe, Ziegen und Gatterwild im Land überschaubar seien. Seit 1990 wurden offiziellen Angaben zufolge insgesamt 303 Schafe, vier Ziegen, fünf Kälber sowie 51 Stück Damwild von Wölfen gerissen. Kot-Analysen in Sachsen hätten ergeben, dass sich der Wolf zu 90 Prozent von Wildtieren ernährt.

Nutztierhalter sehen zwei Forderungen nicht erfüllt

Matthias Schannwell vom Landesbauernverband begrüßte nach den schwierigen Diskussionsrunden den Wolfsmanagementplan. Zwei zentrale Forderungen der Nutztierhalter seien jedoch nicht erfüllt worden, bedauerte er. So sehe der neue Plan erneut keinen Rechtsanspruch auf Entschädigung vor, wenn Wölfe Schafsherden angreifen. Auch gebe es vom Land nicht genug Geld für die Prävention. „So ein wolfssicherer Zaun kostet pro Meter acht bis zehn Euro“, rechnete Schannwell vor. Zudem verlangt der Bauernverband, die rot-rote Landesregierung solle sich dafür einsetzen, dass der Wolf weniger streng geschützt ist.

Die Kosten für den Bau von wolfssicheren Zäunen könnten mittels einer EU-Richtlinie zur Förderung der integrierten ländlichen Entwicklung (ILE) bis zu 100 Prozent übernommen werden. In den vergangenen Jahren sind so Ministeriumsangaben zufolge bereits 380.000 Euro geflossen. Das Land stellt rund 10.000 Euro pro Jahr als Ausgleich für vom Wolf getötete oder verletzte Weidetiere zur Verfügung.

Bei der strittigen Diskussion über den Wolfsplan war allein der Bauernbund Brandenburg im Dezember 2012 aus den Beratungen ausgestiegen. Der christlich-konservative Verband, der 350 Familienbetriebe in Brandenburg vertritt, hatte gefordert, „eine verträgliche Zielgröße“ für die Wolfspopulation zu definieren. „Als deutlich wurde, dass das Umweltministerium kompromisslos an einer unbegrenzten Ausbreitung festhält, sahen wir keinen Ansatz mehr für eine Zusammenarbeit“, sagte Lutz-Uwe Kahn, Nebenerwerbs-Landwirt aus Kleßen (Havelland).

Der Bauernbund verfolge keinesfalls das Ziel, den Wolf auszurotten. „Wir wollen aber, dass Wölfe gejagt werden dürfen, um die Schäden in Grenzen zu halten“, so Kahn.

Auch die Brandenburger CDU ist dafür, die Jagd auf Problemwölfe zu ermöglichen. Sie will, dass der streng geschützte Wolf ins Jagdrecht aufgenommen wird. Er würde dort einer ganzjährigen Schonfrist unterstellt. Das Jagdrecht regele, wann welche Tiere unter welchen Voraussetzungen geschossen werden dürfen.

„Jäger sollten zumindest Problemwölfe schießen dürfen“, sagte CDU-Fraktionschef Dieter Dombrowski. Er kritisierte den neuen Wolfsmanagementplan. „Er wird kein Problem lösen, sondern die bestehenden Konflikte verschärfen“, urteilte Dombrowski. Praxistaugliche Lösungen seien in dem Papier kaum zu finden.

Auch Gregor Beyer, agrarpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion, bezweifelt, dass das Regelwerk eine Verbesserung bringt. Wer Akzeptanz erreichen wolle, der müsse auch für den Umgang mit „Problemwölfen“ konkrete Maßnahmen benennen, sagte Beyer. „Wo der Wolf ist, gibt es Probleme“, sagt auch Wolfgang Betke vom Landesjagdverband (LJV). Viele Jäger unterstützen die Forderung, den Wolf ins Jagdrecht aufzunehmen. Umweltministerin Tack kündigte an, dass in zwei Arbeitsgruppen weiter an Lösungen gearbeitet werden soll.