Geschützte Wildtiere

Brandenburger Wölfe zieht es nach Westen

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Torsten Richter

Foto: Angelika Warmuth / dpa

Die Wölfe vergrößern wieder ihren Lebensraum. 1000 Tiere soll es bundesweit geben. In der Lausitz wird der Platz bereits knapp.

Vor genau 200 Jahren erschien das Märchen vom Rotkäppchen und dem Wolf im ersten Band der Kinder- und Hausmärchen der Gebrüder Grimm. Während die Wölfe im 19. Jahrhundert durch starke Bejagung aus den deutschen Wäldern verschwanden, sind sie inzwischen in mehr und mehr Gebieten in Deutschland wieder zu finden.

Von der Lausitz in Brandenburg ziehen sie gen Westen. Jäger und Landwirte sehen diesen Trend skeptisch und befürchten massive Verluste bei Wild und Nutzvieh. Lebte im Jahr 2000 lediglich ein Wolfsrudel in der Bundesrepublik, sind es aktuell bereits 16.

Zu einem solchen Rudel gehören nach Angaben des brandenburgischen Wolfsexperten Reinhard Möckel im Schnitt acht Tiere. Deutschlandweit ergibt sich daraus eine Gesamtzahl von rund 120 bis 150 Wölfen.

Wer in freier Natur tatsächlich auf den Graupelz stößt, braucht aus Sicht der Fachleute keine Angst zu haben, sondern darf sich glücklich schätzen. Die Chance, einen Wolf zu erblicken, sei so hoch wie ein Sechser im Lotto, erzählt Markus Bathen vom Naturschutzbund Deutschland.

Platz in der Lausitz wird knapp

Die Reviere der Raubtiere können schon mal bis zu 350 Quadratkilometer groß sein. Das entspricht in etwa der Fläche des Stadtstaats Bremen. Doch langsam wird in der Lausitz, in der nach Angaben des Kontaktbüros „Wolfsregion Lausitz“ allein zwölf Rudel leben, der Platz knapp.

Verbreitungsgebiete der Wölfe sind die Muskauer Heide und Gebiete in der Oberlausitz im Osten des Freistaates Sachsens sowie ein Teil der Niederlausitz in Süd-Brandenburg. Sieben Rudel leben im sächsischen Teil der Lausitz und vier Rudel im brandenburgischen Teil.

Das zwölfte Rudel, das Spremberger Rudel, hat sein Territorium sowohl auf sächsischem als auch auf brandenburgischem Gebiet. Durch Beobachtungen, Spuren und Fotofallenaufnahmen (selbstauslösende Kameras) konnten in diesem Jahr bisher in sieben Rudeln Welpen nachgewiesen werden. Deshalb wandern die jungen Wölfe vorwiegend nach Nordwesten.

Seit diesem Frühjahr ist ein Rudel in Niedersachsen ansässig. Per Fotofalle wurden in der Lüneburger Heide drei Welpen nachgewiesen. Das Rudel Munster-Nord, benannt nach dem dortigen Truppenübungsplatz, gilt zurzeit als das westlichste in Deutschland.

Bundesweit 1000 Wölfe

Das könnte sich aber mittelfristig ändern. Das Bundesamt für Naturschutz (BfN) kalkuliert bundesweit mit rund 400 Wolfsfamilien. Experte Bathen hält 1000 Graupelze zwischen Oder und Rhein für realistisch. Als Lebensräume würden sich zahlreiche Gebiete mit Ausnahme der großen Städte sowie riesiger Feldfluren eignen.

Die Tiere wandern aber nicht nur aus dem Osten ein. Von Südwesten her sind ebenfalls Wölfe auf der Suche nach neuem Lebensraum. Nach Angaben des Kontaktbüros Wolfsregion Lausitz gehörte der im April 2012 im Westerwald illegal erlegte Wolf der Alpenpopulation an, die in Frankreich und Italien beheimatet ist.

Experte Möckel rechnet indes damit, dass sich Tiere der Alpen- und der Lausitz-Population durchaus irgendwo in Deutschland treffen und paaren könnten. „Die Frage ist nicht mehr, ob dies geschieht, sondern wann“, so Möckel.

In Niedersachsen wird das Wolfsrudel, das erste in den alten Bundesländern, wohlwollend aufgenommen. „Mit der natürlichen Wiederansiedlung wird die frühere biologische Vielfalt wiederhergestellt“, sagt die Sprecherin des Umweltministeriums in Hannover, Silke Schaar.

70 Schafe gerissen

Andere Gremien sehen die Rückkehr des Wolfes eher mit Skepsis. „Mit der Zuwanderung sind auch Probleme verbunden“, heißt es in einem Positionspapier des Deutschen Jagdschutz-Verbandes (DJV).

Die Jäger fordern Pläne dafür, wie sie mit dem Wolf umgehen sollen. In Brandenburg ist solch ein Papier in Vorbereitung. Darüber hinaus sollten die Rudel dauerhaft beobachtet werden. Nur so könne Schäden vorgebeugt werden, heißt es.

Der Sächsische Landesbauernverband fordert etwa von der Landesregierung, die Beweislast im Schadensfall umzukehren. Wird beispielsweise ein Schaf gerissen, müsste der Freistaat schlüssig nachweisen, dass der Wolf nicht der Verursacher war. Im vergangenen Jahr wurden in Sachsen etwa 70 Schafe durch die Raubtiere gerissen.

Tiere ergreifen die Flucht

Trotz der Rotkäppchen-Geschichte müssen Menschen keine Angst vor Wölfen haben, versichern die Experten. Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurden laut Bathen europaweit nicht einmal zehn Menschen von einem solchen Tier getötet.

In den allermeisten Fällen waren die angreifenden Wölfe krank (Tollwut) oder durch Menschen angefüttert worden. Treffe tatsächlich ein Wanderer oder Pilzsucher im Wald auf einen Wolf, ergreife das Tier sofort die Flucht, sagt Bathen. Oftmals bleibt nicht mal mehr die Zeit, um die Kamera für ein Beweisfoto zu zücken.

Infos: www.wolfsregion-lausitz.de