Trotz schlechter Ergebnisse bei Leistungsvergleichen mit anderen Ländern will die rot-rote Regierung massiv auch bei der Bildung kürzen. Im Interview mit der Morgenpost Online verteidigt Bildungsministerin Martina Münch (SPD) die geplanten Einschnitte – auch bei den freien Schulen. Sie ist seit Februar in diesem Amt. Bevor die gebürtige Heidelbergerin 2004 als Abgeordnete in die Landespolitik ging, war sie Ärztin. Gudrun Mallwitz sprach mit Münch über die Unzufriedenheit vieler Eltern wegen Unterrichtsausfalls und übervoller Klassen.
Morgenpost Online: Brandenburg schneidet bei Bildungs-Vergleichen mit anderen Bundesländern immer noch schlecht ab. Auch in der jüngsten Studie landet das Land auf Platz 13. Was läuft da schief?
Martina Münch: Vielleicht wurden in Brandenburg die Weichen nach 1990 nicht immer richtig gestellt. Damals orientierte sich das Land stark an seinem Partnerland Nordrhein-Westfalen – einem Land, das in den vergangenen Jahren bei Schülerleistungen ebenfalls nicht zur Spitzengruppe zählte. Schule kann aber nicht immer nur Spaß machen, sondern muss auch Leistungen abfragen. Brandenburg setzt deshalb schon seit einigen Jahren verstärkt auf Vergleichstests und Leistungskontrollen.
Morgenpost Online: Falsche Weichenstellung kann sich doch nicht 20 Jahre später noch auswirken?
Martina Münch: Veränderungen im Bildungswesen wirken lange nach. Aber: Brandenburg hat in vielen Bereichen bereits stark aufgeholt, bei Mathematik und den Naturwissenschaften zum Beispiel. Schwächen haben die Schüler noch bei der Lesekompetenz oder im Fach Englisch. Hier steuern wir nach: Wir haben gerade Maßnahmen zur Qualitätssicherung – beispielsweise den Grundwortschatz oder die Orientierungsarbeiten – eingeführt. Gleichzeitig wollen wir die Lehrerinnen und Lehrer besser als bisher unterstützen, etwa mit speziellen Englisch-Fortbildungen.
Morgenpost Online: Ist die Fortbildung das einzige Problem?
Martina Münch: Ein Problem ist auch, dass unsere Lehrer im Durchschnitt mittlerweile über 50 Jahre alt sind. Wir brauchen also viel mehr junge Pädagogen – und die werden wir demnächst auch bekommen. Das Kabinett hat gerade beschlossen, in den nächsten Jahren 2000 neue Lehrer einzustellen.
Morgenpost Online: Viele Schulen in Brandenburg klagen über Unterrichtsausfall oder ständige Vertretungsstunden. Werden damit mehr Lehrer unterrichten?
Martina Münch: Durch die 2000 Neueinstellungen werden die ausscheidenden Lehrer ersetzt. Brandenburg hat aber genügend Lehrkräfte im System. Auf 15,4 Schüler kommt ein Lehrer – damit liegen wir im vorderen Bereich im Vergleich zu anderen Ländern. Wir haben für die Schulen drei Prozent Vertretungsreserve. Ein Prozent ist in der Regel für Langzeiterkrankte reserviert. Die restlichen zwei Prozent sind Lehrer, die an normalen Tagen nicht als mobile Einsatzreserve herumsitzen, sondern zum Beispiel zusätzliche Arbeitsgemeinschaften oder Teilungs- und Förderstunden anbieten. Wird ein Kollege überraschend krank, übernehmen sie die Vertretung, fehlen dann aber für ihre zusätzlichen Aufgaben. Das macht sich natürlich auch für die Schüler bemerkbar.
Morgenpost Online: Angeblich gibt es Schulen in Brandenburg, wo sogar die Sekretärin die Unterrichtsvertretung übernimmt, in Form von Stillarbeit zum Beispiel.
Martina Münch: So ein Fall ist mir nicht bekannt. Das wäre auch nicht sinnvoll.
Morgenpost Online: Laut Statistik steigt der Unterrichtsausfall leicht an. Müssen Sie da nicht eingreifen?
Martina Münch: Brandenburg liegt beim tatsächlichen Unterrichtsausfall im Vergleich zu den anderen Bundesländern mit 1,6 Prozent im Durchschnitt. Das ist auch beim vertretenen Unterricht der Fall. Natürlich ist Unterrichtsausfall unerfreulich, aber rechnerisch reicht die Zahl der Lehrer aus.
Morgenpost Online: Das rot-rote Kabinett hat jüngst für das kommende Jahr Kürzungen von 24 Millionen Euro allein im Bildungsbereich beschlossen. Warum schwächt die Regierung das Bildungssystem noch mehr?
Martina Münch: Bildung hat weiterhin Priorität für uns. Unerlässlich ist aber, dass das Land sich nicht immer weiter verschuldet. Brandenburg will ab 2014 keine neuen Schulden mehr aufnehmen und muss in einigen Jahren ohne Sonderzuweisungen des Bundes auskommen. Der Etat in meinem Ministerium beträgt knapp 1,5 Milliarden Euro. Kürzungen von 24 Millionen Euro sind schmerzhaft, aber angesichts der Gesamtsituation des Landes unvermeidbar.
Morgenpost Online: Besonders betroffen von den Kürzungen sind die freien Schulen. Deren Träger und Eltern werfen Ihnen vor, damit eine unliebsame Konkurrenz loswerden zu wollen.
Martina Münch: Das weise ich entschieden zurück. Ich will die freien Schulen nicht plattmachen. Sie sind nicht nur durch das Grundgesetz geschützt, sie beleben auch die Schullandschaft. Ich kann durchaus verstehen, dass die geplanten Kürzungen ein bitterer Schnitt sind. Es kann aber nicht sein, dass freie Träger davon profitieren, dass das Schulsystem immer teurer wird. Die demografische Entwicklung hat zu einer Vielzahl kleiner und personalkostenintensiver öffentlicher Schulstandorte im Land geführt. Die freien Schulen bekommen bislang 94 Prozent der vergleichbaren Personalkosten erstattet. Auch wenn manche Schule ab 2012/13 weniger Geld erhalten wird, werden die staatlichen Zuschüsse nach der stufenweisen Absenkung bis 2015 immer noch besser sein als in vielen anderen Bundesländern.
Morgenpost Online: Privatschulen werden diese Woche erneut demonstrieren. Rechnen Sie damit, dass die Abgeordneten Ihre Pläne kassieren?
Martina Münch: Wir legen den im Kabinett beschlossenen Haushaltsplan dem Landtag vor und werden darüber in den parlamentarischen Gremien diskutieren. Finanziell gibt es keine zusätzlichen Spielräume.
Morgenpost Online: Macht es Sie nicht doch nachdenklich, dass immer mehr Menschen ihre Kinder lieber auf eine freie Schule schicken?
Martina Münch: Nein. Die freien Schulen werben mit ganz unterschiedlichen Angeboten um die Kinder. Das bereichert unser Schulsystem. Staatliche Schulen brauchen diese Konkurrenz aber nicht zu fürchten. Zumal die freien Schulen bei Vergleichstests nicht besser abschneiden als die staatlichen.
Morgenpost Online: Im Umland von Berlin klagen Schüler und Eltern über die zu großen Klassen. Wann wird sich die Situation entspannen?
Martina Münch: Im Speckgürtel wurden und werden wegen des starken Zuzugs in der Vergangenheit Schulen gebaut. Vor 2020 ist nicht mit sinkenden Schülerzahlen zu rechnen.