In Potsdam stehen 50 Schüler ohne einen Schulplatz nach den Ferien da. Der Grund: Die Hoffbauer-Stiftung hat überraschend die Gründung einer evangelischen Oberschule von Klasse 7 bis 10 abgesagt. Die Verträge mit den Schülern wurden gekündigt, der Bau von zwei Schulgebäuden auf Hermannswerder ist gestoppt. Der Vorstandsvorsitzende der Stiftung, Frank Hohn, begründete die Entscheidung am Montag mit den „nicht hinnehmbaren“ geplanten Kürzungen des Landes bei den freien Schulen. Oberschulen sollen in Brandenburg vom Schuljahr 2014/2015 an nur noch 4324 Euro staatliche Zuschüsse pro Schüler und Jahr erhalten. Das sind 1031 Euro weniger als bisher.
Neugründungen künftig unmöglich
Damit werde das Land bei der Finanzierung der freien Schulen zum Schlusslicht, sagte Hohn. Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern lägen ab dem Jahr 2015 unter anderem nur bei den ersten bis vierten Klassen und der Sekundarstufe I in den Oberschulen weiter zurück. „Die Kürzungen stellen einen bundesweit einmaligen Akt der Absenkung um 20 Prozent über 1000 Euro pro Schüler dar“, kritisierte der Vorstandsvorsitzende. Solch massive Einbußen könnten nicht durch Einsparungen im Schulbetrieb oder eine Erhöhung des Schulgeldes ausgeglichen werden, sagte Hohn. Mit der künftigen Unterstützung würden private Schul-Neugründungen unmöglich gemacht. Die Stiftung verfolge daher auch ihre Pläne für weitere Schulneugründungen auf absehbare Zeit nicht weiter. „Brandenburg geht mit der Neuberechnung der Zuschüsse nach dem Schneewittcheneffekt vor“, so Hohn. „Wer schöner ist als man selbst, dem wird nach dem Leben getrachtet.“ Das Interesse an der Schule sei groß gewesen. Es habe etwa 90 Anfragen für 50 Plätze gegeben. Die Hoffbauer-Gesellschaft ist Trägerin von 39 Einrichtungen für etwa 5500 Kinder, Jugendliche und Erwachsene.
„Die Situation der Schüler ist entsetzlich“, sagte der designierte Oberschulleiter Jürgen Franzen. Man habe zusammen mit anderen freien Trägern vorige Woche von den konkreten Plänen erfahren – das Kabinett befasste sich am letzten Schultag damit. „Wir haben sofort das Staatliche Schulamt informiert, damit diese weitere Lehrer einplant.“ Derzeit liefen die Gespräche mit den Eltern. „Wir hoffen, dass wir eine Lösung für die Kinder finden.“ Die Stiftung fühle sich um die Früchte ihrer Aufbauarbeit betrogen. In die Planungen für den Schulbau seien gut 50.000 Euro geflossen, sagte Hohn. Geplant war, bis zur Fertigstellung die Schüler in einem Gebäude an der Michendorfer Chaussee unterzubringen. Die vier neu angestellten Lehrer würden nicht gekündigt. Sie würden an anderen Schulen beschäftigt.
Ab dem Schuljahr 2012/13 soll die Finanzierung an den Schulen stärker vereinheitlicht werden. Dafür wurde eine neue Berechnungsformel nach Schülerzahl, Lehrerstunden und Stundentafel entwickelt. Demnach sind vom Schuljahr 2014/2015 an pro Schüler an Grundschulen 2950 Euro vorgesehen. Derzeit erhalten freie Schulen nach Angaben der Hoffbauer-Gesellschaft für Kinder der Klassen 1 bis 6 an Grundschulen 3682 Euro, an Primarstufen von Gesamtschulen 3629 Euro und an Primarstufen von Oberschulen 3499 Euro. Bislang erhielten die freien Schulen 94 Prozent der Personalkosten an vergleichbaren öffentlichen Schulen. Nach Berechnungen der Hoffbauer-Gesellschaft müssen die freien Schulen fast 70 Prozent der Einsparungen im Bildungshaushalt tragen, obwohl sie mit rund 25.000 Mädchen und Jungen nur zehn Prozent der Schüler unterrichten. An den Hoffbauer-Schulen würden etwas mehr als ein Prozent der märkischen Schüler unterrichtet. „Damit würden pro Schüler an staatlichen Schulen rund 49 Euro eingespart, pro Hoffbauer-Schüler rund 570 Euro“, sagte Prokurist Jürgen Kraetzig.
Das Bildungsministerium unter Martina Münch (SPD) reagierte überrascht auf die Entscheidung der Stiftung. Sprecherin Antje Grabley verteidigte die geplanten Kürzungen. Grund sei die Haushaltskonsolidierung, aber auch die Tatsache, dass die freien Schulen sehr gut ausgestattet waren. „Wir wollen nachsteuern, um den Wettbewerb wieder ins Gleichgewicht zu bringen“, sagte sie. Die freien Schulen hätten bislang von Tariferhöhungen für staatliche Lehrer profitiert, ohne dass diese in der Regel weitergegeben wurden. Antje Grabley zufolge ist es nicht richtig, dass die freien Schulen den größten Anteil der Kürzungen tragen müssten. Sie kündigte an, das Ministerium werde alles tun, um den Potsdamer Schülern zu helfen. Dabei klang auch Kritik an: „Es ist sehr bedauerlich, dass ein zuverlässiger Partner wie die Hoffbauerstiftung so agiert“, sagte die Ministeriumssprecherin. Das rot-rote Kabinett wird sich nach den Ferien erneut mit den Kürzungen befassen. Im Parlament kündigt sich bereits Widerstand an.