Brandenburg

Wie Städter von einem Bauernhof im Oderbruch profitieren

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Jeanette Bederke

Foto: Klaus-Dietmar Gabbert

Mit 70 Euro im Monat finanzieren Stadtbewohner die Betriebskosten auf einem Bauernhof in Friedrichsaue im Oderbruch. Im Gegenzug profitieren sie von der Ernte.

Frisches Obst und Gemüse kaufen Christina Katzer und Michaela Grün nicht mehr im Supermarkt. Die beiden Frankfurterinnen bekommen die Erzeugnisse ins Haus geliefert. Jeden Donnerstag verteilt Landwirt Valentin Kätzl an seine 17 Kooperationspartner in der Oderstadt eine prall gefüllte Kiste mit Lebensmitteln, die er auf seinem Hof angebaut hat.

Die Empfänger nennen sich „Ackerbande“ und sind mit dem jungen Bauern eine solidarische Landwirtschaftsgemeinschaft eingegangen. Kätzl bewirtschaftet auf seinem Bauernhof in Friedrichsaue im Oderbruch sieben Hektar Land. Der Hof ernährt nicht nur ihn und seine Familie, sondern auch die „Ackerbande“, die dafür seine Betriebskosten mitfinanziert: Jedes Mitglied zahlt monatlich 70 Euro und sichert damit die Existenz des Familienbetriebes.

Der Beitrag wird aufgrund der geschätzten Jahreskosten seiner landwirtschaftlichen Produktion festgelegt. Die finanzielle Unterstützung ermöglicht es dem 34-Jährigen, Saatgut zu kaufen und die Pacht für das Land aufzubringen. „Miteinander Finanzieren und Genießen“, nennt er das. Weiterer Vorteil: „Ich kann eine größere Vielfalt an Gemüse anbauen wie Artischocken und Auberginen, deren Aufzucht sehr arbeitsintensiv ist, was sich für so kleine Flächen eigentlich nicht lohnt.“ Der fruchtbare Oderbruch-Boden eröffne viele Möglichkeiten. Alle profitieren von den Früchten dieser Bewirtschaftung, gemeinsam tragen sie das unternehmerische Risiko.

Den Zusammenhalt auch in schlechten Zeiten konnte die „Ackerbande“ bereits testen. „Die letzte Ernte war nicht so toll. Im zu nassen Frühjahr 2013 soffen einige Kulturen regelrecht ab“, erzählt Kätzl. Gut erinnern kann er sich an die Nacktschneckenplage, die den Salat-Bestand in Gefahr brachte. Zudem war der vergangene Winter zu mild, um Lagergemüse wie Kohlrabi, Möhren oder Pastinaken halten zu können. Leer sind die wöchentlichen Gemüsekisten der „Ackerbanden“-Mitglieder dennoch nicht. Kartoffeln gibt es reichlich, Rote Beete, frische Kresse und Möhren, dazu Obst, dass der Landwirt bei anderen Bauern eintauscht.

Vorher vor allem Tütensuppen

„In Frankfurt fehlt so ein direkter Gemüseverkauf. Die meisten Bio-Anbauer liefern gleich an den Großhandel“, beschreibt Katzer ihre Beweggründe zum Mitmachen in der „Ackerbande“. Positiver Nebeneffekt sei, dass sie sich mehr mit Lebensmitteln beschäftige. „Viele von uns kochten kaum, kannten vornehmlich Tütensuppen. Inzwischen tauschen wir Rezepte aus“, erzählt die 54-Jährige. Die solidarische Landwirtschaftsgemeinschaft sieht sie auch als Beitrag zur Revitalisierung des Oderbruchs und als Unterstützung für Leute, die sich dort niedergelassen haben.

In diesem Frühjahr sind die Aussichten auf reiche Ernte deutlich besser. Mit Katzer und Grün begutachtet der 34-jährige Landwirt die zarten Pflänzchen auf seinem Feld. „Dort kommen die Zwiebeln, hier vorn steht der Blattspinat.“ Im Kräutergarten neben dem 1870 erbauten Anwesen der einstigen Domäne Friedrichsaue gedeihen Kerbel, Oregano, Bohnenkraut und Schnittlauch. Kätzl wirft einen Blick auf seine Hühner, die eifrig im Boden scharren. „Eier kommen demnächst mit in die Gemüsekiste“, verspricht er. Im vergangenen Jahr hatte ein Marder die Hühnerschar empfindlich dezimiert. Vom angebauten Getreide soll ein heimischer Bäcker in diesem Jahr Brot für die „Ackerbande“ backen.

Der Bauer, der gerade die Landwirtschafts-Meisterschule in Seelow besucht, hält diese Art der Gemeinschaft für sehr sinnvoll. „Es ist schön, wenn Lebensmittel dort erzeugt werden, wo sie auch gegessen werden.“ Angedacht ist seinen Angaben nach auch, dass jeder aus der „Ackerbande“ mehrmals im Jahr selbst mit auf dem Feld steht, beim arbeitsaufwendigen Zwiebelstecken oder bei der Kartoffelernte etwa. Katzer war mit Tochter Barbara beim Möhren-Verziehen dabei. Etwas Erde muss zunächst an dem Wurzelgemüse verbleiben, damit es knackig bleibt, hat sie gelernt. „Für viele Städter ist das Wühlen in der Erde total entspannend“, hat der Bauer beobachtet, der im späteren Frühjahr ein Hoffest für die „Ackerbande“ plant. Obst baut er nicht gezielt an, Äpfel und Mirabellen wachsen auf seinen Streuobstwiesen. Sein Hof, für den er die Demeter-Zertifizierung anstrebt, ist noch im Aufbau, als nächstes sollen Gewächshäuser angeschafft werden.

Alte Anbaukulturen geschätzt

Bei der aktuellen Bestellung richtet er sich nach den Wünschen der „Ackerbande“, sorgt dafür, dass seine Felder immer bewachsen sind und der Wind so keinen Boden davontragen kann. „Wir haben uns im Vorfeld geeinigt, was angebaut werden soll – Kohlsorten, Porree, Gurken. Aber es gibt immer wieder Überraschungen“, erzählt Katzer. Schließlich legt Landwirt Kätzl Wert auf alte Anbaukulturen, wie beispielsweise Mangold. „Dieses vielseitige Gemüse gehört zur süddeutschen Küche einfach dazu“, erzählt der aus Bayern stammende 34-Jährige. „Von dort kenne ich keine Supermarkt-Mentalität, da geht die Bevölkerung direkt beim Bauern einkaufen“, sagt er. Auch roten Kohlrabi, der völlig anders schmeckt als der herkömmliche, haben die Städter aus Frankfurt durch ihn kennengelernt. Die wöchentliche Gemüsekiste müsse man sich leisten wollen, betont Grün und wirbt um weitere „Ackerbanden“-Mitglieder. „Das frische Land kommt zu mir nach Hause“, schwärmt sie und freut sich bereits auf die neue Saison mit einer Vielfalt an Tomatensorten, Salaten und Kräutern.

Kontakt unter www.ackerbande.de oder jeden Donnerstag um 18 Uhr auf dem Hof des Frankfurter Mehrgenerationenhauses Mikado