Der mediale Aufschrei war groß: Weil das verschuldete Eisenhüttenstadt sich aufgrund von Sparzwängen aus der Finanzierung des Dokumentationszentrums für DDR-Alltagskultur zurückzog, stand die gesamte Einrichtung mit ihren 170.000 Sammelobjekten aus einem untergegangenen Staat vor dem Aus. Grund genug für den damaligen Förderverein als Träger, das deutschlandweit einmalige Museum an die Stadtverwaltung zurückzugeben und alle Mitarbeiter zu entlassen.
„Normalerweise springen Fördervereine ein, wenn die öffentliche Hand kein Geld mehr hat und nicht umgekehrt“, sagt Hartmut Preuß. Der Eisenhüttenstädter Verein aber habe zu wenig Lobbyarbeit für das Dokuzentrum gemacht, sagt der Leiter des städtischen Museums von Eisenhüttenstadt, der seit Anfang 2013 auch die Geschicke im Dokuzentrum leiten muss – ein Job, um den ihn wohl keiner beneidet. Die Stadtverwaltung hatte die gesammelte DDR-Alltagskultur nicht sang- und klanglos untergehen lassen, sondern zumindest die Trägerschaft bis Ende dieses Jahres wieder übernommen. In der Zwischenzeit sollte eine neue Konzeption und ein neues Trägermodell für dieses besondere Museum erstellt werden – quasi in einer Galgenfrist für das Dokuzentrum.
„Der Start war nicht unkompliziert“, gibt der Museumsleiter zu. Auch wenn er es nicht so formulieren will, ging es wohl in erster Linie um Schadensbegrenzung. Immerhin sei es gelungen, die bisherigen Öffnungszeiten mit vier 1,50-Euro-Kräften aufrecht zu erhalten. Zudem habe er zwei Lesungen und einen Vortrag organisiert. Neben der 2012 eröffneten Dauerausstellung zur DDR-Alltagskultur wurde bis Ende des vergangenen Jahres auch die Sonderschau „Alles aus Plaste“ über den Siegeszug des Kunststoffes in der DDR gezeigt. Knapp 5000 Besucher lockte Preuß übers Jahr in das Museum – ein dürftiger Anfang.
Dokzentrum als „historisches Gedächtnis Ostdeutschlands“
Sollten beantragte Fördermittel fließen, so will Preuß in diesem Jahr eine neue thematische Exposition erstellen. „Dann geht es um die zahlreichen Filme, die in Eisenhüttenstadt, der offiziell ersten sozialistischen Stadt auf deutschem Boden, gedreht wurden“, erzählt er. Dokumentationen, aber auch Spielfilme entstanden hier. Populär ist auch der Kinderfilm „Die Suche nach dem wunderbunten Vögelchen“, für den Eisenhüttenstadt Kulisse war. Weitere Veranstaltungen soll es geben, die nächste ist mit dem Experten für DDR-Design, Günter Höhne, für den 20. Februar geplant.
Fast 20 Jahre lang war das Eisenhüttenstädter Dokuzentrum von der Stadt, dem Landkreis Oder-Spree und dem Land Brandenburg finanziert worden. Das auch als „historisches Gedächtnis Ostdeutschlands“ bezeichnete Museum wurde 1993 ganz bewusst in dem einst auf dem Reißbrett entstandenen Eisenhüttenstadt gegründet worden. Heimstatt fand es in einer ehemaligen Kinderkrippe des früheren I. Wohnkomplexes, wo auf 400 Quadratmetern die Zeitreise in die Vergangenheit perfekt wurde.
Nur 9000 Besucher jährlich im Dokzentrum
So gut Ambiente und Sammlung auch harmonierten - der Einrichtung gelang es nie, Einnahmen zu erzielen, mit denen sich tatsächlich wirtschaften lässt. Durchschnittlich 9000 Besucher pro Jahr sind nicht viel für so ein Museum, das bundesweit seines Gleichen sucht. Veranstaltungen, mit denen sich zusätzliche Einnahmen hätten machen lassen, gab es nie, sagt Preuß. „Hier fand sich ja nicht einmal ein geeigneter Raum dafür“, macht er deutlich. Doch auch ihm sind Grenzen gesetzt. “ Wir haben insgesamt 145.000 Euro zur Verfügung – die Zuschüsse von Land und Kreis. Allein 105.000 Euro davon sind Personalkosten, der Rest Betriebskosten“, stellt Preuß klar. Auf der Strecke geblieben ist die museumseigene Forschung. „Das Dokuzentrum ist weiterhin offen für Studenten oder Doktoranden. Aber es kann nicht die Aufgabe von Stadt und Kreis sein, ein Forschungsinstitut zu finanzieren“, sagt der Museumsleiter.
In den vergangenen Wochen waren sieben Experten in den drei Depots des Dokzentrums unterwegs, um die Sammlung von DDR-Alltagskultur zu bewerten. Danach soll entschieden werden, welche Objekte im museumseigenen Fundus bleiben und welche – weil vielleicht doppelt und dreifach vorhanden - veräußert werden. Der Bund hatte für diese Studie 50.000 Euro zur Verfügung gestellt.
Fehlende museumspädagogische Arbeit ein Kritikpunkt
Museumsleiter Preuß hatte Anfang vergangenen Jahres die Reißleine gezogen, um die Sammlung durch neue Schenkungen nicht weiter anwachsen zu lassen. „Was sollen wir hier mit einer kompletten Zahnarztpraxis aus DDR-Zeiten oder mit einer umfangreichen Badezimmereinrichtung im DDR-Design“, meint er. Drei städtischen Angestellte und vier 1.50-Euro-Jobber kümmern sich um das Dokuzentrum. Auf Honorarbasis wird auch ein Museumspädagoge beschäftigt. Zudem stellt das staatliche Schulamt stundenweise einen Museumslehrer zur Verfügung.
Die fehlende museumspädagogische Arbeit war in der Vergangenheit ein Kritikpunkt. Denn gerade die Aufarbeitung der DDR-Geschichte mit Schülern könnte wohl nirgends anschaulicher gestaltet werden, als hier. „Wir haben zwei Büros ausgeräumt und zu Klassenzimmern gemacht“, erläutert Preuß, der zudem alle Bildungseinrichtungen im Schulamtsbereich extra angeschrieben hat. „Es ist ein mühsames Geschäft, aber es läuft an.“ Deutlich bedeckter zeigt sich der zeitweilige Museumschef bei Auskünften über eine mögliche neue Trägerschaft für das Dokuzentrum. „Das wird sich in der ersten Jahreshälfte entscheiden“, lautet seine knappe Antwort.

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