Das Medien-Aufgebot war immens. Vier Fernsehkameras, ein Journalistenpulk. Ein ungewöhnlich großes Gewusel bei einem Termin in der Potsdamer Staatskanzlei. Sogar Staatskanzleichef Albrecht Gerber stand hinten im Presse-Raum, neben ihm der Sprecher der SPD-Landtagsfraktion, Matthias Beigel. Die oppositionelle CDU war gleich mit zwei Pressesprechern vertreten.
Sie alle wollten den ersten öffentlichen Auftritt von Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD) gut anderthalb Wochen nach seinem leichten Schlaganfall erleben. Was würde er wohl verkündigen, wie weit auf die Fragen eingehen?
Immer noch ein leichter Linksdrall
Pünktlich um 12.30 Uhr kam Platzeck. Anzumerken war ihm nichts. Der Gang vielleicht ein bisschen weniger forsch, das Lächeln etwas zurückhaltender. Platzeck nahm neben seinem Regierungssprecher Platz – und ließ in der nächsten halben Stunde keinen Zweifel daran, dass er nach dem diagnostizierten Schlaganfall nicht einfach wieder zur Tagesordnung übergehen werde. Vielmehr werde es von den Ärzten und seinem Befinden in den nächsten Wochen abhängen, ob er seine derzeitigen Ämter weiter ausüben kann. Platzeck ist auch SPD-Landesvorsitzender und Aufsichtsratschef der Flughafengesellschaft für den künftigen Hauptstadt-Airport BER.
„Mir ging’s Montag voriger Woche wahrlich nicht gut“, sagte er. „Es war mit dem Sehen nicht so gut und auch nicht mit dem Laufen.“ Mittlerweile funktioniere die „Signalverarbeitung“ wieder – bis auf ein paar „Restanten“. So habe er beim Laufen „immer noch einen leichten Linksdrall – mehr als das Parteibuch verlangt“, scherzte der 59-Jährige für einen Moment. Doch bald wurde klar, wie ernst die Situation doch ist. Denn Matthias Platzeck will sich nicht festlegen, ob er weiterhin sein Amt als Ministerpräsident ausüben wird. „Ich möchte erst völlig fit sein. Das braucht noch ein paar Wochen“, sagte Platzeck. Er ergänzte: „Schlussfolgerungen brauchen ihre Zeit. Ich werde mir diese Zeit nehmen und werde jetzt keinen Schnellschuss machen.“
Drei Wochen Urlaub
Das erste Mal seit vielen Jahren werde er nach der kommenden Arbeitswoche drei Wochen Urlaub nehmen, kündigte er an. „Das tut meiner Frau gut und auch mir gut.“ Danach hänge die Entscheidung von den Ärzten ab. „Man muss genau prüfen“, so Platzeck. Es hänge auch davon ab, wie er sich danach fühle. Er machte deutlich, dass er gerne weiterarbeiten wolle. „Ich bin als Pflichtmensch erzogen worden“ sagte er. Sein Vater habe jeden Tag als Arzt in Potsdam zwölf Stunden gearbeitet. „Das wollte ich nie, aber dann bin ich Politiker geworden“. Wieder ein Lächeln.
Man merkte förmlich, wie sehr Platzeck sich mühte, keinen allzu kranken Eindruck zu machen. Er betonte: „Ich will meine Arbeit möglichst uneingeschränkt weitermachen.“ So würde er gerne auch 2014 wieder als Spitzenkandidat zu den Landtagswahlen antreten, wenn die Partei das wolle. Zu Spekulationen über einen möglichen Nachfolger im Amt des Ministerpräsidenten sagte er nur: „Ich lese das mit großem Interesse.“
Woidke als aussichtsreichster Nachfolge Anwärter gehandelt
Kaum hatte er Anfang dieser Woche in einem Interview bekannt gegeben, dass seine „Kreislaufprobleme ein kleiner Schlaganfall waren“, wurden sofort heftige Spekulationen über eine Nachfolge geführt. Offenbar von der Bundes-SPD wurde dabei Frank-Walter Steinmeier ins Spiel gebracht. In Brandenburg gilt allerdings derzeit Landes-Innenminister Dietmar Woidke (SPD) als aussichtsreichster Anwärter auf das Amt des Ministerpräsidenten. Darüber, dass Platzeck nur den Posten des BER-Aufsichtsratsvorsitzenden abgeben könnte, spekuliert inzwischen keiner mehr in Potsdam. „Das wird er nicht machen“, sagte ein Vertrauter. „Dann wäre er nur noch ein halber Ministerpräsident.“
Verantwortung für den BER
Denn Platzeck sieht sich als Brandenburger Regierungschef in der Verantwortung für den BER, nachdem Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) den Vorsitz im Flughafen-Aufsichtrat an ihn abgegeben hat. Berlin und Brandenburg sind die Mehrheitseigner. Sie haben jeweils 37 Prozent der Anteile an der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH, der Bund ist mit 26 Prozent dabei.
Er habe den Märkern versprochen, „sein Schicksal mit dem des Flughafens zu verbinden“, erinnerte ein anderer führender Politiker. Sie halten es deshalb für unwahrscheinlich, dass Platzeck nur den Aufsichtsratsposten aufgibt. Also alles oder nichts. Entsprechend groß ist die Sorge um seine Gesundheit.
Platzeck klagt über „Sittenverfall“
Er lasse es langsam angehen, sagte nun Matthias Platzeck während der Pressekonferenz. An seinem ersten Arbeitstag nach dem Schlaganfall traf er sich mit Tourismusvertretern. Die Branche leidet unter den Urlauber-Stornierungen nach dem Hochwasser. Geplant ist, dass er nächsten Mittwoch bei der Eröffnung des Cargo Centers am Hauptstadtflughafen in Schönefeld dabei ist. Auch ein Besuch der benachbarten Modemesse steht auf dem Programm.
Außerhalb dieser Termine möchte er aber seine Ruhe haben. Daran ließ Platzeck keinen Zweifel. Journalisten würden seit drei Tagen vor seinem Zuhause in Potsdam-Babelsberg „herumlungern“. „Ein Stück Sittenverfall“, so Platzeck. „Zeugnis vom Zustand der Medien im 21. Jahrhundert.“ Auch Beschwerden, dass nicht alle Journalisten gleichzeitig über die Diagnose Schlaganfall informiert wurden, wies Platzeck zurück. „Krankheit ist immer noch privat.“ Es müsse schon ihm überlassen werden, was er wann und wo darüber erzähle.