Brandenburg

Angeschlagener Matthias Platzeck gönnt sich keine Ruhe

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Gudrun Mallwitz

Foto: Patrick Pleul / dpa

Der brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck hat einen Schlaganfall erlitten. Jetzt beginnen die Spekulationen, ob er sich mit dem BER-Aufsichtsratsvorsitz zu viel zumutet.

Es hörte sich alles relativ harmlos an. Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck habe sich mit Kreislaufproblemen ins Potsdamer Ernst-von-Bergmann-Klinikum begeben, teilte sein Regierungssprecher Thomas Braune vor einer Woche mit. Alle Termine in den nächsten Tagen seien abgesagt. „Er lässt aber Grüße ausrichten“, sagte Braune auf Anfrage von Journalisten. Einen sehr besorgten Eindruck machte er dabei nicht.

Am Freitag wurde der brandenburgische Regierungschef aus der Klinik entlassen. Drei Tage später offenbarte Matthias Platzeck nun der „Märkischen Allgemeinen Zeitung“: „Wie ich jetzt weiß, waren meine Kreislaufprobleme an jenem Montagmorgen von einem kleinen Schlaganfall verursacht.“ Ein „minor stroke“, wie die Ärzte sagen.

Platzeck kämpfte nach eigener Schilderung mit Problemen beim Sehen und beim Gehen. „Ich hatte wohl einen Schutzengel und bin im Ernst-von-Bergmann-Klinikum sofort exzellent betreut worden“ sagt er. „So habe ich nach nur drei, vier Tagen fast meinen normalen Zustand erreicht. Die Gesichtsfeldeinschränkungen sind weg. Ich kann wieder gut laufen, habe aber noch einen leichten Linksdrall.“ Er könne aber ganz normal sprechen, berichten Vertraute des SPD-Politikers.

Am Donnerstag will Platzeck wieder im Dienst sein

Schon am Donnerstag will der 59-Jährige seine Amtsgeschäfte wieder aufnehmen, ehe er Ende kommender Woche dann seinen Sommerurlaub antritt. In der Staatskanzlei empfängt er Vertreter der Tourismusbranche. Es geht um die Folgen des Hochwassers für den Wirtschaftszweig. Eigentlich könnte das noch warten. Platzeck will mit seiner Turbo-Rückkehr aber ganz offensichtlich dem Eindruck entgegentreten, er sei nicht arbeitsfähig.

Denn längst stellt sich selbst für Vertraute die Frage: Schafft er das alles? Und vor allem: Sollte er sein Amt als Aufsichtsratsvorsitzender der Flughafengesellschaft nicht doch wieder abgeben? Die Probleme am Pannen-Hauptstadtflughafen BER sind auch unter dem neuen Flughafenchef Hartmut Mehdorn gravierend.

So wagt derzeit nach mehrmals gescheiterten Starts keiner, einen Eröffnungstermin zu nennen. Die drei Gesellschafter – der Bund, Berlin und Brandenburg – sind sich in wesentlichen Punkten wie bei den Nachtflugbestimmungen und dem Lärmschutz für die Anwohner nicht einig. Auch innerhalb des Managements der Gesellschaft läuft es nicht rund: Hartmut Mehdorn und Technik-Chef Horst Amann kommen nicht miteinander aus, das ist längst ein offenes Geheimnis.

Platzeck griff beim Vorsitz des BER-Aufsichtsrats zu

Im Januar hatte Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit den Posten als Aufsichtsratschef hingeworfen. Sein Parteifreund griff zu. Man erzählt sich, dass Wowereit überrascht gewesen sein soll, dass ausgerechnet sein Vize im Gremium die undankbare Aufgabe an sich zog. Denn Platzeck ist als Politiker zwar beliebt, er gilt aber als nicht besonders durchsetzungsfähig. Auch als nicht besonders belastbar.

Im kleinen Kreis soll Platzeck einmal gesagt haben, „der Klaus“ sei ganz anders als er. Wenn was nicht gut läuft, schüttele der das viel schneller von sich ab. Inzwischen sieht man aber auch Klaus Wowereit an, dass er leidet. Denn die Blamage mit dem BER ist so groß, dass sie selbst ihm über den Tag hinaus zusetzt.

Nicht nur Wowereit hat sich über Platzecks Entscheidung für den Vorsitz gewundert. Immerhin verknüpfte er damit „sein Schicksal mit dem des Flughafens“, wie er es selbst formulierte. Denn die SPD hat bei der Bundestagswahl im Herbst ohnehin einen schweren Stand.

Auch die Brandenburger Sozialdemokraten können sich bei der Landtagswahl 2014 keinen geschwächten Platzeck leisten. Sie hätten ihn gerne davon abgehalten, für Wowereit in die Bresche zu springen. Doch Platzeck war nicht zu bremsen. Er wollte die Chaos-Dauer-Baustelle doch noch in einen funktionierenden Flughafen verwandeln.

Nicht zum ersten Mal gesundheitliche Probleme

Seine gesundheitlichen Probleme könnten ihm einen Strich durch die Rechnung machen. Und das nicht zum ersten Mal. Im November 2005 ließ er sich nach dem Rücktritt von Franz Müntefering zum Bundesvorsitzenden der SPD wählen. Im April 2006 trat er dann nach nur fünf Monaten vor die Kameras – und verkündete, dass er sein Amt leider niederlegen müsse. Zwei Hörstürze und ein Zusammenbruch zwangen ihn dazu.

So schwer ihm das fiel, so war er sich ganz sicher, dass es der richtige Schritt war. Denn offenbar reicht seine Kraft nur für das Amt des Ministerpräsidenten und des SPD-Landesvorsitzenden aus. Der Spitzenjob fordert ihn oft bis spät in die Nacht. Es ist weit mehr zu tun, als Spargel- und Rosenköniginnen zu küssen. In seiner rot-roten Regierungskoalition läuft es auch nicht immer rund.

Allerdings gab es schon turbulentere Zeiten, etwa als bei der Linkspartei ein Stasi-Spitzel nach dem anderen entlarvt wurde. In dieser Legislaturperiode stolperte sein Bildungsminister Holger Rupprecht über eine Dienstwagen-Affäre und sein enger Vertrauter Rainer Speer als Innenminister wegen einer Unterhaltsaffäre.

Für Platzeck war all das kein Grund, den Posten als BER-Aufsichtsratschef nicht anzunehmen. Er fühlte sich so fit, dass er auch bundespolitisch ein kleines Comeback wagte: 2011 ließ er sich wieder in den Bundesvorstand der SPD wählen. Er erhielt das zweitbeste Ergebnis. Das Image des kränkelnden Politikers hat er aber nie ganz ablegen können. Bei den Wählern hat es ihm nicht geschadet.

Im Gegenteil: Genau das schätzen sie an ihm. Dass er redet wie einer von ihnen. Dass er ihnen nichts vormacht. Krankheit macht eben auch vor einem Politiker nicht halt. Privat hat Platzeck den Rückhalt seiner zehn Jahre jüngeren Frau. Es ist seine zweite Ehe. Mit Jeanette Jesorka lebt er in einer Altbauwohnung in Potsdam-Babelsberg. Kennen gelernt hat er sie, als er Oberbürgermeister in Potsdam war. Heute noch arbeitet die 49-Jährige im Büro des Oberbürgermeisters. Sie hat eine Tochter, er drei Töchter.

Kürzlich versuchte er, die Sorgen um seinen Gesundheitszustand zu zerstreuen. In den vergangenen 24 Monaten habe er bei einer Sieben-Tage-Arbeitswoche keine acht Krankentage gehabt, so Platzeck. Doch seit Mai häuften sich seine Absagen. Erstmals fehlte er bei einer BER-Aufsichtsratsitzung, wegen Problemen mit dem Ischiasnerv. Er sei ausgerutscht, hieß es einige Tage später.

Israel-Reise abgesagt

Auch eine Israel-Reise sagte er „krankheitsbedingt“ ab. Für den Schlaganfall hat er keine eindeutige Erklärung. „So etwas kommt meist, wenn man nicht damit rechnet“, sagt Platzeck. Er laufe regelmäßig, ernähre sich gesund, sei nicht dick. „Aber klar, die letzten Monate waren sehr dicht.“ Sein Einsatz beim Hochwasser zum Beispiel. Auf die Frage, ob er als Konsequenz seiner Erkrankung kürzer treten und einige Posten abgeben will, antwortet Platzeck ausweichend: „Ich will wieder einhundertprozentig fit sein.“

Hinter den Kulissen wird inzwischen schon über einen Nachfolger an der Spitze des Aufsichtsrats spekuliert. Erst war Berlin dran, dann Brandenburg. Bliebe noch der Bund. Ihn vertritt im BER-Aufsichtsrat Verkehrsstaatssekretär Rainer Bomba.

Derzeit lässt sich aber nicht einmal einschätzen, ob Platzeck nicht sogar komplett aussteigt – auch als Ministerpräsident.

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