Bildungspolitik

Der Kampf um die Junglehrer ist entbrannt

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Junge Lehrer werden dringend gebraucht. Brandenburg lockt mit dem Beamtenstatus, Berlin hingegen mit höheren Gehältern. Ein Konkurrenzkampf.

Im Wettbewerb zwischen Berlin und Brandenburg um dringend benötigte Lehrer verschärft sich der Ton. Brandenburg wirbt Junglehrer aus Berlin mit der Verbeamtung an, im Gegenzug verspricht Berlin den verbeamteten Lehrern aus Brandenburg, dass sie in Berlin ihren Status behalten und obendrein mehr Geld bekommen können.

In Brandenburg scheint die Rechnung zumindest für das neue Schuljahr aufzugehen. Bildungsministerin Martina Münch (SPD) konnte sogar auf die für dieses Jahr angekündigte Kampagne zur Lehrersuche verzichten. Denn offenbar können in Brandenburg auch so alle 650 neuen Lehrerstellen für das kommende Schuljahr besetzt werden. Geplant ist, 100 der neuen Lehrer in den Inklusions-Pilotschulen einzusetzen. Dort sollen behinderte oder lernschwache Schüler in den regulären Schulen integriert werden. Ob allerdings auch in den Berlin-fernen Regionen alle Lehrerstellen zum Schuljahr 2012/13 besetzt werden können, will Bildungsministerin Münch am Donnerstag bekannt geben. „Es sieht gut aus“, sagte die Sprecherin des Bildungsministeriums, Antje Grabley.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft ist da nicht so optimistisch. Deren Landesvorsitzender Günther Fuchs warnt davor, dass künftig mehr Lehrer nach Berlin abwandern als bisher. Berlin verbeamte seine Lehrer anders als Brandenburg zwar nicht. „Berlin signalisiert aber, dass Beamte ihren Status behalten können“, sagt Fuchs. Außerdem gruppiere Berlin die Lehrer höher ein als Brandenburg. „Viele beginnen ihre Laufbahn in Brandenburg zwar, lassen sich hier verbeamten, wandern dann aber ab.“ Fuchs geht davon aus, dass es sich um jährlich rund 200 Lehrer handelt. So viele würden sich vom hiesigen GEW-Landesverband in den Landesverband nach Berlin ummelden. Und das Problem werde noch zunehmen: Jeder fünfte Lehrer wohne schon heute in Berlin und pendle nur nach Brandenburg.

Abkommen ohne Erfolg

Auch die Bildungsexperten im Landtag sehen das Problem. „Berlin hat die besseren Karten“, sagt die bildungspolitische Sprecherin der Linken, Gerrit Große. Aus ihrer Sicht hat das seit Jahren geltende Abkommen zwischen dem brandenburgischen Bildungsministerium und der Senatsverwaltung für Bildung nicht den gewünschten Erfolg gebracht. Die Vereinbarung sollte vor allem den Wechsel während des Schuljahres verhindern. „Es ist ein neuer Vertrag zwischen den beiden Ländern nötig“, fordert Große. Die Länder sollen sich gegenseitig verpflichten, dass ein Wechsel nur über einen Tausch erfolgt.

Das Brandenburger Bildungsministerium widerspricht. Die Situation sei alles andere als dramatisch. Es sei durchaus nicht so, dass das Land scharenweise Lehrer verliere, die es nach Berlin ziehe. „Im Schuljahr 2010/11 haben 27 Beschäftigte eine Versetzung beantragt, im Schuljahr darauf waren es 19 Beschäftigte“, sagt Ministeriumssprecherin Grabley. „Das ist bei 21.000 Lehrern keine Größenordnung.“

Der Bildungsexperte der CDU im Landtag, Gordon Hoffmann, ist der Ansicht, dass Brandenburg sich als Anreiz für die Lehrer nicht auf der Verbeamtung ausruhen darf. „Es müssen sich vielmehr die Arbeitsbedingungen ändern“, sagt Hoffmann. Die geplante Inklusion stelle die Lehrer vor zusätzliche Herausforderungen. „Die Voraussetzungen dafür sind aber gar nicht geschaffen“, kritisiert der Abgeordnete.

Pensionierungswelle droht

Tatsächlich wird sich der Wettbewerb um die Fachkräfte in den kommenden Jahren weiter zuspitzen. Denn die große Pensionierungswelle steht erst noch bevor. In Brandenburg müssen bis 2015 insgesamt 1575 Lehrer neu eingestellt werden. In Berlin sind es im gleichen Zeitraum 5000 Lehrkräfte. Die Berliner Bildungsverwaltung geht nach Angaben von Staatssekretär Mark Rackles davon aus, dass mindestens zehn Prozent davon von Bewerbern aus anderen Bundesländern abgedeckt werden können. Obwohl Berlin seit 2004 die Verbeamtung von neuen Lehrern abgeschafft hat, werden Bewerber in Mangelfächern, die bereits in anderen Bundesländern einen Beamtenstatus erworben haben, auch weiterhin verbeamtet. Sollten sie in ihrem Herkunftsland höhere Bezüge erhalten haben, werden diese in Berlin weitergezahlt.

Der Grünen-Politiker Özcan Mutlu kritisiert eine Zwei-Klassen-Kultur in Berliner Lehrerzimmern. Doch einen Verzicht auf diese Besserstellung könne sich Berlin nicht leisten, sagt Rackles in der Antwort auf eine Anfrage des Grünen-Politikers. Andernfalls wäre ein deutlicher Rückgang an Bewerbern zu erwarten. Wie das Abwandern von jungen Berliner Lehrern ins Umland gestoppt werden kann, ist noch nicht geklärt. Fakt ist, dass es keine Wiedereinführung der generellen Verbeamtung geben wird. Bildungssenatorin Scheeres (SPD) will andere Anreize schaffen. Denn eng wird es mit den Bewerbern vor allem an Schulen, die sich am Stadtrand in unmittelbarer Nähe zu Brandenburg befinden, und an Brennpunktschulen mit einem sehr hohen Anteil an Kindern nicht deutscher Herkunft. Zwar waren in den Einstellungsrunden für das neue Schuljahr genügend Bewerber da, doch ob diese tatsächlich an den Schulen ankommen, wird sich erst am ersten Schultag am 6. August zeigen. Häufig bewerben sich die Pädagogen in mehreren Bundesländern und wählen dann das beste Angebot.

( Florentine Anders und Gudrun Mallwitz )