Darf sich der Landeselternausschuss (LEA) direkt an die Schulleiter wenden, wenn er Auskunft über „gesamtstädtische schulische Angelegenheiten“ wünscht? Nein, lautet die Antwort aus der Bildungsverwaltung unter Senatorin Sandra Scheeres (SPD). Auskünfte etwa über Lehrermangel oder die Anzahl der Schulhelfer dürfe nur die Verwaltung selbst geben. In einem scharf formulierten Brief an den LEA-Vorsitzenden Günter Peiritsch wird dieser „dringend“ aufgefordert, eine unter den Schulleitern begonnene Umfrage zur Bewilligung von Schulhelferstunden einzustellen. Mitglieder des Landeselternausschusses wollen das nicht akzeptieren und gegen den „Maulkorb“ vorgehen.
Umfrage vor den Sommerferien
Seit Jahren startet der Elternverband jeweils vor den Sommerferien eine Abfrage an alle Schulen, in der es um die beantragten Schulhelferstunden für jedes einzelne schwer behinderte Kind geht. Diesmal jedoch antworteten nicht die Schulleiter, sondern die Bildungsverwaltung. In dem Brief an den LEA-Vorsitzenden heißt es: „Es ist nicht hinnehmbar, dass der LEA die Schulen zu rechtswidrigem Handeln auffordert“.
Die Schuleiter seien angewiesen, der Bitte der Eltern um Auskunft „nicht zu entsprechen“. Anfragen seien generell nur an die Schulverwaltung und nicht an einzelne Schulen zu richten.
Mangelnde Transparenz
Die Elternvertreter sind aufgebracht. „Wir möchten Auskunft über die Versorgungslage an den Schulen haben“, sagt der LEA-Vorsitzende Peiritsch. „Was daran rechtswidrig sein soll, kann ich nicht nachvollziehen.“ Alle Versuche, von der Senatsverwaltung direkte Auskünfte zu bekommen, würden seit Schuljahresbeginn abgeblockt. Daher werde man die Abfrage auch auf keinen Fall stoppen – zumindest so lange nicht, bis der Senat „nachvollziehbare Angaben zur Schulversorgung“ herausrücke.
Schulhelfer sollen sich besonders um schwerbehinderte Kinder im Unterricht kümmern. Seit 2009 gilt in Deutschland die UN-Behindertenrechtskonvention, laut der behinderte Kinder ein Recht auf gemeinsamen Unterricht mit nichtbehinderten Kindern in der „inklusiven Schule“ haben. Nach Auskunft der Senatsverwaltung beträgt der Etat für die Schulhelfer in diesem Schuljahr insgesamt 8,7 Millionen Euro. Laut Frank Heldt von der LEA-Arbeitsgruppe Inklusion sind derzeit 550 Schulhelfer im Einsatz. „Wie viele Stunden sie leisten, will die Bildungsverwaltung uns jedoch nicht sagen.“
Das Elterngremium befürchtet, dass künftig nicht mehr feststellbar sein wird, wie viele Schulhelferstunden pro Kind beantragt und schließlich auch bewilligt werden. Denn seit Juni 2011 werden die geleisteten Schulhelferstunden nicht mehr pro Kind erfasst, sondern nur noch gruppenbezogen. Das regelt eine neue Verwaltungsvorschrift.
Ohne Zahlen keine Vergleiche
Heldt warnt, dass sich damit nicht mehr nachvollziehen lasse, ob jedes Kind die ihm zustehenden Betreuungsstunden auch erhalte. Der Elternausschuss sehe darin den Versuch, die Statistik zu schönen. „Wenn wir keine Zahlen mehr haben, können wir keine Vergleiche mehr anstellen“, sagt Heldt.
Die Vorsitzende des Grundschulverbandes Inge Hirschmann sieht das ähnlich. „Da soll ein Mangel verdeckt werden.“ Anders sei es nicht zu erklären, dass die Schulleiter den Eltern solche Daten nicht mehr übermitteln dürfen.
Nicht nur der Elternausschuss, auch die Vertreter der Opposition im Abgeordnetenhaus haben bislang ohne Erfolg versucht, von der Verwaltung konkrete Zahlen zu erfahren. In einer parlamentarischen Anfrage hatte der Bildungsexperte der Grünen, Özcan Mutlu, von der Bildungssenatorin wissen wollen, wie viele Schulhelfer in jeder der mehr als 700 Berliner Schulen im Einsatz sind und wie viele Stunden sie dort leisten. Diese Zahlen, heißt es in der Antwort vom März dieses Jahres, hätte Verwaltung nicht. Die überraschende Begründung: Weil die Arbeitsstunden von drei Freien Trägern geleistet würden, die ihr Personal eigenverantwortlich einsetzten, lägen die erfragten Angaben nicht vor.
Schulhelferstunden laut Bildungsverwaltung gestiegen
Auf Nachfrage konnte die Bildungsverwaltung am Dienstag zumindest die Gesamtzahl der Schulhelferstunden zusammenrechen: Demnach wurden 2010 insgesamt 8680 Betreuerstunden bewilligt. 2011 seien sogar 9283,5 Schulhelferstunden bewilligt worden. „Von einem Abbau kann also keine Rede sein“, so Thorsten Metter, Sprecher der Bildungssenatorin. Der Landeselternausschuss habe ein berechtigtes Interesse an Informationen und Zahlen, betont Metter. „Der richtige Weg war und ist aber, dass uns die Fragen mitgeteilt werden, wir uns dann an die Schulen wenden und dann wiederum die Ergebnisse übermitteln“, sagt er.
In diesem Fall komme noch hinzu, dass der Landeselternausschuss von den Schulleitern abfragen will, wie viel Helferstunden sie pro Kind beantragen und wie viel davon bewilligt werden. Dies widerspreche den 2011 geänderten Verwaltungsvorschriften. „Das geht natürlich nicht“, begründet Metter das Schreiben an den Chef des Landeselternausschusses und die Weisung an die Berliner Schulleiter, auf die Fragen der Eltern nicht zu antworten.