Gesundheitspolitik

Berlins Pflegeschule soll in Wenckebach-Klinik entstehen

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Joachim Fahrun
Die Stationen aus dem Wenckebach-Krankenhaus werden ins Auguste-Viktoria-Klinikum verlagert. Dann wäre Platz für die Pflegeschule von Vivantes und Charité

Die Stationen aus dem Wenckebach-Krankenhaus werden ins Auguste-Viktoria-Klinikum verlagert. Dann wäre Platz für die Pflegeschule von Vivantes und Charité

Foto: Maurizio Gambarini / FUNKE Foto Services

Der Ausbau für fast 4000 Auszubildende am Askanierring in Spandau dauert zu lange. Das aufgegebene Vivantes-Haus ist die Alternative.

Berlin.  Eines der wichtigsten gesundheitspolitischen Vorhaben des Landes kam bisher nur im Schneckentempo voran: Der Aufbau eines gemeinsamen Ausbildungscampus für die Pflegeschüler der landeseigenen Krankenhausträger Vivantes und Charité, verbunden mit einer Erweiterung der Ausbildungskapazitäten für die gesuchten Fachkräfte von derzeit 2400 auf 3700.

Schon 2019 hatte die damalige Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci angekündigt, das Projekt auf einem dem Bund und dem Land gehörenden Gelände am Askanierring in Spandau realisieren zu wollen. Doch bislang bewegte sich wenig, derzeit rechnen Insider mit einem Zeitraum von bis zu neun Jahren, ehe die ersten Pflegeazubis dort lernen könnten.

Weil das viel zu lang und der Bedarf nach Pflegekräften riesig ist, denkt die Regierungskoalition jetzt um. Der Pflegecampus, den der Koalitionsvertrag zwischen SPD, Grünen und Linken noch in Spandau verortet, soll auf dem Gelände des gerade von Vivantes aufgegebenen Standort des Wenckebach-Klinikums in Tempelhof entstehen.

Pflegecampus in Berlin: SPD-Landeschef Raed Saleh rückt vom Standort in Spandau ab

Das will SPD-Landes- und Fraktionschef Raed Saleh den Koalitionsspitzen am Montag im Koalitionsausschuss vorschlagen. Als Spandauer galt der mächtige Sozialdemokrat lange als Fürsprecher für den Standort in seinem Bezirk. „Man muss auch als Koalition umdenken, wenn sich neue Möglichkeiten ergeben“, sagte Saleh der Morgenpost: „Wir haben am Standort Wenckebach einen enormen Zeitvorteil und es drängt in der Pflege.“

Dass sich in der Koalition nennenswerter Widerstand gegen den Vorschlag regen könnte, ist kaum zu erwarten. Gesundheitssenatorin Ulrike Gote (Grüne) hatte jüngst im Morgenpost-Interview erklärt, sie sei offen für Alternativen zum Standort Spandau.

Bei Vivantes rennt der SPD-Chef mit seinem Kurswechsel offene Türen ein. Der Krankenhauskonzern denkt schon seit fast einem halben Jahr darüber nach, den Pflegecampus lieber auf dem eigenen Gelände in Tempelhof als in Spandau anzusiedeln. „Wir könnten die Pflegeazubis in den denkmalgeschützten Gebäuden unterbringen und hätten immer noch Platz für die vom Bezirk und vielen Nachbarn dort gewünschten Versorgungsangebote“, sagte Vivantes Chef Johannes Danckert der Morgenpost.

Vivantes-Chef Danckert hofft, dass die ersten Azubis in zwei, drei Jahren einziehen

Das Institut für Fort- und Weiterbildung sei schon auf dem Wenckebach-Gelände. „Da kommt dann richtiges Campus-Feeling auf.“ Die Pflegeschule lasse sich dort viel schneller umsetzen als in Spandau. „Wenn dort in zwei, drei Jahren die ersten Auszubildenden einziehen, dann würde uns das sehr helfen.“ Zudem sei das Wenckebach verkehrlich sehr viel besser angebunden als der Standort der früheren Alexander Barracks im Westen der Stadt.

Die Stationen des Wenckebach-Krankenhauses ziehen seit Monaten sukzessive in die Neubauten des Auguste-Viktoria-Klinikums (AVK) am Grazer Damm um. Dort errichten Vivantes in drei Abschnitten eine komplett neues Krankenhaus. Die 30.000 Quadratmeter Nutzfläche, die bereits frei sind oder demnächst geräumt werden, reichen nach Berechnungen der Vivantes-Planer aus, um dort 3700 Pflege-Azubis plus 190 Lehrkräfte und sonstige Mitarbeiter, also insgesamt 4000 Personen, unterzubringen.

Wenn 2030 die bisher entlang der Colditzstraße im Ostteil des Geländes untergebrachte Psychiatrie aus dem Wenckebach in den dritten Bauabschnitt am AVK wechselt, stünden weitere Flächen zur Verfügung, wo ein Wohnheim für die Auszubildenden entstehen könnte. Arztpraxen und Medizinische Versorgungszentren für die Nachbarschaft könnten in die Bestsandsgebäude entlang der Wenckebachstraße ziehen. Im Süden des Areals an der Friedrich-Wilhelmstraße wären zudem noch Neubauten für zusätzliche Bildungsflächen möglich.

Die Ausbildungscampus im früheren Krankenhaus kostet wohl weniger als in Spandau

Das erforderliche Geld für den Bau des Ausbildungscampus hat Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) noch nicht in seine Investitionsplanung aufgenommen, unabhängig vom Standort. Allerdings gehen Kenner der Materie davon aus, dass die Kosten für die Pflegeschule auf dem Wenckebach-Gelände niedriger ausfallen werden als in Spandau. Die Rede ist von einem hohen zweistelligen Millionenbetrag. Zudem sei es angesichts der anhaltenden Baupreis-Steigerungen sinnvoll, so früh zu bauen wie möglich. Um die Planungen voranzutreiben, stehen bereits zehn Millionen Euro zur Verfügung.

Sparen würden die Landesunternehmen Vivantes und Charité auch Mietkosten für Räume, wo ihre Pflegeschulen derzeit arbeiten. An der Reinickendorfer Waldstraße, wo Vivantes knapp 900 angehende Pflegefachkräfte und -assistenten ausbildet, gibt es ein Kündigungsrecht. Auch der Standort Süd am Krankenhaus Neukölln mit ähnlich vielen Azubis würde frei. Die Charité bildet ihre knapp 700 Azubis in der Pflege und weiteren Medizin-Berufen auf Mietflächen in Mitte aus, wo verlängerte Mietverträge erhebliche Kostensteigerungen bedeuten würden.

Für das Areal in Spandau soll es auch nach dem Aus für den Pflegecampus weitere Pläne geben. Vivantes möchte das Krankenhaus Spandau erweitern. Zudem könnten dort Wohnungen für Auszubildende und Beschäftigte entstehen. Auch Gewerbe wäre auf den als Mischgebiet ausgewiesenen Flächen denkbar, hieß es.